NIEBEL-Interview für den SWR
FDP-Sprecher ROBERT VON RIMSCHA teilt mit:
FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab am Montagmorgen dem Südwestrundfunk das folgende "SWR-Tagesgespräch". Die Fragen stellte CLAUS HEINRICH.
Frage: ANGELA MERKEL war nach dem gestrigen TV-Duell gegen GERHARD SCHRÖDER erwartungsgemäß 2. Siegerin in den Umfragen danach, hat sich aber sicherlich besser geschlagen, als viele aus dem schwarz-gelben Lager insgeheim gefürchtet haben. Sind Sie erleichtert?
NIEBEL: Also, ich fand: Es war ein sehr interessantes Duell, und Frau MERKEL war deutlich besser, als viele erwartet haben, wohingegen nach meiner persönlichen Meinung der scheidende Bundeskanzler den Erwartungen nicht ganz gerecht geworden ist, zumindest in der Anfangsphase nicht. Ich bin zufrieden, Frau MERKEL hat viele gute Argumente setzen können, und jetzt hoffe ich, daß die Wählerinnen und Wähler darüber nachdenken.
Frage: Wenn also Frau MERKEL gestern Abend gegen den Amtsinhaber tatsächlich gepunktet hat, weil sie eben nicht abgeschmiert ist vor der TV-Kamera, dann nützt das in erster Linie wohl der Union und damit der FDP nicht unbedingt?
NIEBEL: Das würde ich so nicht sehen. Erstens hat Frau MERKEL deutlich gemacht, daß CDU und CSU gemeinsam mit der FDP Rot-Grün beenden wollen und hat auch immer wieder Punkte genannt inhaltlicher Art, die bei der FDP nicht unwichtig sind, wohingegen der scheidende Bundeskanzler gegenüber seinem Koalitionspartner nicht wirklich freundlich gewesen ist. Und ich glaube, auch das hat gewirkt bei den Zuschauern.
Frage: Die beiden Lager Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün liegen nach Auskunft der Demoskopen um ein bis drei Prozentpunkte auseinander. Die großen Parteien legen aber im Endspurt zu, die Kleinen schmelzen tendenziell ab. Wie hoch schätzen Sie denn jetzt auch nach diesem TV-Duell die Wahrscheinlichkeit einer großen Koalition ein?
NIEBEL: Ich glaube nicht an eine große Koalition, denn entweder werden wir eine schwarz-gelbe Mehrheit haben, oder es gibt eine Mehrheit links der Mitte. Und die Lebenserfahrung sagt, dort wo eine Mehrheit ist, wird sich auch eine Mehrheit bilden. Was der abgewählte Bundeskanzler dann davon hält, das ist ganz egal, da entscheiden andere Leute, die noch dabei sind, wie Herr WOWEREIT, Frau NAHLES oder Herr GABRIEL.
Frage: Noch einmal auf gestern bezogen. Es ging da ja hauptsächlich um Finanzpolitik, speziell um die für viele Wähler undurchsichtige Rolle des designierten Finanzministers KIRCHHOF, sein stockkonservatives Familien- und Frauenbild, das der Kanzler da gemalt hat, seine steuer- und rentenpolitischen Phantasien. Könnte es sein, daß dieser Mann, also der Herr KIRCHHOF, den die Liberalen gerne als einen der ihren betrachten, am Schluß doch eine Belastung für den schwarz-gelben Wahlkampf werden könnte?
NIEBEL: Nun, mit Sicherheit wird PAUL KIRCHHOF nicht Frauen- und Familienminister in der neuen Regierung werden. Ich glaube davon kann man ausgehen, selbst wenn man das Bärenfell erst erlegen muß, ehe man es verteilt. Steuerpolitisch ist die Berufung von PAUL KIRCHHOF ins Kompetenzteam von Frau MERKEL mit Sicherheit positiv zu bewerten. Sie wissen, daß die Union in ihrem Wahlprogramm ein Steuersystem vorschlägt, daß hinter dem zurückbleibt, was wir vorschlagen. PAUL KIRCHHOF geht darüber noch hinaus, weil es als Fernziel natürlich richtig ist, einen einheitlichen Steuersatz für alle Einkommensarten zu haben. Nur, er bewertet es als Wissenschaftler, wir müssen es politisch betrachten. Und deswegen sagen wir: Im Moment ist das nicht durchsetzbar. Deswegen haben wir ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem mit einem Stufentarif vorgelegt von 15, 25 und 35 Prozent. Und die Berufung von PAUL KIRCHHOF ist ein Signal, daß das wahrscheinlich eher im Gesetzblatt stehen wird, als das, was die Union in ihrem Wahlprogramm als Kompromiß gefunden hat.
Frage: Deshalb sagt er uns auch vor der Wahl nicht, welche Steuervergünstigungen konkret gestrichen werden sollen?
NIEBEL: Also wir haben in unserem Steuerkonzept, das ja als Gesetzentwurf vorliegt, das Sie auch in unserem Wechsellexikon unter www.fdp.de im Detail nachlesen können, auch gesagt, ein einheitlicher einfacher niedriger Tarif, der den Menschen mehr läßt und den Betrieben mehr läßt, kann nur finanziert werden durch den Wegfall von Ausnahmetatbeständen. Die Ausnahmetatbestände sind benannt, ebenso der Abbau von Subventionen und von Bürokratie. Die Menschen müssen wissen, wenn man ihnen von vornherein mehr läßt, von dem was sie erwirtschaften, dann braucht man weniger Ausnahmen. Und das führt dazu, daß tatsächlich diejenigen, die weniger verdienen, heute mehr übrig haben, als das bisher der Fall ist.
Frage: Frau MERKEL will die emporgeschossenen Benzinpreise durch 3 Cent weniger Ökosteuer entlasten, aber gleichzeitig die Mehrwertsteuer erhöhen. Bei dem Plan bleibt sie ja. Der Kanzler sagt, da bleibt unter dem Strich für den Verbraucher nichts übrig. Die FDP, macht die da mit?
NIEBEL: Sie wissen, daß wir die Ökosteuer immer als das falsche Konzept angesehen haben, weil sie weder öko noch logisch ist. Außerdem führt sie zu einer Mehrbelastung von Energiekosten. Und deswegen wollen wir sie gerne zurückführen. Allerdings wissen wir auch: Dafür müssen wir erst das Rentensystem reformieren, denn mittlerweile ist das Rentensystem ja so, daß die Einnahmen der Ökosteuer gebraucht werden. Eine Mehrwertsteuererhöhung halten wir nach wie vor für falsch. Wir wollen sie nicht, in unserem Steuerkonzept brauchen wir sie auch nicht. Und deswegen sagen wir: Was man nicht will und was man nicht braucht, das soll man auch nicht tun.
Frage: Um eine schrittweise Absenkung der Lohnnebenkosten zu finanzieren, haben Sie jetzt vorgeschlagen, den sogenannten Aussteuerungsbetrag, das ist Geld, das die Bundesanstalt für Arbeit an den Bund zahlen soll, auszusetzen. Wie viel Geld wird denn dadurch frei und vor allen Dingen: Wer zahlt denn die Ausfälle dieser Überweisungen, letztlich der Steuerzahler?
NIEBEL: Also, der Aussteuerungsbetrag beträgt 6,7 Milliarden Euro. Das ist fast ein Beitragspunkt zur Arbeitslosenversicherung. Und damit werden finanziert im Bereich des Arbeitslosengeldes II arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Da wir aber die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen insgesamt, also auch die beim Arbeitslosengeld II überprüfen wollen auf die Fragestellung, führen sie denn tatsächlich zu einer Integration in den 1. Arbeitsmarkt, und wir zu dem Schluß gekommen sind, daß viele das nicht tun, können wir diesen Aussteuerungsbetrag tatsächlich streichen. Denn auch die im Arbeitslosengeld I unnötigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen werden wir im ersten Halbjahr des nächsten Jahres abbauen. Das geht nicht von einem Tag auf den nächsten, weil dort Mittel schon gebunden sind für das I. und teilweise auch für das II. Quartal. Aber auf diese Art und Weise kriegen wir eine Beitragssenkung von 2 Punkten in der Arbeitslosenversicherung hin, ohne die Mehrwertsteuer erhöhen zu müssen.