NIEBEL-Interview für das "Flensburger Tageblatt"
Frage: Die FDP kommt im Wahlkampf etwas verwirrend daher...
NIEBEL: Ich weiß, es gab Verwirrungen in den letzten Wochen. Die kamen aber ausdrücklich nicht von der FDP.
Frage: Was gilt denn nun. Gegen die CDU-Mehrwertsteuerpläne oder dafür?
NIEBEL: Natürlich dagegen. Wir brauchen keine Mehrwertsteuererhöhung. Sie wäre psychologisch falsch und ist wirtschaftlich unsinnig. Deshalb werden wir alles daran setzen, die Unionsparteien von diesem Weg abzubringen.
Frage: Die Steuerfrage also ein Knackpunkt für Koalitionsverhandlungen?
NIEBEL: Wir werden nicht vor einer Wahl irgend etwas zu einem unumstößlichen Knackpunkt aufbauen. Wir wissen sehr genau, welche Punkte für uns bedeutsam sind und welche weniger. Bei Koalitionsverhandlungen brauchen beide den Partner. Das heißt, auch die Union muß sich bewegen.
Frage: Was ist Ihr Problem mit der Senkung der Beiträge in der Arbeitslosenversicherung über Steueranteile?
NIEBEL: Das ist das Prinzip Ökosteuer. Es funktioniert eben nicht, wenn den Leuten an der Tankstelle Geld für die Rente abgeknöpft wird. Zukunftsfähig werden die Sozialversicherungssysteme nur über echte Reformen.
Frage: Aber die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wollen Sie doch auch senken
NIEBEL: ...indem wir die arbeitsmarktpolitischen Instrumente endlich einmal auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Da steckt Luft für Effizienzgewinne im Umfang von zwei Prozentpunkten drin. Das ist unsere Brücke, über die unser Koalitionspartner gehen kann.
Frage: Sie gehen noch weiter, und wollen am liebsten die Bundesagentur für Arbeit gleich ganz auflösen.
NIEBEL: Das wollen wir, weil die Agentur in ihrer jetzigen Struktur nicht reformierbar ist. Der Haushalt der BA ist mit 58 Milliarden Euro doppelt so groß wie der gesamte Staatshaushalt der Schweiz! Nur 1,4 Menschen pro Arbeitsvermittler werden derzeit in ungeförderte Beschäftigungsverhältnisse gebracht. Wer da ohne Schaum vorm Mund Aufwand und Ertrag vergleicht, wird nur sagen können: Das paßt nicht.
Frage: Wundert Sie, daß der Beifall für solche Überlegungen eher gering ist?
NIEBEL: Ich habe viel Beifall dafür bekommen,...
Frage: ...aber nicht eben aus den Reihen der Union.
NIEBEL: Mit der Union sind wir in vielen inhaltlichen Punkten über eine künftige Struktur sehr einig. Die glauben nur noch, man könnte das in der jetzigen Behördenform ändern. Ich glaube, die CDU braucht da noch ein Stück Lernen durch Leiden.
Frage: Steuern, Arbeitsverwaltung, innere Sicherheit - warum so viel Streit vor der geplanten Hochzeit?
NIEBEL: Erstens: Wir wollen Rot-Grün ablösen. Zweiten: Wir sind drei Parteien. Drittens: Diese drei Parteien haben viele politische Schnittmengen, aber auch Unterschiede. Das ist auch gut so. Schließlich wollen wir nicht, daß schwarz lackierte Sozialdemokraten so weiter machen wie die rot lackierten. Es geht um einen Politikwechsel.
Frage: Eine massive Zweitstimmen-Kampagne will die FDP noch starten. Ist da Furcht, zwischen den beiden großen Parteien zerrieben zu werden?
NIEBEL: Es mag eine Polarisierung geben zwischen der Kanzlerkandidatin und dem Bundeskanzler, der in diesem Sommer von Rot-Grün in die Geschichte verabschiedet worden ist. Die FDP ist der eigentliche Garant für einen Politikwechsel. Die Union braucht einen starken Partner in der Regierung, damit sie ihre innerparteiliche Opposition im Griff behalten kann. Entweder es kommt am 18. September eine schwarz-gelbe Koalition oder eine Mehrheit links von der Mitte. Aber auch dort wird Gerhard Schröder keine Rolle mehr spielen.