19.05.2014FDPFDP

LINDNER-Interview für den Bonner „General-Anzeiger“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem Bonner „General-Anzeiger“ (Montag Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte BERND EYERMANN:

Frage: Wie geht es Ihnen persönlich bei Ihrer One-Man-Show?

LINDNER: So fühle ich mich gar nicht. Wir sind ein Team mit vielen Spielern. Ich denke da etwa an Wolfgang Kubicki, Alexander Graf Lambsdorff oder Nicola Beer.

Frage: Aber man hat den Eindruck, dass Sie derjenige sind, der hauptsächlich in der Öffentlichkeit auftaucht.

LINDNER: (lacht) Bei den Talkshow-Auftritten hat Wolfgang Kubicki noch die Nase vorn. Mir macht es Freude. Wo ich hinkomme, sind die Säle voll und die Menschen interessiert.

Frage: Können Sie Ihr Tempo noch dreieinhalb Jahre durchhalten?

LINDNER: Wir sind im Sprint. Ich war an der Basis unterwegs, um die Partei zu stabilisieren. Sie sehen ja bei AfD und Piraten, was in Parteien auch gestritten werden kann.

Frage: Sehen Sie es als Ihr Verdienst an, dass in der FDP nicht gestritten wird?

LINDNER: Bei uns funktioniert das Teamwork wieder. Zuletzt wirkte die FDP ja eher so, als stünde jeder mit jedem intern im Wettbewerb. Das haben wir überwunden. Jetzt wird auch wieder entspannt übereinander gefrotzelt und konstruktiv über Lösungsvorschläge diskutiert. Das gab es vorher nicht.

Frage: Sie hatten im Herbst vorigen Jahresangekündigt, dass Sie die Bundespartei aus Düsseldorf erneuern wollten.

LINDNER: Nicht nur aus Düsseldorf. Natürlich: Dort ist mein Hauptbetätigungsfeld, die Landtagswahl 2017 ist die wichtigste Vorwahl vor der Bundestagswahl 2017, aber wir haben 108 Landtagsabgeordnete, 58.000 Mitglieder und in Berlin eine starke Präsenz.

Frage: Wie sieht der Prozess der Erneuerung denn aus?

LINDNER: Wir wollen mit konkreten politischen Projekten deutlich machen, wo die Antwort der Liberalen auf bestimmte Fragen liegt.

Frage: Zum Beispiel?

LINDNER: Im Bundestag debattieren die Parteien, ob das 63., das 67. oder das 70. Lebensjahr das richtige Rentenalter ist. Ich finde, dass unsere Gesellschaft beim Ruhestand nicht mehr alle Menschen über einen Kamm scheren darf. Warum machen wir den Renteneintritt nicht wie in Skandinavien individuell verschieden? Unser Vorschlag: Zwischen 60 und 70 gibt es die Freiheit der Wahl. Wer länger bleibt, hat eine höhere Rente. Wer früher geht, hat eine niedrigere.

Frage: Die FDP steht in den Umfragen bei drei, vier Prozent. Wie wichtig ist für Sie die Europawahl?

LINDNER: Jede Wahl ist wichtig. Alle anderen Parteien sagen zu Europa „Ja aber“. Wir sagen zu Europa „Ja weil“. Weil es Frieden sichert oder weil der Binnenmarkt unseren Wohlstand schafft. Wir sind die einzigen, die der AfD Paroli bieten, während die CSU der sogar opportunistisch hinterherläuft. Entscheidend ist der Unterschied in der Haltung. Wer eine liberale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik will, der kann nicht eine Partei wählen, die Ressentiments bedient.

Frage: Die AfD liegt derzeit vor Ihnen. Haben Sie als Ziel formuliert, besser abzuschneiden?

LINDNER: Wir stehen mit der AfD so im Wettbewerb wie mit der Linkspartei: Die Wählerschaft überschneidet sich kaum. Deshalb vergleiche ich uns nicht mit denen. Unser Hauptgegner sind die Parteien der großen Koalition, weil die nur noch unsolide Geld verteilen.

Frage: Haben Sie eine konkrete Prozentzahl vor Augen?

LINDNER: Ich finde es richtig, dass man zuerst über Inhalte spricht.

Frage: Haben wir ja auch getan.

LINDNER: Aber nur über einen Punkt. Ich nenne Ihnen einen zweiten: Wir dürfen ein Buch in Luxemburg bestellen, aber wir dürfen unsere Energie nicht in den Niederlanden oder in Frankreich beziehen. Dabei könnte man mit einem europäischen Energie-Binnenmarkt zwölf Milliarden Euro im Jahr sparen. Europa sollte mit der Regulierung des Alltags aufhören und stattdessen die großen Fragen lösen.

Frage: Nennen Sie jetzt ein konkretes Ziel? Kubicki spricht von fünf Prozent.

LINDNER: Im Bonner Raum wäre mir das viel zu wenig!

Frage: Welche Marken sind für Sie wichtig auf dem Weg bis zur Bundestagswahl 2017?

LINDNER: Wichtig ist uns die inhaltliche Diskussion ab Juni/Juli über liberale Zukunftsfragen. Zum Beispiel: Wie sichern wir die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur – auch unter Nutzung von privatem Kapital? Wie ordnen wir die Finanzmärkte so, dass die Eigentümer und Gläubiger der Banken für ihr Geschäftsgebaren haften? Wie beenden wir die Dauersubventionen in der Energiepolitik? Das ist ein Prozess der programmatischen Schärfung, den wir nach der Europawahl anstoßen wollen. Und wir wollen neue Mitglieder gewinnen.

Frage: Gab es den großen Einbruch in den Mitgliederzahlen nach der verlorenen Wahl?

LINDNER: Nein, im Gegenteil: Seit der Bundestagswahl sind 3500 neue Mitglieder zu uns gekommen. Wir haben zum ersten Mal seit vier Jahren einen Zuwachs von per Saldo 1000 Mitgliedern.

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