14.11.2005FDP

NIEBEL-Interview für die "Berliner Zeitung"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Berliner Zeitung" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen Stellte JAKOB SCHLANDT.

Frage: Der Koalitionsvertrag liegt nun auf dem Tisch. Wovon sind Sie besonders enttäuscht?

NIEBEL: Von der Union und ANGELA MERKEL. Richtigerweise haben sie mit uns im Wahlkampf gefordert, Steuern zu senken, Subventionen abzubauen und ein einfaches, gerechtes Steuersystem einzuführen. Statt dessen wird den Bürgern in die Tasche gegriffen und die Gesundheitsreform verschoben. Zudem: Am Arbeitsmarkt ist keine Reform in Sicht, und die Staatsquote wird weiter aufgebläht. Beide Seiten sind Wahlbetrüger, aber die Union ist der größere Verlierer. Sie haben von dem, was sie wollten, nichts durchgesetzt. Es gibt jetzt eine sozialdemokratische Regierung mit einer CDU-Kanzlerin.

Frage: Gibt es überhaupt keine Erfolge?

NIEBEL: Sinnvoll ist der Bürokratie-TÜV. Auch die Föderalismusreform ist zwingend nötig, und wir werden sie mit unseren Stimmen durch den Bundesrat bringen. Der nächste Schritt, die Finanzreform, muß aber folgen.

Frage: Wird das Konzept aufgehen, viele Belastungen auf 2007 zu verschieben, damit die Binnennachfrage nächstes Jahr noch anspringt?

NIEBEL: Leider nein. In Japan ist das in den 90er-Jahren gründlich schief gegangen. 2006 wird es nur geringe Vorzieheffekte geben, aber 2007 wird der Konsum massiv einbrechen.

Frage: Wird es wie nach der Wahl 2002 einen Wahllügenausschuß geben? Dafür würden ihre Stimmen zusammen mit denen der Linkspartei und der Grünen gerade ausreichen.

NIEBEL: Es gäbe genug Grund dafür. Die SPD sowieso, aber auch die Union wußte frühzeitig Bescheid über die katastrophale Finanzlage, wie wir selbst übrigens auch. Es ist offenkundig, daß beide gelogen haben - da braucht man keinen Ausschuß mehr, um das festzustellen. Für andere Oppositionsinstrumente reichen die Stimmen der kleinen Parteien aber nicht aus, beispielsweise für ein Normenkontrollverfahren oder eine Sondersitzung des Bundestags. Hier müssen die Spielregeln im demokratischen Interesse neu geschrieben werden. Wir hoffen auf die Einsicht der großen Parteien.

Frage: Wird man den nicht verfassungskonformen Haushalt hinnehmen?

NIEBEL: Nein, auch hier werden wir etwas tun müssen und eventuell vor das Verfassungsgericht gehen. Es ist nicht akzeptabel, daß die Neuverschuldung fast doppelt so hoch liegen wird wie die Investitionen. Ein interessante Randnotiz übrigens, daß die Union noch vor einem Jahr gemeinsam mit uns deswegen klagte und jetzt die Seite gewechselt hat.

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