14.08.2013FDP, FDP-FraktionEntwicklungszusammenarbeit

NIEBEL-Interview für den "Deutschlandfunk"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab dem "Deutschlandfunk" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTINE HEUER:

Frage: Möchten Sie der deutschen Menschenrechtsorganisation FIAN den Mund verbieten?

NIEBEL: Nein, überhaupt nicht. Das gibt der Brief auch nicht her, sondern ich habe darum gebeten, aus entwicklungspolitischer Sicht die Darlegung des Falles zu überdenken. Im Gegenteil: Wir fördern viele Nicht-Regierungsorganisationen, übrigens auch FIAN, finanziell, um ihre wichtige Arbeit zu unterstützen. Auf der anderen Seite wollen wir auch nicht, dass Menschenrechte und wirtschaftliche Entwicklung gegeneinander ausgespielt werden. Wenn Menschenrechtsprobleme bestehen, müssen die benannt werden. Hier geht es aber darum, Maß und Mitte zu wahren, denn es ist Tatsache, dass in Deutschland schon seit dem vergangenen Jahr einige Händler ugandischen Kaffee boykottieren, also keinen ugandischen Kaffee mehr im Programm haben. Kaffee macht 50 Prozent der Exportleistung dieses Entwicklungslandes aus, das ist schon eine Hausnummer, von der wesentlich mehr Kleinbauern betroffen sind als von den eventuellen Vertreibungen, die es im Vorfeld der Investitionen der Neumann-Gruppe gegeben hat. Auch die Kontaktgruppe der OECD hat ja ganz klar, als alle Beteiligten am Tisch saßen, festgestellt, dass diese Gruppe mit gutem Glauben auf die Rechtmäßigkeit des Handelns der ugandischen Regierung und des Vorgängereigentümers diese Investition getätigt hat. Und deswegen: Maß und Mitte ist hier das Entscheidende. Von einem Maulkorb kann keine Rede sein.

Frage: Und Sie werfen FIAN vor, Maß und Mitte eben nicht mehr einzuhalten. Sie haben Gespräche geführt, Herr Niebel, mit der Regierung in Kampala, Sie stehen in enger Korrespondenz mit Neumann, Sie haben sich eng abgestimmt mit dem Außenministerium und der deutschen Botschaft in diesem Fall. Wann haben Sie eigentlich mal mit den Vertriebenen gesprochen, oder mit FIAN?

NIEBEL: Dazu gab es während der Reise keine Möglichkeit. Aber alle Beteiligten waren ja schon im März 2011 an einem Tisch. Es gab einen sehr konstruktiven Dialog mit der nationalen Kontaktstelle der OECD, die übrigens auch deutlich gemacht hat, dass beide Seiten hier über den Fall im Gespräch bleiben sollten, vor allem aber, dass gegenseitige öffentliche Vorwürfe eingestellt werden sollten, und das ist offenkundig nicht der Fall gewesen - mit dem Ergebnis, dass hier viele Chancen für die Entwicklung von Kleinbauern vertan werden. Unser entwicklungspolitisches Konzept hat das Ziel, nicht Menschen zu füttern, sondern in die Selbstständigkeit zu führen, und dazu braucht man Qualifikation, und dieses Investment in Uganda wird dazu beitragen, oder trägt schon seit Langem dazu bei, dass Tausende von Kleinbauern qualifiziert werden - nicht mit Steuergeld, sondern mit privatem Geld - und durch diese Qualifikation in der Lage sind, endlich mal nicht nur schlecht und recht ihre Familie ernähren zu können, sondern auch Geld zu verdienen und dadurch auch regionale Märkte zu erreichen.

Frage: Da werden also Arbeitsplätze auf dem Rücken derer geschaffen, denen das Land gehörte, auf dem Neumann jetzt Kaffee anpflanzen lässt?

NIEBEL: Es ist offenkundig - und das hat ja auch die nationale Kontaktgruppe deutlich herausgestellt - dass es keinen Anlass gibt zu glauben, dass dieses Investitionsvorhaben nicht gutgläubig getan worden ist. Deswegen muss man gucken, wen man kritisiert. Es ist mit Sicherheit ein Missstand gewesen im Vorfeld dieser Investitionen. Wenn aber jemand mit einer Regierung zusammenarbeitet, die versichert und schriftlich versichert, dass keine Lasten auf dem Land sind, dann kann man auch nicht Ahnenforschung bis in die Tiefe der Geschichte Ugandas betreiben, um herauszufinden, was auf einem Gelände passiert ist.

Frage: Sie sprechen die Gutgläubigkeit an. Aber die Neumann-Gruppe weiß doch seit Jahren von der Vertreibung. Müsste da die Gutgläubigkeit nicht längst beendet sein und müsste Neumann nicht mal versuchen, ein bisschen in die Puschen zu kommen, den Vertriebenen zu helfen?

NIEBEL: Nun, es wird ja geholfen, dadurch, dass einige Arbeitsplätze haben. Aber wenn Neumann für Vertreibung nicht verantwortlich ist, ist Neumann auch nicht zuständig für Entschädigungen, sondern das ist eine inner-ugandische Auseinandersetzung, die auch dort geführt wird, und die Gerichtsentscheidungen sind abzuwarten. Die Bundesregierung kommentiert keine laufenden Verfahren.

Frage: Ein erstes Urteil gibt es aber schon.

NIEBEL: Ein nicht rechtskräftiges Urteil. Also ist es ein laufendes Verfahren und Sie werden sicher verstehen, dass ein laufendes Verfahren in einem Ausland nicht von der Bundesregierung kommentiert werden kann.

Frage: Sie haben die Wirtschaft angesprochen, die Kaffeewirtschaft in Uganda, der Sie möglichst keinen Schaden zufügen oder zugefügt sehen möchten. Schadet die Neumann-Gruppe mit ihrer Hartleibigkeit nicht selbst der Kaffeewirtschaft? Das Thema liegt ja jetzt auf dem Tisch.

NIEBEL: Ich kann nicht sehen, was hartleibig daran ist, wenn jemand nichts verbrochen hat, darauf hinzuweisen, dass man nichts verbrochen hat. Im Gegenteil! Ich bin der festen Überzeugung: Wir müssen mehr für Menschenrechte tun, und hier tun gerade Philanthropen eine Menge und dazugehört auch der Eigentümer der Neumann-Gruppe. Wir haben in dieser Legislaturperiode …

Frage: Was tut der denn?

NIEBEL: Er fördert zum Beispiel mit eigenem Geld die Qualifikation von zig Tausenden von Kleinbauern in der Kaffeebranche in Uganda und anderswo. Wir haben in dieser Legislaturperiode ein Menschenrechtskonzept erstellt und erstmals einen Menschenrechts-TÜV aufgelegt. Wir reden hier über Vorgänge, die zwölf Jahre zurückliegen. So leid es mir tut - die Bundesregierung ist nicht in der Lage, zwölf Jahre alte Tatsachen rückgängig zu machen, sondern wir können in die Zukunft schauen und für die Zukunft haben wir dazu beigetragen, dass Menschenrechte einen hohen Stellenwert in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit haben, dass wir aber vor allem darauf hinwirken wollen, dass Menschen in die Lage versetzt werden, ihre Menschenrechte auch tatsächlich leben zu können, und dazu gehört natürlich auch die Bekämpfung der Ursachen der Armut, also wirtschaftliche Entwicklung.

Frage: Herr Niebel, dann schauen wir in die Zukunft. Den Vertriebenen geht es ja vor allem darum, entschädigt zu werden. Wieso bemühen Sie sich nicht offensiv, das zu vermitteln? Dann wäre doch allen geholfen.

NIEBEL: In den Gesprächen mit der ugandischen Regierung habe ich darauf hingewiesen, dass dieser Fall geklärt werden muss, und die ugandische Regierung hat darauf hingewiesen, dass es einen Rechtsstreit gibt in ihrem Land, der nach ihren Vorschriften rechtsstaatlich geklärt werden soll. Wir sind keine Kolonialherren, wir sind Entwicklungspartner und wir akzeptieren, dass wir mit souveränen Staaten zusammenarbeiten, die ihre eigene Rechtsordnung haben, und darauf hinzuwirken, dass diese Rechtsordnung dann auch angewendet wird, dafür dienen die politischen Gespräche, die ich geführt habe.

Frage: Ein berühmtes Zitat von Ihnen, Herr Niebel, lautet, "Es ist kein Fehler, wenn Entwicklungszusammenarbeit für deutsche Unternehmen von Vorteil ist." Geht es Ihnen vor allem darum, Schaden von einem deutschen Unternehmen abzuwehren oder Kritik von ihm abzuhalten, das zehn Prozent Marktanteil an der weltweiten Kaffeenachfrage hat?

NIEBEL: Ich bin nicht der Pressesprecher irgendeines Unternehmens. Mir geht es darum, hier Maß und Mitte zu halten, einerseits die Chancen zu eröffnen für Menschen, aus den Armutsursachen befreit zu werden durch wirtschaftliche Entwicklung und Qualifikation, auf der anderen Seite die Möglichkeit zu schaffen, mit nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung in Entwicklungsländern voranzukommen. Beides gehört untrennbar zusammen, und wir machen eine werteorientierte Politik, und wenn Werte und Interessen kollidieren, dann überwiegen die Werte. Aber es gibt in einem Rechtsstaat immer auch die Unschuldsvermutung und wenn offenkundig ein Unternehmen selbst keine Vertreibung betrieben hat, dann kann es nicht haftbar gemacht werden für das, was andere vorher gemacht haben.

Frage: Wären Sie bereit, jetzt mit den Vertriebenen noch einmal zu sprechen, oder das Gespräch mit FIAN aufzunehmen?

NIEBEL: Ich sehe dafür keine Veranlassung. Alle Beteiligten waren an einem Tisch. FIAN ist eine …

Frage: Einmal!

NIEBEL: Alle Beteiligten waren an einem Tisch. FIAN ist eine Nicht-Regierungsorganisation, die wegen ihrer wichtigen Arbeit von Deutschland aus meinem Etat gefördert wird, sogar in der politischen Bildung hier in Deutschland eine der ganz wenigen Organisationen, deren Anträge ungekürzt bewilligt worden sind, und ich glaube, dass diese Arbeit vernünftig und sinnvoll ist, wenn man Maß und Mitte einhält. Nicht mehr fordere ich ein.

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