28.04.2016FDPVerkehrspolitik und Infrastruktur

LINDNER-Interview: Eine Milliarde Steuergelder werden verbrannt

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ:

Frage: Herr Lindner, auf ihrem Parteitag am Wochenende hat sich die FDP als Partei der Digitalisierung und des technologischen Fortschritts präsentiert. Was spricht dann für Sie dagegen, den Kauf von Elektro-Autos mit einer Prämie zu unterstützen?

LINDNER: Die Erfahrungen mit Subventionen und die Prinzipien der Marktwirtschaft. Die Nachfrage nach Elektro-Autos wird dann steigen, wenn das Angebot technisch überzeugend ist. Die Kaufprämie wird daher verpuffen. Sie schafft höchstens Mitnahmeeffekte. Die Große Koalition regiert hektisch ihrem unrealistischen Plan hinterher, bis 2020 eine Million Elektro-Autos auf der Straße zu haben. Dafür werden jetzt eine Milliarde Steuergelder verbrannt. Sinnvoll wäre stattdessen, wenn der Bund mehr für die Infrastruktur tut, wie den Aufbau eines Netzes von Ladestationen. Hier gibt es große Defizite. Die Aufgabe der Automobilbranche, praxistaugliche Fahrzeuge zu einem erschwinglichen Preis anzubieten, kann die Politik nicht übernehmen. Es ist im Übrigen ein Fehler, wenn die Politik jetzt einseitig eine Technologie fördert. In den Städten ist das Elektro-Auto bereits attraktiv. Im Sauerland und Hochschwarzwald sieht das ganz anders aus. Da hat der Verbrennungsmotor noch eine Zukunft.

Frage: Hat die deutsche Automobilindustrie diese technologische Neuentwicklung verschlafen?

LINDNER: Das sehe ich differenziert. Man wird sehen müssen, ob der Erfolg von Tesla in den USA nachhaltig ist. Die setzen auf veraltete Batterietechnik. Mit Plug-in-Hybrid-Modellen, der Kombination von Verbrennungsmotor und Elektromotor, hat unsere Industrie starke Innovationen. Solange unser Strom so stark aus Kohle und Gas gewonnen wird, ist der Elektromotor ökologisch dem Verbrenner ohnehin nicht überlegen. Ich sehe das große Versäumnis bei der Bundesregierung. Warum drängt man nicht darauf, bei den bundeseigenen Raststätten an den Autobahnen Ladestationen zu bauen? An Flughäfen und Bahnhöfen? Meine Sorge ist, dass die Milliardensubvention für Elektro-Autos den Preis- und Innovationsdruck verringert. Als nächstes kommt womöglich eine Kaufprämie für Elektro-Fahrräder.

Frage: Sollte die deutsche Automobilindustrie mit ihren Milliarden-Gewinnen nicht selbst für höhere Anreize sorgen und die Kaufprämie voll übernehmen?

LINDNER: In den vergangenen zehn Jahren hat die Automobilbranche in Deutschland 217 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Die Hersteller könnten die Preise für Elektro-Autos deutlich reduzieren, damit mehr Fahrzeuge auf die Straße kommen. Es ist nicht Aufgabe der Politik, mit Steuergeld ein Konjunkturprogramm für eine einzelne Branche aufzulegen. Das Programm ist in jeder Beziehung ungerecht und ineffizient. Das ist eine Prämie für Besserverdienende. Die Steuerzahler werden belastet und nur wenige profitieren. Die Automobilindustrie sollte selbst in ihre Zukunft investieren.

Frage: Die Abgas-Affäre weitet sich immer mehr aus. Die Aufklärung geht nur schleppend voran. Anders als in den USA drohen VW & Co. hierzulande allerdings kaum Konsequenzen. Wo bleibt das entschlossene Vorgehen von Politik und Justiz?

LINDNER: Der Bundesverkehrsminister muss hier endlich entschlossen handeln. Vor allem ist hier aber die Justiz gefordert. Die Staatsanwaltschaften sollten hier aufklären, wo in betrügerischer Absicht gehandelt worden ist. In den USA erhalten die Betroffenen des VW-Abgasskandals einen Scheck über 5000 Dollar, in Deutschland werden sie vertröstet.

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