FDPPandemie-Bekämpfung

Parlamente sollten die Entscheidungsgewalt bekommen

Deutscher Bundestag, PlenarsaalParlamente sollten die Entscheidungsgewalt bekommen.
03.11.2020

Das Parlament sollte die Herzkammer der Demokratie sein. Bei den Entscheidung über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie spielen sie allerdings keine Rolle. Es gibt aber Demokraten, die sich für sie in die Bresche werfen. Denn die Parlamentsbeteiligung ist umso wichtiger, je länger die Krise mit Einschränkung von Grundrechten und Einschnitten in den Alltag der Menschen andauert. Die Freien Demokraten verlangen schon seit längerem eine grundsätzliche Mitsprache der Parlamente. In einigen Landtagen finden nun Sondersitzungen statt. So zum Beispiel in Niedersachsen. FDP-Fraktionschef Stefan Birkner hatte ein Sonderplenum des Landtags gefordert, damit die Corona-Verschärfungen öffentlich erklärt werden. Auch in Bayern fand wie von der FDP gefordert eine Sondersitzung statt. FDP-Fraktionschef Martin Hagen hatte deutlich gemacht: "Über derart gravierende Grundrechtseingriffe müssen die Vertreterinnen und Vertreter des Volkes diskutieren und entscheiden!"

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Martin Hagen, sieht die Politik von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Corona-Krise an ihre Grenzen kommen. Im Interview mit der Passauer Neuen Presse verwahrte sich der FDP-Politiker dagegen, dass Söder die FDP in die Nähe der AfD rückt. "Die Macht ist ihm zu Kopf gestiegen. Er wertet Kritik als "Majestätsbeleidigung", sagte Hagen. Die FDP werde aber auch weiterhin rechtswidrige und unnütze Maßnahmen kritisch hinterfragen. "Die FDP fordert, dass endlich die Parlamente über die Corona-Politik entscheiden."

Auch Niedersachsens FDP-Fraktionschef Stefan Birkner kritisiert seit Monaten, dass die Abgeordneten über Corona-Verbote und Regeln nicht mitentscheiden können. "Der Kern der parlamentarischen Demokratie ist damit ausgehebelt worden", sagt Birkner im Interview mit NDR Niedersachsen. Denn: Regelungen, die die Grundrechte beschneiden, dürften nur im Notfall von der Regierung verordnet werden, aber eben nicht dauerhaft, so Birkner.

In der Aussprache zur Regierungserklärung betonte der Fraktionsvorsitzende, dass die Entscheidungen zur Pandemiebekämpfung im Parlament getroffen werden müssen. "Wir sind uns einig, dass die Lage ernst ist und dass es das Ziel sein muss, die Infektionsdynamik zu bremsen und die Infektionswelle zu brechen", sagte Birkner. Es sei aber frustrierend, dass sich Niedersachsen jetzt wieder in der selben Situation wiederfinde, wie am Anfang der Pandemie. Birkner: "Wir wissen aber inzwischen, dass Masken und Belüftung in geschlossenen Räumen wirksam sind. Wir wissen, dass sich Menschen unter bestimmten Rahmenbedingungen begegnen können. Aber die Landesregierung greift wieder zur Schrotflinte, indem sie ganze Bereiche ins künstliche Koma legt. Gastronomen und Kultureinrichtungen haben sich darauf verlassen, dass es sicher ist, Hygienekonzepte umzusetzen. Es werden jetzt diejenigen bestraft, die sich engagiert haben und die in Infektionsschutzmaßnahmen investiert haben."

Zwar berate der Landtag nun das erste Mal vor dem Inkrafttreten einer Verordnung, das Parlament müsse aber die Entscheidungsgewalt bekommen. Birkner: "Der eigentliche Druck auf die Landesregierung, sich verfassungsgemäß zu verhalten, kommt erst, wenn das Parlament die Entscheidungen treffen kann." Es sei dringend erforderlich, auf diesem Weg zu einer nachhaltigen Strategie zu kommen. "Was ist denn Ihre Antwort, wenn im Januar die Zahlen wieder steigen? Kommt dann der dritte und der vierte Lockdown? Wir müssen endlich handeln statt abwarten und den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken, damit die Kontaktnachverfolgung funktioniert. Wir brauchen mehr Geld für die Schülerbeförderung, damit es weniger riskant wird, diese zu nutzen. Wir brauchen eine Teststrategie und Schnelltests. Dann haben wir auch eine Chance in der Pandemie", fordert Birkner.

Die Bremer FDP-Fraktion sieht in den verschärften Corona-Regeln "Alarmismus und ein Zeichen von Hilflosigkeit", schreibt deren Vorsitzende Lencke Wischhusen. Ein solch massiver Eingriff in die Grundrechte sei inhaltlich und demokratisch falsch.

Am Samstag hat sich die Bremische Bürgerschaft in einer Sondersitzung mit den jetzt beschlossenen Einschränkungen befasst. Dort haben die Freien Demokraten einen Gesetzesentwurf zur Stärkung der Beteiligung der Bremischen Bürgerschaft an Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen eingebracht. Der Fraktions-Vize Hauke Hilz erklärt dazu: "Wir brauchen eine öffentliche Debatte, in der das Für und Wider der jeweiligen Maßnahmen abgewogen wird." Denn staatliche Maßnahmen, die in das Leben und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, bedürfen einer hohen Akzeptanz bei denen, die diese betreffen. "Diese Akzeptanz erreicht man nur durch eine breit angelegte öffentliche Debatte", so Hilz.

Für die Freien Demokraten ist es wichtig, dass die Maßnahmen von den Bürgerinnen und Bürger akzeptiert werden. Zum Teil würden mit den Maßnahmen, die sich der Bund vorstelle, Existenzen gefährdet, obwohl nicht nachgewiesen ist, dass es in diesem Bereich ein besonderes Infektionsgeschehen gibt. Klar ist: Nicht alle Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern sind falsch. FDP-Chef Christian Lindner machte deutlich, dass sich trotz aller Kritik an einzelnen Entscheidungen jede Relativierung der Pandemie und Polarisierung verbiete. Es sei eine schwierige Gratwanderung. Um so wichtiger ist es aber solche Entscheidungen wieder in die Parlamente zu bringen.

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