06.02.2017FDPWirtschaft

LINDNER-Interview: Da hilft auch kein Selbstfindungsseminar

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab der „Passauer Neuen Presse“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:

Frage: Der vom US-Präsidenten verhängte Einreisestopp für Muslime aus sieben Staaten ist von der amerikanischen Justiz ausgesetzt worden. Bewegt sich Donald Trump auf dem Boden der Verfassung?

Lindner: Die Vereinigten Staaten sind ein Rechtsstaat. Daran ändert sich auch unter Donald Trump nichts. Trumps Diskriminierung von Menschen anderen Glaubens ist unamerikanisch und widerspricht der Verfassung. Dass dies jetzt von der Justiz gestoppt wird, ist ein gutes Zeichen. Das System der „Checks and Balances“ funktioniert. Aus der berechtigten Kritik an Trump und seiner Politik darf aber kein Antiamerikanismus werden.

Frage: Worauf müssen sich Deutschland und Europa einstellen?

Lindner: Bei Trump passt nichts zusammen. Viele seiner Entscheidungen sind schädlich. Wir müssen jetzt daraus in Deutschland und Europa die richtigen Konsequenzen ziehen. Wer wie die Rechtspopulisten Europa abwickeln will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wir müssen Europa zusammenhalten und besser machen. Auch in Deutschland ist jetzt nicht die Zeit, sich auszuruhen und Erntedankfest zu feiern. Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern. Höhere Steuern, höhere Sozialausgaben und höhere Schulden, wie sie die SPD und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz wollen, sind da der falsche Weg.

Frage: Riesen-Euphorie bei der SPD nach der Kür von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten. Die Sozialdemokraten liegen in jüngsten Umfragen nahe 30 Prozent. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Lindner: Martin Schulz ist für viele ein Unbekannter und damit etwas Neues. Er ist innenpolitisch ein noch unbeschriebenes Blatt. Angela Merkel kennen die Menschen. Da herrscht ein gewisser Überdruss. Viele sind der Meinung: Zwölf Jahre Kanzlerschaft sind genug. Das hat sicher mancher in der Unionsspitze unterschätzt. In der Flüchtlingskrise hat Frau Merkel viel Vertrauen eingebüßt. Ihr Nimbus als starke Krisenmanagerin ist weg. Mit Merkels „Sie kennen mich“ und „Weiter so“ jedenfalls gewinnt sie keine Bundestagswahl mehr. Auch ihr grünliches Moralisieren stört viele inzwischen. Die Union hat sich mit ihrem monatelangen Streit über die Flüchtlingspolitik selbst geschwächt und in eine schwierige Lage gebracht. Da hilft auch kein Selbstfindungsseminar in München.

Frage: Gute Chancen also für den SPD-Kandidaten Schulz?

Lindner: Nein. Martin Schulz wird es nicht gelingen, Regierung und Opposition in einer Person zu verkörpern. Die SPD ist Regierungspartei und für die Politik der Regierung Merkel mitverantwortlich. Da kann Herr Schulz nicht den Anschein erwecken, als hätte er damit nichts zu tun. Das ist nicht glaubwürdig. Schulz erzählt die altlinken Geschichten des gescheiterten französischen Präsidenten François Hollande noch einmal neu. Er will ein anderes Land. Mit klassenkämpferischen Parolen wird er nicht erfolgreich sein. Bei ihm gibt es nur Superreiche, vor denen Mindestlohnempfänger geschützt werden müssen. Der Mittelstand und die Leistungsträger in der Mitte unserer Gesellschaft interessieren Schulz und die SPD gar nicht. Wenn Schulz jetzt die Agenda 2010 abwickeln will, würgt er den deutschen Konjunkturmotor ab. Ginge es nach dem SPD-Kanzlerkandidaten, würde der Staat über Lohnerhöhungen entscheiden und nicht die Tarifpartner. Das ist ein Angriff auf die Tarifautonomie. Schulz will staatliche Kommandowirtschaft mit dem Ziel der Umverteilung. Damit hat François Hollande Frankreich geschwächt und Gerard Depardieu ist darüber Russe geworden.

Frage: Der Ruf nach einer Begrenzung von Bonuszahlungen an Manager wird aber nicht nur in der SPD lauter ...

Lindner: Dann soll die SPD doch bei den eigenen Genossen anfangen und vor der eigenen Haustür kehren. Wenn die frühere SPD-Ministerin Christine Hohmann-Dennhardt nach nur einem Jahr im VW-Vorstand jetzt mehr als zwölf Millionen Euro erhält, muss sich der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil als Mitglied im VW-Aufsichtsrat fragen, warum er diesen und andere Verträge mitunterschrieben hat. Die Genossin Hohmann-Dennhardt kann nicht beides behalten. Sie muss sich entscheiden: die Millionen oder das Parteibuch. Über hohe Managergehälter und Boni klagen, sie aber den eigenen Parteifreunden in den Staatsunternehmen selbst abnicken – das ist unglaubwürdig. Das System VW mit dem VW-Gesetz ist nicht mehr zeitgemäß. Der Staat sollte sich bei Volkswagen zurückziehen.

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