09.09.2016FDPSteuern

LINDNER-Interview: Schäuble verhöhnt die Steuerzahler

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Stuttgarter Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS MARON:

Frage: Herr Lindner, die CSU fordert jetzt ein vollständiges Verbot der Vollverschleierung, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Einwanderung vor allem aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis. Ist das die richtige Antwort auf das Erstarken der AfD?

LINDNER: Ich erwarte von der CSU und von der Regierung insgesamt, dass sie sich der wirklichen Probleme annimmt. Ich würde mir ja auch wünschen, dass man auf der Straße, vor Gericht oder beim Besuch des Amtes und in der Schule das Gesicht sehen kann. Aber die wesentlichen Probleme löst das nicht. Uns fehlt vor allem ein Einwanderungssteuerungsgesetz, das klar unterscheidet zwischen Flüchtlingen, denen wir auf Zeit Unterstützung gewähren, und anderen, die wir nach klaren Regeln und Kriterien einladen, mit uns gemeinsam den Wohlstand des Landes zu mehren. Es fehlen außerdem Rücknahmeabkommen abgelehnter Asylbewerber im nordafrikanischen Raum. Und auch der sicherere Schutz der EU-Außengrenzen kann noch immer nicht gewährleistet werden. Stattdessen werden Symboldebatten geführt.

Frage: Wäre die Forderung, Einwanderung auf den christlich-abendländischen Kulturkreis zu begrenzen, überhaupt verfassungsrechtlich machbar?

LINDNER: Wenn jemand bedroht ist, dann darf seine Religion oder seine Kultur keine Rolle spielen. Den muss man aufnehmen, aber eben nicht auf Dauer. Ziel muss die Rückkehr in die Heimat bleiben, sobald die Bedrohung für ihn dort vorüber ist. Bei Menschen, die aus anderen Gründen ihr Glück in Deutschland suchen, sollten wir endlich nach klaren Kriterien entscheiden, wer kommen darf und wer nicht. Da spielen dann Sprache und Qualifikation die entscheidende Rolle, aber nicht die Religion.

Frage: Ein anderer Vorstoß der Union müsste für Sie ja ein Grund zum Jubeln sein. Finanzminister Schäuble will jetzt Steuern senken...

LINDNER: Es wurde ja Zeit, dass auch Herr Schäuble endlich erkennt, dass es eine Grenze der Belastbarkeit der arbeitenden Mitte in unserem Land gibt. Allein es fehlen die Taten, die den Worten folgen müssten. In diesem Jahr wird der Staat 40 Milliarden Euro an Überschüssen erzielen. Da ist es doch ein Witz, dass er die Menschen zu Beginn des Jahres 2017 nur um zwei Milliarden Euro entlasten will. Das ist eine Verhöhnung der Steuerzahler. Wir brauchen Fairness zwischen Bürger und Staat. Deshalb ist eine ungleich größere Summe nötig und möglich.

Frage: Das bedeutet in Euro und Cent?

LINDNER: Der Staat wird bis zum Ende des Jahrzehnts mindestens 100 Milliarden Euro jährlich mehr einnehmen. 30 Milliarden Euro pro Jahr kann man davon ohne Probleme an die Bürger geben und trotzdem noch dringend notwendige Investitionen etwa in Bildung und Infrastruktur stärken.

Frage: „Mehr Netto vom Brutto“ war ihr zentrales Thema über viele Jahre hinweg, kommt es 2017 bei der FDP zu einer Neuauflage?

LINDNER: Unsere Themen sind die Modernisierung von Bildung, der Schutz unserer Bürgerrechte, der Abbau von Bürokratie, aber natürlich auch die Stärkung der Kaufkraft der Menschen. Wir wollen, dass die Bürger Eigenvorsorge betreiben können, dazu muss man ihnen von ihrem Geld etwas übrig lassen, damit sie sich etwas aufbauen können. Da kann man nicht Steuern und Sozialabgaben permanent erhöhen.

Frage: Die OECD, keine linke Lobbygruppe, hat vor der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich gewarnt und diese als Wachstumshemmnis bezeichnet. Ist die Vermögensverteilung für die FDP ein Thema, gibt es da liberale Antworten oder überlassen Sie das Feld SPD und Linken?

LINDNER: Wir wollen ein Volk von Eigentümern, weil das die beste Absicherung für das Alter und die beste Antwort auf die Unterschiede der Vermögensverteilung ist. Dafür brauchen wir eine Entlastung, von der Abschaffung des Solidaritätszuschlags angefangen bis hin zur Grunderwerbsteuer, auf die wir bei einer Familie, die sich ein Eigenheim kauft, komplett verzichten sollten. SPD, Grüne und Linke wollen vermögenden Menschen etwas wegnehmen. Wir wollen es Menschen, die kein Vermögen haben, erleichtern, sich etwas aufzubauen. Menschen, die fleißig und sparsam sind, müssen im Leben einen Unterschied spüren.

Frage: Große Konzerne machen Milliarden-Gewinne und zahlen kaum Steuern, da wäre doch was zu holen, um die Mitte zu entlasten, oder?

LINDNER: Mit Blick auf die Vermögensverteilung begrüße ich es außerordentlich, dass die liberale EU-Wettbewerbskommissarin Vestager endlich mal die riesigen Milliardengewinne der Silicon-Valley-Konzerne problematisiert hat, die keinerlei Beitrag zur Finanzierung des Allgemeinwesens leisten. Es ist richtig, Konzerne wie Apple zur Kasse zu bitten und deren Marktmacht zu regulieren. Ich erwarte da auch mehr Engagement der Bundesregierung, die endlich einen fairen Wettbewerb zwischen Mittelstand und Großkonzernen ermöglichen muss. Wirtschaftsminister Gabriel sorgt aber stattdessen dafür, dass mehr wirtschaftliche Macht in die Hände weniger kommt, wie bei Kaiser's-Tengelmann und Edeka oder wie bei der Telekom.

Social Media Button