17.06.2013FDP, FDP-FraktionEntwicklungszusammenarbeit

NIEBEL-Interview für die "Katholische Nachrichtenagentur"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab der "Katholischen Nachrichtenagentur" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTOPH SCHOLZ:

Frage: Herr Minister Niebel, wie bewerten Sie die bisherige Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele?

NIEBEL: Das große Ziel der Halbierung der Zahl der absolut Armen weltweit ist schon jetzt erreicht worden, zwei Jahre vor der Zeit. Nun streben wir international an, die extreme Armut komplett auszurotten. Zugleich müssen wir anerkennen, dass die aktuellen Millenniumsentwicklungsziele in einzelnen Ländern und Regionen weitgehend erreicht werden, während in anderen Ländern die Zielerreichung noch unbefriedigend ist.

Frage: Was sind die Gründe?

NIEBEL: Der Erfolg hängt sehr von der guten Regierungsführung im einzelnen Land ab, von Stabilität und Sicherheit. Es ist nicht nur eine Frage des Geldes. Defizite gibt es besonders beim Kampf gegen die Kinder- und Müttersterblichkeit. Deshalb hat die Bundesregierung auch im Rahmen der Muskoka-Initiative der G8 400 Millionen Euro
hierfür zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Frage: Welche Lehren ziehen Sie aus der bisherigen Umsetzung?

NIEBEL: Wir brauchen eine höhere Verbindlichkeit auf allen Seiten. Dazu müssen wir ab 2015 eine höhere Rechenschaftspflicht für Geber wie Empfängerländer vereinbaren. Die Industrieländer müssen nachvollziehbar zu ihren Zusagen stehen. Die Schwellenländer sollten entsprechend ihrem wachsenden Einfluss auch Verantwortung übernehmen
und die Entwicklungsländer müssen die Reformversprechen für eine wirksame Entwicklung einhalten. Deshalb brauchen wir globale Entwicklungsziele, die dann für einzelne Nationen runtergebrochen werden.

Frage: Die MDGs sollen nach 2015 fortgeschrieben und neu formuliert werden. Zugleich gibt es die Verpflichtungen der Umweltkonferenz von Rio von 2012 für eine nachhaltige Entwicklung, die sogenannten SDGs. Wie sollte die Post-2015-Agenda diese Ziele aufnehmen?

NIEBEL: Wir brauchen nach 2015 unbedingt einen einheitlichen Zielkatalog von Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen unter der Ägide der Vereinten Nationen. Entwicklung und Nachhaltigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille. Nur so können wir erfolgreich sein. Die Zusammenführung verlangt noch viele Diskussionen. Ich bin aber
überzeugt, dass wir es schaffen werden.

Frage: Ist hierfür eine neue Struktur der UN nötig?

Niebel: Nein, aber Reformen an den bestehenden Institutionen. Nachdem wir in dieser Regierungszeit die deutsche Entwicklungszusammenarbeit reformiert haben, muss es in der kommenden Regierung um die Reform der internationalen Strukturen gehen. Es ist zwar schon etwas geschehen, aber es gibt noch zu viele UN-Fonds, die nebeneinander
herlaufen, obgleich sie dieselben Aufgaben haben.

Frage: Wie sollte die UN reformiert werden?

NIEBEL: Ihre Strukturen spiegeln noch immer den Stand des Kalten Krieges wider. Das zeigt sich etwa an den Vetomächten im Sicherheitsrat. Die Reform ist sicherlich eine Mammutaufgabe. Aber die Zusammenführung der Fonds wäre ein erster, wesentlicher Schritt.

Frage: Wo liegen die Prioritäten bei der «Post-2015-Agenda»?

NIEBEL: An erster Stelle steht die Auslöschung der absoluten Armut. Die internationale Gemeinschaft hat gezeigt, dass dies möglich ist. Es ist nicht akzeptabel, dass trotz des immensen Wohlstands immer noch über eine Milliarde Menschen mit täglich weniger als einem Euro auskommen müssen. Bei den MDGs haben die Industrieländer noch die
Ziele formuliert, ohne die Empfängerländer in die Vorbereitung einzubeziehen. Wir wollen diesmal alle von Anfang an beteiligen. Ferner muss die Agenda auf neue Herausforderungen eingehen wie den Klimawandel, Krieg und Frieden oder faire und nachhaltige Finanz- und Handelssysteme.

Frage: Muss sich angesichts der globalen Aufgabe auch der Zuschnitt Ihres Ministeriums oder gar der Regierung ändern?

NIEBEL: Ich glaube, wir sollten ganz grundsätzlich nach den Wahlen an eine Kabinettsstrukturreform herangehen. Wir arbeiten nach wie vor in der Kabinettsstruktur von 1994. Die Aufteilung der Ministerien bildet die veränderten Handlungsfelder der Gegenwart nicht mehr ab. Das gilt nicht nur für den internationalen Bereich, sondern auch für andere Ressorts, die ganz neue Aufgaben und Herausforderungen hinzubekommen haben.

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