06.01.2014FDPLiberalismus

LINDNER-Interview für die „Rheinische Post“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Rheinischen Post“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Detlev Hüwel und Horst Thoren:

Frage: Herr Lindner, im Vorfeld des heutigen Dreikönigsfestes wurde darüber debattiert, ob sich einer der drei Sternsinger das Gesicht schwärzen darf, um an den schwarzen König Melchior zu erinnern. Was meinen Sie dazu?

LINDNER: Eine bunter werdende Gesellschaft sollte Gelassenheit haben. Da wird nur an eine historische Tatsache erinnert.

Frage: Im Moment schlägt das Thema Zuwanderung hohe Wellen...

LINDNER: Wer kommt, um zu arbeiten und Steuern zu zahlen, ist willkommen. Qualifizierte Zuwanderung ist eine der Antworten auf den drohenden Fachkräftemangel. Zuwanderung in die Sozialsysteme ist nach europäischem Recht ausgeschlossen. Horst Seehofer ist zu Recht auch aus der CDU kritisiert worden. Entweder kennt er die Rechtslage nicht oder er will die Stammtische bedienen. Beides spricht gegen ihn.

Frage: Aber Städte wie Duisburg und Dortmund haben große Probleme.

LINDNER: Die haben nichts mit der erst seit Jahresbeginn geltenden Freizügigkeit zu tun. Die FDP hat das im Dezember im Landtag zum Thema gemacht. Städte dürfen mit verwahrlosendem Wohnraum und kaum beschulbaren Kindern nicht allein bleiben. Alle Behörden müssen an einen Tisch. Bund und Länder sollten einen Unterstützungsfonds einrichten. Diese Städte sollten außerdem Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds erhalten.

Frage: Dennoch herrscht die Sorge vor einer Überbeanspruchung unserer Sozialsysteme.

LINDNER: Die Sozialsysteme werden vor allem durch die Politik der großen Koalition belastet. Ich habe Respekt vor der Lebensleistung der älteren Generation, aber auch die Rente mit 63 muss finanziert werden. Ich bin in Sorge, dass wir in eine Schieflage zulasten der Generation unter 50 geraten.

Frage: Haben wir eine sozialdemokratische große Koalition?

LINDNER: Ja. Die Union hat zwar die Wahl gewonnen, die SPD aber die Koalitionsverhandlungen. Ich bin erstaunt, wie kampflos sich die CDU/CSU von den Prinzipien bürgerlicher Politik verabschiedet hat. Bundesfinanzminister Schäuble will jetzt zwei Milliarden Euro mehr Schulden machen als ursprünglich von Schwarz-Gelb geplant. Das sind die Schulden für die Wahlgeschenke. Außerdem bin ich enttäuscht, dass die wirklichen Probleme nicht beherzt angepackt werden.

Frage: Nämlich?

LINDNER: Ein Ende der Dauersubventionen im Erneuerbare-Energien-Gesetz soll es erst im Jahr 2018 geben.

Frage: Warum hat Schwarz-Gelb nicht gehandelt?

LINDNER: Im Bundesrat wurde doch mit den Stimmen der rot-grünen NRW-Regierung alles blockiert – auch die Strompreisbremse.

Frage: Beim heutigen Dreikönigstreffen Ihrer Partei können Sie stolz darauf verweisen, dass es mit der FDP offenbar wieder aufwärts geht. Ist das der bundesweite Lindner-Effekt?

LINDNER: Dabei geht es nicht um mich. Die FDP hat eine Chance, nachdem wir uns einer beispiellosen Selbstkritik unterzogen haben. Mir geht es darum, alte Klischees zu überwinden. Die FDP ist nicht zuerst die Partei derjenigen, die es schon zu etwas gebracht haben, sondern derjenigen, die es durch Fleiß und Sparsamkeit zu etwas bringen wollen. Wir sind die Partei, die den Bürgern und ihrer Eigeninitiative vertraut, und erst dann nach dem Staat ruft.

Frage: Was wird aus Guido Westerwelle? Welche Perspektive sehen Sie für Sabine Leutheusser-Schnarrenberger?

LINDNER: Beide haben für sich entschieden, in der Führung keine aktive Rolle spielen zu wollen. Davor habe ich Respekt.

Frage: Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla geht zur Bahn...

LINDNER: ...und für solche Wechsel brauchen wir neue Verhaltensregeln. Der Austausch zwischen Politik und Wirtschaft ist gut. Hier geht es aber um den Wechsel von der Schaltstelle der Macht in einen Staatskonzern. Das ist etwas anderes.

Frage: Ist Schwarz-Gelb im Bund auf mittlere Sicht ausgeschlossen?

LINDNER: Nein. Aber die FDP ist jetzt unabhängiger als jemals zuvor. Ich will das Profil als Partei der Marktwirtschaft schärfen. Aber bei den Bürgerrechten und dem Nein zur Vorratsdatenspeicherung haben wir durchaus einen Berührungspunkt mit den Grünen.

Frage: Also sind Sie für 2017 offen für eine Ampel?

LINDNER: Nur weil ich einen einzigen Berührungspunkt mit einer anderen Partei nenne, wollen Sie gleich eine Koalitionsdebatte führen? Ich spreche hier ausdrücklich nur über Inhalte.

Frage: Was halten Sie von Gregor Gysi?

LINDNER: Ein Pfiffikus, aber es schmerzt mich, dass die Partei von Erich Honecker den Oppositionsführer stellt. Es fehlt im Parlament eine Partei, die auf die Grundpfeiler der Bundesrepublik – Soziale Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und tolerante Gesellschaft – vertraut. Ich möchte, dass die FDP wieder als eine solche Partei wahrgenommen wird.

Frage: Die Düsseldorfer Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist eine ihrer drei Stellvertreter. Was bedeutet das für die Kommunalwahl im Mai?

LINDNER: Ich habe sie ganz bewusst vorgeschlagen. Sie steht für eine liberale Erfolgsgeschichte. Düsseldorf hat erst seine Schulden abgebaut, um danach Freiraum für soziale Leistungen zu haben.

Frage: Am Tag der Kommunalwahl wird auch das Europaparlament gewählt. Welches Ergebnis streben Sie an?

LINDNER: Wir wollen bei der Europawahl so stark wie möglich werden. Ich will ein Europa der Marktwirtschaft und der Subsidiarität. In Brüssel sollte nicht über Olivenöl-Kännchen auf Restauranttischen entschieden werden, sondern über große Fragen wie den Schutz unserer Privatheit im Verhältnis zu den USA. Außerdem wollen wir, dass die finanzpolitische Eigenverantwortung aller Euro-Staaten wiederhergestellt wird. Die Rettungsschirme müssen irgendwann wieder eingeklappt werden.

Frage: Sie wollen zwar Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag bleiben, aber den Landesvorsitz abgeben. Wann wird das sein?

LINDNER: Es gibt noch keine konkreten Planungen. Wir sind in einer außergewöhnlichen Situation.

Frage: Wie sehen Sie als Fraktionschef das Verhältnis zur CDU nach dem Wegfall der Doppelspitze?

LINDNER: Ich komme mit Armin Laschet gut aus. Nur bin ich gespannt, wie die CDU sich im Landtag positioniert. Nach Bildung der großen Koalition konnte man feststellen, dass es hier zwischen SPD und CDU kuscheliger geworden ist. Die Union kann nicht mehr die Schuldenpolitik von Hannelore Kraft angreifen, da sie im Bund ja selbst Gefälligkeitspolitik betreibt.

Frage: Und die Ministerpräsidentin?

LINDNER: Ihre Hoffnung auf mehr Geld vom Bund ist in sich zusammengebrochen. Der Bund gibt das Geld lieber selbst aus als es nach Düsseldorf zu leiten. Frau Kraft hatte aber Mehreinnahmen von 300 Millionen Euro eingeplant. Ich befürchte, dass SPD und Grüne anderen rot-grünen Ländern oder dem schwarz-grünen Hessen folgen werden, die die Grunderwerbsteuer erhöht haben. Das träfe vor allem junge Familien, die auf eine Wohnung sparen und mit jedem Cent rechnen müssen. Bezeichnend ist, dass nur der Finanzminister weich dementiert hat. Die Ministerpräsidentin sollte vor der Kommunalwahl Klarheit schaffen, wo die 300 Millionen Euro sonst herkommen sollen.

Frage: Im Februar erhalten Sie den Orden „Wider den tierischen Ernst“. Feilen Sie schon an Ihrer Rede?

LINDNER: Ja, ich sammele Anekdoten. Der beste Humor ist der, der aus dem Alltag kommt.

 

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