07.11.2014FDPFDP

LINDNER-Interview: Agenda-Kraftakt statt teurer Geschenke auf Pump

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ALEXANDER KAIN:

Frage: Herr Lindner, gibt es die FDP noch?

LINDNER: Die FDP ist eine Traditionspartei, die über Jahrzehnte die deutsche Politik mitgestaltet und wesentliche Weichen gestellt hat. Natürlich gibt es die FDP noch – auch wenn ich sie in der schwierigsten Phase ihrer Geschichte übernommen habe.

Frage: Keine Steuersenkungen trotz Rekordeinnahmen des Fiskus, Abschaffung der Kalten Progression auf die lange Bank verschoben, die Pkw-Maut für Ausländer als möglicher Grundstein einer künftigen Maut für alle, Lavieren beim Schutz der Bürger, wenn es ums Abhören geht, Mindestlohn trotz dunkler wirtschaftlicher Aussichten – dennoch werden nirgends Rufe nach der FDP laut. Wie erklären Sie sich das?

LINDNER: Die Aufzählung zeigt, dass es einen Bedarf für eine Partei gibt, die die Weltoffenheit unseres Landes und seine wirtschaftliche Stärke verteidigen will. Der Deutsche Bundestag ist heute eine Vollversammlung der Sozialdemokratie, die all diese Zugriffe des Staates auf unser eigenverantwortliches Miteinander in Staat und Gesellschaft aktiv vorantreibt – ohne parlamentarische Opposition. Deshalb muss die FDP wieder in den Bundestag zurückkehren. Damit es wenigstens wieder eine Partei gibt, die für die klassischen bürgerlichen Werte von Eigenverantwortung und Leistungsfreude streitet.

Frage: Aber eine Sehnsucht nach der FDP ist nicht zu spüren, oder?

LINDNER: Ich kann mich vor Einladungen nicht retten. Letzte Woche wurde ich zum Wirtschaftsrat der CDU nach Düsseldorf eingeladen, wo 700 Gäste kamen, um die Argumente der FDP zu hören. Auch das zeigt doch, dass es eine Lücke im Parteiensystem gibt. Aber klar: Gegenwärtig tut sich die FDP schwer, sich in den Medien darzustellen. Das ist so, wie wenn man in der 2. Bundesliga spielt. Die Anzahl derer, die sich eine Partei der Marktwirtschaft und Bürgerrechte wünscht, ist in Wahrheit viel größer. Etwa der Ehrenpräsident der Bayerischen Wirtschaft, Randolf Rodenstock, ist nach der Bundestagswahl in die FDP eingetreten, weil er genau dieses marktwirtschaftliche Korrektiv vermisst. Da ist er in der FDP genau richtig.

Frage: Ein Jahr nach der Bundestagswahl ist es Zeit, mal Klartext zu reden: Wer hat die FDP beerdigt?

LINDNER: Die FDP ist nicht unter der Erde. Wir haben vor einem Jahr eine schwere Niederlage erfahren, weil wir zehn Jahre lang die Entbürokratisierung des Steuersystems zur wichtigsten Aufgabe erklärt haben, wir das dann aber nicht ausreichend umgesetzt haben. Wir hätten auch entschiedener Widerstand gegen die Pläne von CDU und CSU für die planwirtschaftliche Energiewende leisten müssen. Da waren wir als marktwirtschaftliches Korrektiv nicht stark genug. Die Konsequenz jetzt ist, dass wir etwa in der Energiepolitik unsere Haltung deutlich verändert haben: Mehr Marktwirtschaft, Schluss mit den Dauersubventionen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen, das wir alle zu Gunsten weniger Öko-Investoren bezahlen müssen.

Frage: Wie wollen Sie am Wochenende beim Landesparteitag der FDP in Bayern Ihren Mitgliedern Mut machen?

LINDNER: Unsere Mitglieder sind motivierter und couragierter, als viele denken. In der FDP ist man nicht wegen einer schnellen Karriere, sondern weil man Überzeugungstäter ist. Bei uns sind Leute, die das Gefühl haben, ohne eine liberale Partei fehlt in Bayern und Deutschland etwas. Wir wollen unser Land nicht den Sozialdemokraten und Protestlern überlassen. Wir erleben doch aktuell, dass auf der einen Seite im Bundestag allein sozialdemokratische Politik gemacht wird, und auf der anderen Seite die Nostalgiker und Nationalstaatsromantiker von der AfD Protest machen. Die FDP ist die Partei der bürgerlichen Mitte.

Frage: Vor ein paar Tagen hat die Liberale Vereinigung Bayern einen Landesverband gegründet. Zersplittern sich die letzten liberalen Kräfte endgültig?

LINDNER: Das macht mir keine Angst, weil ich die auch gar nicht kenne. Ich bin nur um eine Sache besorgt: nämlich unser Land. Gegenwärtig wird das Geld zum Fenster rausgeworfen. Mit einem Rentenpaket, das Enkel und Großeltern gleichermaßen belastet. Nur eine Generation profitiert davon: Die, die jetzt mit 63 in Rente gehen kann. Wir lassen uns beim Freihandelsabkommen mit den USA kirre machen wegen der „Chlorhühnchen“. Dabei haben die USA teils höhere Lebensmittelstandards als wir. Der Freihandel bietet uns riesige Chancen: Für Arbeitsplätze, aber auch für die Definition international gültiger Sozial- und Umweltstandards. Die Große Koalition verteilt Geschenke, als gäbe es kein Morgen mehr. Dabei bräuchten wir eine Umkehr unserer Wirtschaftspolitik: Einen neuen Agenda-Kraftakt statt teurer Geschenke auf Pump. Sie fragen mich nach einer Liberalen Vereinigung? Das ist doch nicht das Thema! Das Thema ist, dass im Bundestag nur noch linke Politik gemacht wird und die Opposition noch links davon steht.

Frage: Wie geht es mit der FDP weiter? Werden Sie 2017 wieder im Bundestag sitzen?

LINDNER: Natürlich werden wieder im Bundestag sitzen. Die entscheidende Frage ist, warum.

Frage: Warum?

LINDNER: Der politische Zeitgeist setzt nur auf Umverteilung. Auch die Union träumt doch nur noch von neuen Ausgaben, statt über das Erwirtschaften nachzudenken. Es muss auch eine Partei geben, die auf die Erwirtschaftung unseres Wohlstandes setzt. Da, wo die Leute bevormundet und entmündigt werden, wo die Große Koalition in die wirtschaftliche Freiheit eingreift, vom Preisdiktat bei Löhnen und Mieten angefangen bis zu den Ökosubventionen, da setzen wir auf die Eigenverantwortung und den fairen Wettbewerb in der Marktwirtschaft. Da, wo die Leute nur die Risiken scheuen und die Probleme sehen, wie bei neuen Technologien oder dem transatlantischen Freihandel, da setzen wir uns offensiv für die Chancen ein. Auch die Generationen unserer Kinder und Enkel sollen im Wohlstand leben können. Dafür gilt es, heute die Grundlagen zu legen. Das ist das Profil der FDP.

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