22.01.2015FDPFreiheit

LINDNER-Interview: Nicht über Vorurteile verhandeln

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem „Handelsblatt“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte TILL HOPPE:

Frage: Herr Lindner, die Parteien tun sich reichlich schwer im Umgang mit Pegida. Was empfehlen Sie?

LINDNER: Ich rate zur Gelassenheit. Sollen sie doch ihre Spaziergänge machen. Natürlich gilt für Pegida das Demonstrationsrecht, ich halte auch das Versammlungsverbot in Dresden für falsch. Man sollte der Bewegung aber nicht begegnen, indem man beginnt, über die Ressentiments zu verhandeln – auch wenn sie von 20 000 Demonstranten geschrien werden. Wenn wir uns darauf einließen, wenn wir etwa darüber verhandeln würden, wie viele Pauschalurteile über Muslime gerechtfertigt sind, dann bekommen wir den Geist nicht mehr zurück in die Flasche.

Frage: Halten Sie Dialogangebote an die Pegida-Organisatoren für falsch?

LINDNER: Ich bin grundsätzlich immer bereit zum Dialog. Die Initiatoren der Bewegung sind für mich aber kein akzeptabler Gesprächspartner: Sie sind nicht demokratisch legitimiert, und sie tolerieren zumindest in ihren Reihen eine Stimmungsmache gegen Minderheiten, die bis an die Grenze der Hetze reicht.

Frage: Also einfach abwarten und hoffen, dass sich Pegida totläuft?

LINDNER: An den Themen zu arbeiten ist das Beste, was man Pegida oder auch der AfD entgegensetzen kann. Es existieren ja durchaus große Probleme bei der Integration. Das reicht von der geringen Bildungsbeteiligung von Migranten bis hin zu Grillfesten von Salafisten auf den Bonner Rheinwiesen, die dort ungehindert Nachwuchs ködern können.

Frage: Kann ein neues Einwanderungsgesetz dabei helfen?

LINDNER: Es muss uns gelingen, den verstärkten Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte mit einer nachholenden Integration und gezielte Förderung bildungsferner Familien – mit und ohne Migrationshintergrund – zu verbinden. Der gegenwärtige Zuzug aus Südeuropa und Polen wird nicht dauerhaft anhalten. Wenn wir uns darauf nicht rechtzeitig einstellen, werden wir künftig uns nicht die Besten aussuchen können. Wir sollten den Menschen, die zu uns kommen wollen, den roten Teppich ausrollen. Dafür brauchen wir ein modernes System nach kanadischem Vorbild, das weltweit eine Marke ist und Menschen auch ohne Arbeitsvertrag erlaubt, zu uns zu kommen, wenn sie qualifiziert sind und willig, sich etwas aufzubauen.

Frage: Zieht Pegida ihre Anziehungskraft nicht auch aus anderen Quellen?

LINDNER: Der Lebenswandel von uns allen ändert sich, durch die Digitalisierung, die zunehmende Alterung der Gesellschaft, die globale Verflechtung. Die Parteien im Bundestag reagieren darauf, indem sie versuchen, den Wandel auszusperren durch mehr Fürsorge, Umverteilung und mehr Bürokratie. AfD und Pegida versuchen wiederum, den Wandel zu leugnen, und suggerieren, man könne sich zurückflüchten an die wärmenden Feuer des Nationalstaates. Beides funktioniert nicht. Wir sollten stattdessen versuchen, die Zukunft zu gewinnen.

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