13.09.2005FDP

NIEBEL-Interview für die "Frankfurter Rundschau"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag- Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte KNUT PRIES.

Frage: Herr NIEBEL, die Union hält trotz vielfältiger Bedenken am Schatten-Finanzminister PAUL KIRCHHOF fest. Ist das aus Sicht des Wunschpartners FDP die richtige Schadensbegrenzung?

NIEBEL: Wir haben unser eigenes Kompetenzteam aufgestellt, mit HERMANN OTTO SOLMS als hervorragendem Finanzfachmann, der nicht nur in der Theorie weiß, wie ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem aussieht. Er weiß aus Erfahrung auch, wie man es umsetzt. Das ist das Angebot, mit dem wir in die letzten Tage vor der Wahl gehen.

Frage: Wie der Wahlkampf des erwünschten Partners läuft, muß sie doch auch interessieren. Und führende FDP-Vertreter sagen: Er läuft nicht, wegen KIRCHHOF. GRAF LAMBSDORFF sagt: Der schadet mehr als er nützt. MAX STADLER sagt: Der stiftet Verwirrung mit seinen Auftritten.

NIEBEL: Herr KIRCHHOF ist ein hervorragender Steuerfachmann, der die Frage eines neuen Steuersystems in Deutschland aus der Sicht eines Wissenschaftlers beurteilt. Wir beurteilen sie politisch - auch im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit. Deswegen haben wir den Stufentarif von 15, 25 und 35 Prozent vorgeschlagen.

Frage: Herr KIRCHHOF ist vom Partner nicht als Beurteiler aufgestellt, sondern als Finanzminister in einer Regierung, an der Sie sich beteiligen wollen. Was die Politik anlangt, beklagt er sich über Unfairneß. Ist der Mann aus Ihrer Sicht noch wahlkampftauglich?

NIEBEL: Wir werden, jenseits von WOLFGANG GERHARDT als Außenminister, über die Frage, wer welches Ministerium bekommt, in aller Ruhe in den Koalitionsverhandlungen miteinander sprechen. Erst einmal muß man die Wahlen gewinnen. Dann muß man die Koalitionsverhandlungen inhaltlich gewinnen. Und dann wird über die Vergabe von Ressorts entschieden.

Frage: Ob und wie die Union mit Herrn KIRCHHOF Wahlkampf macht, ist deren Sache?

NIEBEL: Ich würde mir eine Einmischung der Kollegen KAUDER und SÖDER auch verbitten.

Frage: Muß sich die FDP denn nicht Sorge machen über die mißliche Entwicklung dieser Personalie, die ja anfänglich bei Ihnen mehr Jubel ausgelöst hat als in der Union?

NIEBEL: Die Ideen von Professor Kirchhof haben eine rege Diskussion über unser Steuersystem ausgelöst. Das finden wir positiv, denn wir brauchen ein solches einfaches und gerechtes System, nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Dafür zu sensibilisieren ist richtig und notwendig.

Frage: Sie selbst haben KIRCHHOF seinerzeit bescheinigt, er gehe "im Grund mit unseren Steuervorstellungen konform". Was lernen Sie aus dem großen Mißtrauen, das diesen Vorstellungen in den vergangenen beiden Wochen entgegen geschlagen ist?

NIEBEL: Ganz einfach: KIRCHHOF hat den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Richtig ist, daß wir irgendwann einmal auch einen einheitlichen Steuersatz für alle Einkunftsarten haben sollten, wie das in anderen europäischen Ländern schon heute der Fall ist. Dahin kommen wir aber nicht wie etwa Kroatien, das sich nach dem Bürgerkrieg ein solches System gegeben hat. Wir fangen nicht bei Null an. Wir müssen den Systemwechsel organisieren. Und deswegen sind die Menschen mit einem großen zweiten Schritt, der vor dem ersten getan wird, überfordert.

Frage: Die FDP hat jetzt gleich zwei Schattenmänner für die Finanzen. Den Professor KIRCHHOF, der steuerpolitisch ganz auf FDP-Linie liegt, und HERMANN OTTO SOLMS, der trotzdem am Sonntag zum besseren Finanzminister ausgerufen wurde.

NIEBEL: Wir haben in unserem Kompetenzteam nur einen Steuer- und Finanzexperten, und das ist HERMANN OTTO SOLMS. Und wir haben nur einen Ministerkandidaten ausgerufen, und das ist WOLFGANG GERHARDT. Im übrigen halten wir unsere Leute immer für die besten.

Frage: Damals hat WESTERWELLE gesagt, die FDP sei gestärkt durch KIRCHHOFS Nominierung. Wie stark ist sie jetzt geschwächt durch das, was aus der Nominierung in der Zwischenzeit geworden ist?

NIEBEL: Wenn man sich die Umfragen ansieht, hat ja nicht die FDP an Zustimmung verloren, sondern die Union.

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