04.05.2013FDP-Fraktion, FDPFinanzpolitik

LINDNER-Interview für die "Ruhr Nachrichten"

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab den "Ruhr Nachrichten" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RASMUS BUCHSTEINER: Frage: Herr Lindner, die FDP liegt laut "Deutschlandtrend" weiter unter fünf Prozent und muss im Herbst um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Wo bleibt der große Befreiungsschlag der Liberalen? LINDNER: Der Wahlkampf beginnt erst. Wir haben bei den letzten Wahlen gezeigt, dass wir kämpfen können. Die FDP steht für Leistungsgerechtigkeit, für stabile Finanzen und persönliche Freiheit. Andere wollen bevormunden und von der privaten Brieftasche zum Staat umverteilen. Wir vertrauen den Menschen und trauen ihnen etwas zu. Dieses Lebensgefühl teilen viel mehr als fünf Prozent der Wähler. Frage: Die Anti-Euro-Partei AfD könnte Schwarz-Gelb die entscheidenden Stimmen abjagen. Wie wollen Sie das verhindern? Lindner: Laut Umfragen holt diese Formation im Moment mehr bei der SPD. Unabhängig davon: Ich nehme die Sympathisanten der AfD ernst. Und denen sage ich: Das ist die schlechtere Alternative für Deutschland. Ein Scheitern des Euro hätte enorme wirtschaftliche und politische Risiken. Aus dem Binnenmarkt würde schnell ein Raum mit schwankenden Währungen und Schutzzöllen gegen deutsche Produkte. Auf der Weltbühne wären wir Statisten ohne Europa. Frage: Hans-Dietrich Genscher rät der FDP, eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen für den Fall der Fälle auszuschließen. Lindner: Nein, er wirbt wie ich für eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Deutschland muss aus der Mitte heraus regiert werden. Wir brauchen keine französischen Verhältnisse. Frankreich ist dabei, der kranke Mann Europas zu werden. Mit Peer Steinbrück im Kanzleramt würde sich Deutschland anstecken. Frage: Noch einmal: Sollte sich die FDP die Option einer Ampelkoalition offen halten? Lindner: Ein nüchterner Blick auf die Programme beendet solche Spekulationen. Rot-Grün formuliert eine Kampfansage an den Facharbeiter in der Industrie. Dessen Gehaltssteigerungen werden von der kalten Progression aufgefressen, weil SPD und Grüne im Bundesrat blockieren. Und wegen der rot-grünen Blockade in der Energiepolitik wird sein Arbeitsplatz unsicher und seine private Stromrechnung höher. Wir wollen dagegen mehr Marktwirtschaft in der Energiepolitik, um die Kosten unter Kontrolle zu bekommen. Frage: Die CSU im Sog immer neuer Amigo-Vorwürfe, die CDU zerstritten über die Frauenquote und andere Themen - wie groß ist Ihre Sorge über die Lage der Unionsparteien? Lindner: Die CSU hat auch ohne meinen Kommentar genug zu tun. Und die internen Debatten der Union über Frauenquote, Online-Überwachung, Mindestlohn und Steuererhöhungen sprechen für sich und sagen etwas über die Bedeutung der FDP aus. Wir kämpfen dafür, so stark zu bleiben, dass wir Deutschland auf Kurs halten können. Frage: FDP-Chef Philipp Rösler will beim Parteitag am Wochenende einen Kurswechsel beim Thema Mindestlohn durchsetzen. Ist das nicht der Beginn der Sozialdemokratisierung der Liberalen? Lindner: Die FDP will unverändert keine von Politikern befohlenen Mindestlöhne. Dennoch darf man vor Veränderungen am Arbeitsmarkt nicht die Augen verschließen. Die Tarifbindung geht zurück, Geringqualifizierte könnten unter die Räder geraten. Die Lösung der FDP NRW ist, in der Tradition von Walter Eucken und Ludwig Erhard durch Ordnungspolitik soziale Ergebnisse zu erreichen. Auch am Arbeitsmarkt darf nicht das Recht des Stärkeren herrschen. Konkret wollen wir erleichtern, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf Tarifverträge einigen, die danach für eine Branche allgemein verbindlich werden können. Zuvor muss aber das Bundeskartellamt gehört werden, damit nicht Konkurrenz verdrängt wird wie damals bei der Post. Frage: In welchen Branchen ist es Zeit für Mindestlöhne? Lindner: Uns geht es um Tarifverträge dort, wo es keine gibt. Frage: Wird der Mindestlohn das große Streitthema des Parteitags? Lindner: Bei den großen Fragen herrscht absolute Einigkeit. Die FDP ist gut aufgestellt mit Rainer Brüderle und Philipp Rösler an der Spitze. Wir wissen, wo der politische Gegner steht. Steinbrück und Trittin wollen abkassieren. Das werden wir verhindern. Frage: Eben noch war Philipp Rösler als Parteichef hoch umstritten. Längst nicht nur Hans-Dietrich Genscher sieht Sie als Mann der Zukunft. Wann greifen Sie nach der Macht und kandidieren für den Chefposten? Lindner: Diese Debatten sind wirklich von gestern. Frage: Was wird im Wahlkampf aus der FDP-Forderung nach Steuersenkungen? Lindner: Wir schaffen Gerechtigkeit durch solide Finanzen. Die Menschen müssen aber auch ihren fairen Anteil am Aufschwung erhalten. Bis 2017 plant Herr Schäuble mit mehr als neun Milliarden Euro Haushaltsüberschuss. Darüber hinaus sehe ich auch noch Möglichkeiten für Einsparungen. Es gibt also Spielräume für Entlastungen in der nächsten Wahlperiode. Wir setzen bei der kalten Progression und der Abschmelzung des Solidaritätszuschlags an - dafür brauchen wir auch den Bundesrat nicht. Frage: Wird sich die FDP wieder vom Mehrwertsteuer-Rabatt für Hotels verabschieden? Lindner: Bei der Reform der Mehrwertsteuer ist Wolfgang Schäuble am Zug. Frage: Thema Steuerhinterziehung - wie kommt Schwarz-Gelb nach dem Fall Hoeneß wieder in die Offensive? Lindner: Schwarz-Gelb ist nicht in der Defensive. Wir haben ja 2011 die Bedingungen für Selbstanzeigen verschärft. Peer Steinbrück war als Finanzminister dagegen vollständig untätig, was die Bekämpfung von Steueroasen und Steuerhinterziehung betrifft. Und sein Vorgänger Hans Eichel hat sogar einen Super-Sonderrabatt für Steuerflüchtige ausgelobt. Die SPD ist bei diesem Thema völlig unglaubwürdig. Frage: Ist die strafbefreiende Selbstanzeige für Steuersünder denn noch zeitgemäß? Lindner: Es gibt diesen Weg zurück in die Legalität seit mehr als 100 Jahren. Das sollte man in einer aufgeregten Debatte nicht einfach verwerfen. Auch im Strafrecht gibt es einen Täter-Opfer-Ausgleich. Die Selbstanzeige ist zudem nicht komfortabel, denn es werden Zinsen und Strafen fällig. Gäbe es diesen Weg nicht mehr, würde Kommissar Zufall regieren. Und wir würden reuige Menschen kriminalisieren. SPD und Grünen ist das egal. Die wollen einen Pranger.

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