01.04.2006FDP

NIEBEL-Interview für die "Berliner Zeitung"

FDP-Sprecher ROBERT VON RIMSCHA teilt mit:

Berlin. Der FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Berliner Zeitung" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte SIGRID AVERESCH:

Frage: Die FDP hat bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag zwar Stimmen
gewonnen, aber Regierungsbeteiligungen verloren. Was hat die Partei falsch gemacht?

NIEBEL: In Rheinland-Pfalz hat die FDP nichts falsch gemacht. Wir haben dort die
Regierungsbeteiligung nur deshalb verloren, weil die Grünen so schwach waren. In Sachsen-Anhalt hat sich die CDU im Wahlkampf nicht klar zur Koalition mit uns bekannt, das war nachteilig auch für uns. In Baden-Württemberg wiederum hatten wir das beste Wahlergebnis seit 38 Jahren. Das macht aber nicht wett, daß wir zwei Regierungsbeteiligungen verloren haben. Das war nicht unser Ziel.

Frage: Vielleicht verlieren sie noch Baden-Württemberg. Ministerpräsident Oettinger flirtet heftig mit den Grünen

NIEBEL: Daß Herr Oettinger mit den Grünen spricht, ist vollkommen okay. Das zweite Treffen dient dazu, den Preis für die Verhandlungen mit der FDP hochzutreiben. Aber zu einer schwarz-grünen Koalition wird es meines Erachtens nicht kommen. Sie wird schon am Widerstand der Traditionalisten in der CDU scheitern. Außerdem haben die Wähler die
christlich-liberale Regierung deutlich gestärkt. Ich gehe deshalb fest von einer Regierung mit Beteiligung der FDP aus.

Frage: Welche Folgen haben diese Wahlen für die kommenden in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern?

NIEBEL: Wir streben sowohl in Berlin als auch Mecklenburg-Vorpommern die Regierungsbeteiligung an. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir sehr gute Chancen, wieder in den Landtag zu kommen und damit für eine Regierung zur Verfügung zu stehen. Das würde uns auch wieder mehr Einfluß im Bundesrat sichern. Das gleiche gilt für Berlin.

Frage: Wen wollen Sie in beiden Ländern als Koalitionspartner?

NIEBEL: Ich werde meinen Kollegen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern da nicht
reinreden.

Frage: Ihren bisherigen Einfluß hat die FDP im Bundesrat verloren. Was kann die FDP noch bewirken?

NIEBEL: Wir sind noch an drei Landesregierungen beteiligt. Wenn diese sich mit anderen Ländern einigen, reicht das, um Politik gestalten zu können. Vor allem aber können und müssen wir die Regierung kontrollieren. Das ist bei der Übermacht von Schwarz-Rot überaus wichtig. Die große Koalition hat im Bundestag eine 74-prozentige Mehrheit der Mandate. Das ist eine marktbeherrschende Stellung, die in der Wirtschaft vom Kartellamt sofort verboten werden würde. Im Bundesrat hat sie ebenfalls eine große Mehrheit. Dadurch kann sehr schnell Mißbrauch betrieben werden. Das müssen wir verhindern.

Frage: Und inhaltlich?

NIEBEL: Wir werden die Regierung antreiben. Die Debatten um den Kündigungsschutz und die Gesundheitsreform zeigen, daß die Regierung nur in Trippelschritten vorankommt und auch nicht den großen Wurf für die Lösung der Probleme plant. Die Abstimmungsprozesse in der großen Koalition dauern viel zu lange. Wir brauchen aber dringend Veränderungen. Zwischen März 2005 und 2006 sind 166.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren gegangen. Das sind 3.000 pro Woche oder 600 pro Arbeitstag. Da können Reformen nicht hinausgeschoben werden. Parallel zu anspornender Kritik wollen wir eigene inhaltliche Vorschläge machen. Deshalb kümmern wir uns auch um inhaltliche Schwächen, die wir selbst in manchen Bereichen haben.

Frage: Wo?

NIEBEL: Etwa im Umweltschutz. Mit dem Thema werden wir uns auf unserem
Parteitag im Mai beschäftigen.

Frage: Was soll kommen?

NIEBEL: Um nur ein Beispiel zu nennen: Der rot-grüne Ausstieg aus der Kernenergie hat verheerende volkswirtschaftliche und umweltpolitische Folgen. Eine hohe Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen und weniger schädliche Treibhausgase in Deutschland sind ohne einen Einsatz der Kernenergie undenkbar. Wir wollen einen Energiemix, bei dem verschiedene Energieformen ökologisch und ökonomisch optimiert werden und Umweltschutz sich ideologiefrei durchsetzt, weil er sich rechnet.

Frage: Was halten Sie von der geplanten Lockerung des Kündigungsschutzes?

NIEBEL: Das jetzt geplante Projekt sollte fallen gelassen werden. Die geplante zweijährige Probezeit bringt Unternehmen und Arbeitnehmern nur Nachteile. Würde die Probezeit auf zwei Jahre verlängert und sich das Unternehmen dann von dem Mitarbeiter trennen, ginge das nur über eine Kündigung. Für die Firma bedeutet dies bürokratischen Aufwand und die Gefahr eines Arbeitsprozesses. Und auch der Arbeitnehmer hätte nichts von der Neuregelung, denn trennt sich das Unternehmen von ihm, hat er den Makel der Kündigung in der Probezeit. Für Bewerbungen ist das schlecht. Da ist die derzeitige Möglichkeit, befristet einzustellen,
besser. Die Menschen brauchen eine Perspektive. Deshalb sind möglichst viele, flexible Instrumente nötig. Wir sind für befristete Arbeitsverhältnisse, weil es besser ist, befristet Arbeit zu haben als unbefristet arbeitslos zu sein.

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