17.09.2013FDP

LINDNER-Interview für "Die Welt"

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab "Die Welt" (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten KARSTEN KAMMHOLZ und THORSTEN JUNGHOLT:

Frage: Aus der Regierung direkt in die außerparlamentarische Opposition: Wie erklären Sie sich das Desaster der FDP in Bayern, Herr Lindner?

LINDNER: Bei der Analyse will ich keinen Hüftschuss abfeuern. Klar ist: Die CSU hat etwa in dem Umfang gewonnen, wie die FDP verloren hat. Dabei hatten die FDP und ihre Minister einen maßgeblichen Anteil am Erfolg der bayerischen Regierung, etwa beim Schuldenabbau, der Förderung des Mittelstands oder der frühkindlichen Bildung. Aber das ist vergossene Milch. Jetzt geht es um Deutschland.

Frage: Was bedeutet die Niederlage in Bayern für die Zukunft der Landeschefin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger?

LINDNER: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist unsere profilierteste Bürgerrechtlerin. Gerade angesichts der NSA-Enthüllungen hat die Verteidigung der Privatsphäre eine enorme Bedeutung. Dafür braucht man die FDP und dafür steht sie als Person.

Frage: Wir entdecken jedenfalls erstaunliche Parallelen zwischen Bayern und Bund: Ihre Partei trägt Mitverantwortung für ein wirtschaftlich erfolgreiches Land. Diesen Erfolg schreiben die Wähler aber eher der Union zu - in Bayern Horst Seehofer, in Berlin Angela Merkel.

LINDNER: Also müssen wir unseren Anteil an Erfolgen hervorheben. Jede andere Koalition außer Schwarz-Gelb würde in Europa den Kurs verändern - weg von marktwirtschaftlichen Reformen, hin zu Gemeinschaftsschulden. Auch die Fortsetzung der solide Finanzpolitik in Deutschland gibt es nur mit uns, denn die CDU will 30 Milliarden Euro mehr ausgeben, Rot-Grün sogar 70 Milliarden. In Fragen der Finanzpolitik sind wir in den vier Jahren Regierung gereift. Deshalb können wir uns durchaus selbstbewusst um ein neues Mandat bewerben.

Frage: Klingt nach einer Abgrenzung zur Union. Wo gibt es noch Unterschiede zu Ihrem Koalitionspartner?

LINDNER: Aktuell gibt es vor allem einen Unterschied zwischen CDU und CSU - die PKW-Maut. Nachdem Herr Seehofer jetzt gestärkt wurde, unterstützen wir die Bundeskanzlerin umso mehr in ihrer ablehnenden Haltung. Mit uns wird es eine Mehrbelastung der Autofahrer nicht geben. Wer das Kandidatenduell Merkel gegen Steinbrück gesehen hat, konnte zudem beobachten: Die beiden haben nur über die Verteilung von Wohlstand, aber nicht über das Erwirtschaften des Wohlstands gesprochen. Vor allem haben die beiden nur über Millionäre und Bedürftige gesprochen. Die Mitte in Deutschland ist solidarisch mit Schwächeren, aber sie hat auch ein Recht darauf, dass ihre Belange berücksichtigt werden. Das ist die Aufgabe der FDP. Wir sorgen uns eben auch um die Menschen, die die gewaltigen Sozialleistungen dieses Landes schultern müssen. Wir grenzen uns klar von allen anderen Parteien ab, weil wir die Grenzen der Belastbarkeit von Bürgern und Betrieben im Blick behalten.

Frage: Sie werben nun offensiv um Zweitstimmen aus dem bürgerlichen Lager. Aber CDU und CSU machen nicht mit und sagen: Zweitstimme ist Merkel-Stimme.

LINDNER: Wir werben nicht um die CDU-Parteizentrale, sondern um die bürgerliche Mitte. Eine CDU ohne die Lotsenfunktion der FDP wird schnell wieder zu einer Partei, die wie während der Großen Koalition von ihrem linken Flügel bestimmt wird. Weil die Union sich sozialdemokratisiert hat, haben in der Vergangenheit viele die FDP stark gemacht. Weil Deutschland eine liberale Partei braucht, die zuerst den Bürgern vertraut und nicht sofort nach dem Staat ruft.

Frage: Die Union ist vor allem gegen die Zweitstimmen-Kampagne, weil durch das neue Wahlrecht ihre Überhangmandate ausgeglichen werden. Wer mit der Erststimme CDU und der Zweitstimme FDP wählt, tut der FDP womöglich den größeren Gefallen.

LINDNER: Es gibt in manchen Wahlkreisen wie in Bonn kluge Absprachen zwischen FDP und CDU, die helfen sollen, dass überhaupt der CDU-Kandidat den Wahlkreis gewinnt. Da gibt es also ein wechselseitiges Interesse. Die FDP hat zudem vor jeder Bundestagswahl um die Zweitstimme geworben.

Frage: Braucht es mehr solcher Absprachen wie in Bonn?

LINDNER: Dort, wo es sinnvoll ist, empfiehlt sich eine Kooperation. Bonn ist ein Modell auf Augenhöhe, weil wir uns nicht andienen, sondern auch die Union profitiert.

Frage: Ihr leichter Aufwärtstrend in den bundesweiten Umfragen ist seit zwei Wochen wieder rückläufig. Ist Ihr Wahlkampf schlecht geplant?

LINDNER: Nein. Ich halte das eher für einen Effekt aus dem Kandidatenduell Merkel gegen Steinbrück. Da haben die Leute gesehen: Steinbrück ist nicht der Trottel der Nation, als den ihn manche hinstellen wollten. Ich kenne ihn als respektable Person, die aber leider nicht mehr für die Agenda-Politik der neuen Mitte steht, sondern für altlinke Rezepte. Jetzt geht es darum, dass wir von Oberflächlichkeiten im Wahlkampf wegkommen, hin zur Sache. Die Agenda 2010 hat gezeigt, dass marktwirtschaftliche Reformen dem Land gut tun. Nur wir stehen dafür, dass dieser Kurs nicht durch die französische Blaupause des sozialistischen Präsidenten ersetzt wird, wie sie SPD, Grüne und Linke wollen. Freiheit statt Bevormundung, Mittelstand vor Staatswirtschaft, Ludwig Erhard statt Hollande - das ist die FDP.

Frage: Jetzt geht"s los, jetzt geht"s um Deutschland, sagt Philipp Rösler und will damit die liberale Basis mobilisieren. Nur: Gibt es die überhaupt noch? Ihre Partei ist nur noch in neun Ländern im Parlament und zwei Landesregierungen vertreten.

LINDNER: Keine Bange. Die liberale Basis sind zudem nicht die Funktionsträger der FDP. Sondern die freiheitsliebenden, leistungsorientierten Menschen in Deutschland, die es ablehnen, von Politikern mit erhobenem Zeigefinger erzogen zu werden. Wir kämpfen um die früheren Wähler von Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff, auch von Friedrich Merz und Wolfgang Clement. Manche hadern im Moment mit der FDP, die sie früher gewählt haben. Wir rufen sie jetzt zur Fahne und sagen: Jetzt geht"s um was, nämlich das Potenzial und die Substanz der einzig liberalen Partei in Deutschland!

Frage: Was ist Ihre Rolle dabei, in der nächsten Woche - und in der Zeit nach der Wahl?

LINDNER: Ich bin stellvertretender Bundesvorsitzender und Landeschef in NRW. Damit sind meine Aufgaben abschließend beschrieben. Ich mache Opposition in Düsseldorf und helfe dabei, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin weiter arbeiten kann.

Frage: Welches Ergebnis müssen Sie dabei erreichen?

LINDNER: Natürlich eine möglichst starke FDP im nächsten Bundestag. Ich glaube, dass ein Ergebnis in Richtung acht Prozent möglich ist.

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