NIEBEL-Interview für die "Lübecker Nachrichten"
FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab den "Lübecker Nachrichten" (Sonntag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MICHAEL WITTLER.
Frage: Der Kanzler verbreitet Zuversicht. Kann er den Regierungswechsel noch verhindern?
NIEBEL: Als Kanzler ist GERHARD SCHRÖDER eigentlich schon Geschichte. Realistisch ist keine Konstellation, in der er noch Kanzler sein kann. Insofern führt die SPD einen virtuellen, also irrealen Wahlkampf zum Ende einer Ära.
Frage: Und wenn er am Abend des 18. September anruft und sagt: Ich brauche die FDP zur Fortsetzung der Agenda 2010?
NIEBEL: Dann stünden wir nicht zur Verfügung, denn wir wollen das rot-grüne Elend ja beenden. Es wird nur Schwarz-Gelb geben oder eine Linksregierung. Wer jetzt in der SPD noch etwas zu sagen hat, hätte das nach dem Verlust der rot-grünen Mehrheit nicht mehr. Und die Nachfolger würden jede Möglichkeit zum Machterhalt nutzen.
Frage: Fühlen Sie Neid, daß PAUL KIRCHHOF im Kompetenzteam der Union aufgestellt ist statt bei der FDP?
NIEBEL: Wir sehen mit Freude bei der Union eine Stärkung für das Steuerkonzept der FDP. PAUL KIRCHHOF ist mit seinen Vorstellungen einer "flat tax", also eines einheitlichen Steuersatzes für alle Einkommensarten, nahe bei den Vorstellungen der FDP, auch wenn wir davon ausgehen, daß es zunächst einen Stufentarif geben wird. Aber die Richtung muß klar sein: Wir brauchen ein Steuerrecht mit einfacheren, gerechteren und niedrigeren Steuersätzen. Als PAUL KIRCHHOF auf unserem Parteitag genau darüber gesprochen hat, gab es stehende Ovationen.
Frage: In der CDU gibt es dagegen Kritik - ihr Generalsekretär KAUDER sagt, KIRCHHOFS Ideen seien mit dem CDU-Wahlprogramm nicht zu machen.
NIEBEL: Da hat er Recht. Er sagt aber auch, was umsetzbar ist, entscheidet der Koalitionsvertrag. Und da halte ich es für ein erfreuliches Signal der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidatin, wenn sie mit PAUL KIRCHHOF einen Mann in ihr Kompetenzteam holt,
der eine große Nähe zu den vernünftigen wirtschaftspolitischen Vorstellungen der FDP hat - auch im Hinblick auf die unnötige Mehrwertsteuererhöhung. Womit möglicherweise auch, wie es FRIEDRICH MERZ sagt, bei der Unionsschwester aus den bayerischen Bergen eine größere Bereitschaft ausgelöst wird, sich in diese Richtung zu bewegen.