22.08.2013FDPDatenschutz

LINDNER-Interview für die "Landeszeitung der Lüneburger Heide"

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der "Landeszeitung der Lüneburger Heide" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte JOACHIM ZIESSLER:

Frage: Freiheitsrechte werden in Zeiten des Terrors schnell zugunsten der Sicherheit geopfert. Wie kann es angehen, dass die liberale Partei bei Umfragen nicht von diesem Thema profitiert?

LINDNER: Die Lage der FDP hat sich deutlich entspannt. Die jüngste, in der FAZ veröffentlichte, Umfrage sieht uns bei sieben Prozent. Das hängt auch damit zusammen, dass nicht nur unsere Rolle als Verteidiger der Sozialen Marktwirtschaft geschätzt wird, sondern auch unser Einsatz für die bürgerlichen Freiheitsrechte. Der Staat muss Sicherheit bieten, aber er darf nicht unbescholtene Bürger ausspionieren und pauschal unter Verdacht stellen.

Frage: Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger forderte mehr Aufklärung von den USA, Innen- und Kanzleramtsminister dagegen ein Beenden der Spähaffäre. Hätten sie sich von der Ex-DDR-Bürgerin Merkel ein klareres Wort an die USA gewünscht?

LINDNER: Ich habe keine Zweifel, dass Frau Merkel entschieden an einer Aufklärung interessiert ist. Ich habe es deshalb als geschmacklos empfunden, dass Sigmar Gabriel der Kanzlerin in dieser Frage geradezu Landesverrat vorgeworfen hat. Wichtig ist, dass wir für die Zukunft Konsequenzen ziehen. Wir müssen über neue Datenschutz-Standards zwischen den USA und Deutschland sprechen. Deshalb haben der Außenminister und die Justizministerin den Vorstoß gestartet, den UN-Pakt über die bürgerlichen Rechte um den Punkt Privatsphäre im Internetzeitalter zu ergänzen.

Frage: Rot-Grün kündigen Steuererhöhungen an, die FDP verspricht: Keine neuen Schulden, keine höheren Steuern. Wer ist der Ehrliche?

LINDNER: Für uns spricht die Bilanz der vergangenen vier Jahre. Wir haben die Bürger um 22 Milliarden Euro entlastet -- angefangen beim Kindergeld bis hin zur Praxisgebühr. 14 Milliarden Euro flossen in die Bildung. Und trotzdem schaffen wir nächstes Jahr den Haushaltsausgleich. Jetzt wollen wir bis 2017 den Staat aus den Schulden zu befreien und zugleich die Bürger und Betriebe entlasten, indem etwa der Soli bis 2019 schrittweise ausläuft. Finanzminister Schäuble erwartet deutliche Einnahmesteigerungen. Da ist das seriös finanzierbar.

Frage: Deutschland fährt derzeit die Ernte der Agenda 2010 ein. Ruhen wir uns zu sehr auf den Erfolgen vergangener Reformen aus, während Krisenstaaten sich tiefgreifend reformieren?

LINDNER: Die Erfolge, die wir erzielt haben, verpflichten uns, am Ball zu bleiben, schon, um die neu geschaffenen Arbeitsplätze verteidigen zu können. Zum ersten dürfen wir den Mittelstand nicht stärker belasten, sondern müssen ihn mittelfristig entlasten. Zweitens brauchen wir einen Neuanfang in der Energiepolitik. Das planwirtschaftliche Erneuerbare-Energien-Gesetz treibt die Strompreise zu stark. Drittens müssen wir den Fachkräftemangel beheben. Dafür brauchen wir nicht nur faire Bildungschancen, sondern auch ein neues Zuwanderungsgesetz. Das muss sich an den deutschen Interessen orientieren, damit es keine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme gibt, sondern die Zuwanderung qualifizierter Menschen, die unseren Wohlstand sichern.

Frage: Sie verlangen den Ausstieg aus dem EEG. Ist Klimaschutz die richtige Spielwiese, um mehr Markt zuzulassen?

LINDNER: Das Ziel des Klimaschutzes steht nicht in Frage. Aber der Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien muss überprüft werden. Wir haben gegenwärtig einen unkontrollierten Zuwachs bei den erneuerbaren Energien. Da geht es weniger um den Klimaschutz als um die Rendite der Grünen-Klientel. Und das macht die Energiewende unnötig teuer. Zudem müssen Rentner und BAföG-Empfänger diese Rendite über höhere Stromrechnungen aufbringen. Das ist nicht zeitgemäß.

Frage: Nach zehn Jahren Reformen und maßvoller Tarifabschlüsse könnten Arbeitnehmer vom Erfolg profitieren -- doch der Staat schöpft zu viel ab. Wie ist das zu ändern?

LINDNER: Wir müssen die kalte Progression dämpfen. Die Löhne steigen zwar, aber das Steuersystem wurde nicht an die Preisentwicklung angepasst. Das muss es aber, damit der Metallarbeiter von seiner Gehaltserhöhung um 5,6 Prozent etwas hat und nicht plötzlich in eine Steuerstufe rutscht, in die er aufgrund der Kaufkraft nicht gehört. Das ist eine heimliche Steuererhöhung durch Unterlassung. Und die hat Rot-Grün durch das Veto im Bundesrat zu verantworten.

Frage: In der Finanzkrise 2008 zerstob der Glaube an die Weisheit des Marktes. Muss einem Liberalen angesichts des Comebacks des starken Staates nicht das Herz bluten?

LINDNER: Wir wollen einen Staat, der Regeln setzt, den Markt ordnet, aber nicht auf dem Markt agiert. Der Staat muss dafür sorgen, dass Handeln und Haften auch bei Bankern wieder zusammengeführt werden. Aber ich will keinen Staat, der wie im Falle der HSH Nordbank, selbst mit dem Geld der Bürger spekuliert. Wir wollen den Staat als Schiedsrichter, nicht als Mitspieler.

Frage: Wieso setzt die FDP bei möglichen Koalitionen alles auf eine Karte?

LINDNER: Weil wir die größten Gemeinsamkeiten mit der CDU haben. Den Steuererhöhern, Staatsfetischisten und Bevormundern bei Sozialdemokraten und Grünen können wir nicht die Hand reichen. Beide Parteien sind auf der Flucht vor den Erfolgen ihrer eigenen Reformpolitik. Aus der früheren neuen Mitte ist wieder die alte Linke geworden.

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