31.10.2005FDP

NIEBEL-Interview für "Ruhr-Nachrichten"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab den "Ruhr-Nachrichten" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ:
Frage: SPD-Chef Franz Müntefering will die Rentner von notwendigen Einsparungen ausnehmen. Müssen nicht auch Senioren einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten?
NIEBEL: Direkte Rentenkürzungen kann es nicht geben. Das sind schließlich gesetzlich garantierte Eigentumsansprüche. Aber durch weitere Renten-Nullrunden wird es natürlich indirekte Kürzungen geben. Mit den steigenden Lebenshaltungskosten geht dann die Kaufkraft der älteren Menschen leider zurück. Daran wird auch Herr Müntefering nichts ändern.
Frage: Müntefering will ein Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen für ältere Arbeitslose.
NIEBEL: Wir sollten nicht noch weitere Subventionen einführen. Der Förderdschungel der Bundesagentur für Arbeit ist ohnehin schon sehr undurchsichtig. Da benötigen wir keine zusätzlichen Programme aus der sozialdemokratischen Mottenkiste. Damit sind die Arbeitsmarkt-Probleme auch in der Vergangenheit nicht gelöst worden. Was wir brauchen, ist Wachstum. Dann wird die Wirtschaft selbst erkennen, daß sie auf die Kompetenz und die Erfahrung älterer Arbeitnehmer gar nicht verzichten kann. Wir haben heute schon in vielen Bereichen Fachkräftemangel.
Frage: Am Montag wollen die Spitzen von Union und SPD erste Entscheidungen im Bereich Finanzen treffen. Allein durch drastische Sparmaßnahmen läßt sich der Haushalt kaum sanieren. Führt an Steuererhöhungen überhaupt noch ein Weg vorbei?
NIEBEL: Es wird nur noch darüber gesprochen, wie man den Bürgerinnen und Bürgern in die Tasche greifen kann. Union und SPD verabschieden sich gleich reihenweise von ihren Wahlversprechen. Steuererhöhungen würden die Binnenkonjunktur noch weiter abwürgen und die Arbeitslosigkeit erhöhen. Wir brauchen eine Steuerreform, die Betriebe und Bürger entlastet. Nur so wird es wieder Wachstum, mehr Beschäftigung, weniger Schwarzarbeit und damit auch gesundere Staatsfinanzen geben. Der Staat muß seine Aufgaben überprüfen und konsequent sparen - die Steuereinnahmen wachsen schließlich jedes Jahr, nur wachsen die Ausgaben eben noch rascher. Eine höhere Mehrwertsteuer, ein höherer Spitzensteuersatz oder ein neuer Solidaritätszuschlag wären Gift für die Konjunktur.
Frage: Wie wollen sie weitere Steuersenkungen vor dem Hintergrund der dramatischen Haushaltslage von Bund und Ländern finanzieren?
NIEBEL: Mit unseren konkreten, im Bundestag eingebrachten Einsparvorschlägen über gut 35 Milliarden Euro. Ein Großteil von Steuersenkungen finanziert sich mittelfristig dadurch, daß die Konjunktur wieder anspringen würde und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das würde zu höheren Einnahmen des Staates führen.
Frage: Der Streit über die Finanzen belastet die Koalitionsverhandlungen. Einige Unterhändler drohen bereits mit dem Abbruch. Steht die FDP noch als Regierungspartner bereit?
NIEBEL: Die FDP geht fest davon aus, daß die große Koalition zustande kommt. Wir haben uns auf die Rolle als stärkste Oppositionskraft eingerichtet. Wenn es anders kommt, stehen die Liberalen für Verhandlungen bereit. Die Grünen und vor allem auch die CSU haben die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition viel zu früh aufgegeben. Hier ist die Chance für einen echten Politikwechsel vertan worden. Jetzt verhandeln Union und SPD über eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners. Wenn wir Glück haben, wird es Stillstand, wenn nicht, Rückschritt. Die große Koalition wird ein Bündnis der verpaßten Chancen - und für die Bürger sehr teuer.

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