29.07.2005FDP

NIEBEL-Interview für die "Sächsische Zeitung"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Sächsischen Zeitung" (Freitagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DR. DIETER SCHÜTZ:

Frage: Die FDP will die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg auflösen. Wie sollen dadurch denn mehr Arbeitsplätze geschaffen werden?
NIEBEL: Die Auflösung der Bundesagentur löst nicht das Problem der Massenarbeitslosigkeit. Aber sie spart viel Geld der Beitragszahler und führt zu höherer Effizienz bei der Vermittlung der vorhandenen Arbeitsplätze. Die Bundesagentur hat etwa 90000 Mitarbeiter, davon sind nur gut zehn Prozent in der Arbeitsvermittlung im engeren Sinne beschäftigt. Rund zehn Prozent sind in der internen Verwaltung tätig, also verwalten sich selbst. Der Rest verteilt sich auf andere Aufgaben, die ihnen von der Politik und der Selbstverwaltung der Arbeitslosenversicherung übertragen worden sind.
Frage: Was stört Sie daran?
NIEBEL: Die Agentur hat im vergangenen Jahr einen Etat von etwa 57 Milliarden Euro gehabt. Das ist zweimal soviel wie der gesamte Staatshaushalt der Schweiz. Pro Arbeitsvermittler wurden im Monat 1,4 Beschäftigte in ungeförderte Arbeitsstellen vermittelt. Finanzieller Einsatz und Ergebnis stehen in keinem Verhältnis zu einander.
Frage: Was schlagen Sie vor?
NIEBEL: Wir wollen ein Drei-Säulen-Modell einführen. Dann gibt es eine Versicherungsagentur als erste Säule, die sich nur um die Lohnersatzleistungen kümmert. Dazu eine kleine zentrale Arbeitsagentur mit ungefähr 200 bis 300 Mitarbeitern, die das überregional notwendige organisiert. Denn wenn jemand in Dresden einen Arbeitsplatz sucht, muß er auch wissen, daß es den möglicherweise in Leipzig gibt. Vor Ort in kommunaler Trägerschaft wird als dritte Säule die aktive Arbeitsvermittlung betrieben.

Frage: Im Osten sind viele Menschen auf staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angewiesen. Warum wollen sie diese abschaffen?

NIEBEL: Nur selten bekommen ABM-Teilnehmer einen Job im ersten Arbeitsmarkt. Die psychologische Verelendung von Menschen, die zum Teil seit 15 Jahren trotz immer wiederkehrender Maßnahmen ohne Job sind, muß dringend beendet werden. Deshalb wollen wir mit dem bei nutzlosen ABM eingesparten Geld die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken, dadurch Arbeit billiger machen und die Chance zur Schaffung neuer Arbeitsplätze erhöhen.

Frage: Die FDP will die Bundesagentur auflösen und lehnt eine Mehrwertsteuererhöhung ab. Könnte daran eine Koalition mit der Union nach dem 18. September scheitern?

NIEBEL: Bei der Arbeitsmarktfrage sind wir sehr dicht beieinander. Die Union ist da nur einen Schritt hinter uns, weil sie immer noch denkt, sie könnte die Bundesagentur im derzeitigen System reformieren.

Frage: Und bei der Mehrwertsteuer?

NIEBEL: Eine höhere Mehrwertsteuer ist das völlig falsche Signal. Es ist Gift für die Wirtschaft, und es ist unsozial, weil es vor allem die kleinen Leute trifft. Wir haben außerdem vorgerechnet, daß wir im Endeffekt auch ohne eine Mehrwertsteuererhöhung zwei Prozent Beitragspunkte bei der Arbeitslosenversicherung absenken können.

Frage: Wie kompromißbereit sind Sie?

NIEBEL: Die FDP will gemeinsam mit der Union Rot-Grün ablösen. Dabei bleiben wir aber eine eigenständige Partei. Wir wollen keine Mehrwertsteuererhöhung, wir brauchen sie nicht. Und was man nicht will und nicht braucht, das soll man nicht machen. Deshalb gehen wir nach einem Wahlsieg mit dem festen Ziel in die Koalitionsverhandlungen, daß es keine Mehrwertsteuererhöhung geben wird.

Frage: Was sagen Sie zum Vorwurf, die FDP sei eine Umfallerpartei?

NIEBEL: Das ist doch Unsinn. In Koalitionsverhandlungen gibt es immer Kompromisse. Es gibt niemals Positionen, die nicht verhandelbar sind, außer wenn man nicht regierungsfähig sein will.

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