17.07.2015FDPEuropa

LINDNER-Interview: Zeitweiliger Grexit entspricht Willen des Volkes

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Nordwest-Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ.  

Frage: Das griechische Parlament hat der Aufnahme von Beratungen über das dritte Hilfspaket zugestimmt. An diesem Freitag wird der Bundestag grünes Licht geben. Ist der Grexit jetzt noch einmal abgewendet und das Land auf dem Weg aus der Krise?

LINDNER: Ich rechne nicht damit, dass das Spar- und Reformpaket in den nächsten Jahren wirklich umgesetzt wird. Tsipras hat offen bekannt, dass er selbst nicht daran glaubt. Er will ja lieber die sozialistische Politik aus Venezuela nach Europa holen. Auch das griechische Volk hat beim Referendum Nein zu Reformen gesagt. Zudem hat der Internationale Währungsfonds alle Zahlen bezweifelt. Für weitere Hilfen bestehen in meinen Augen deshalb die Voraussetzungen nicht mehr.

Frage: Der Bundesfinanzminister hält den Euro-Austritt Griechenlands nach wie vor nicht für ausgeschlossen. Wäre das am Ende der bessere Weg?

LINDNER: Mit Blick auf die politische Lage in Athen: leider ja. Es war falsch, Herrn Tsipras und Herrn Varoufakis so lange mit ihrem rhetorischen Zerstörungswerk gewähren zu lassen. Deshalb hatten wir die Bundesregierung bereits vor Monaten aufgefordert, über einen Plan B für Griechenland zu verhandeln. Dazu gehört ein Insolvenzverfahren für Staaten und ein geordnetes Ausscheiden Athens aus dem Euro. Im Falle eines zeitweiligen Grexit könnte Griechenland als EU-Mitglied zweckgebundene Hilfen für den Aufbau von Wirtschaft und Verwaltung erhalten. Dieser Weg würde dem Willen des griechischen Volks entsprechen.

Frage: Der Bundestag entscheidet über die Aufnahme der Verhandlungen über das dritte Hilfspaket. Wie würde das Votum der FDP ausfallen, wäre sie im Parlament?

LINDNER: Wir müssten mit Nein stimmen, was ich zutiefst bedaure. Die beiden ersten Hilfspakete haben wir mitgetragen und selbst als Opposition außerhalb des Bundestags verteidigt. Jetzt geschieht aber das, was die FDP als Regierungspartei verhindert hat: Jetzt geht es nicht mehr um Hilfe für Reformen, sondern in Wahrheit um Transferzahlungen, die niemals zurückgezahlt werden. Die Währungsunion ändert damit ihren Charakter und wird zur Schuldenunion. Dafür wird europäisches Recht erneut gebeugt. Denn es dürfte keine Hilfen für Griechenland aus dem Rettungsschirm ESM geben. Der ESM ist nur die ultima ratio für den Fall, dass die Euro-Zone als Ganzes gefährdet wäre. Diese Gefahr besteht nicht. Das sagte selbst die Bundesregierung.

 

Social Media Button