22.05.2014FDPRente

LINDNER-Gastbeitrag für die „Frankfurter Rundschau“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für die „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Happy Hour im Bundestag. Am Freitag veranstalten Union und SPD eine Riesen-Party und plündern die Rentenkasse wie eine Mini-Bar im Hotelzimmer. Kosten spielen keine Rolle. Von den Rücklagen in der gesetzlichen Rentenversicherung wird schon in drei Jahren nichts mehr übrig sein. Denn: Alles hat seinen Preis. Das Rentenpaket, das morgen im Bundestag beschlossen wird, ist vor allem teuer und schafft neue Ungerechtigkeit. Die Kosten summieren sich auf mindestens 160 Milliarden Euro – das ist die Zahl der Bundesregierung. Unabhängige Wissenschaftler rechnen aber mit noch höheren Belastungen. Dieses Geld fällt nicht vom Himmel. Bezahlen müssen das die Rentnerinnen und Rentner zum Teil selbst, weil das Geld für steigende Renten dann verbraucht ist.

Die schwerste Last müssen aber die Berufstätigen von heute und morgen schultern. Ich halte es für unfair, wenn Politiker willkürlich Zusatzgeschenke an einzelne Gruppen verteilen, die von allen anderen bezahlt werden müssen. Insbesondere von denjenigen Beschäftigten, die heute noch im Berufsleben stehen, ihre Familien versorgen und jetzt höhere Steuern und Sozialabgaben leisten müssen. Zu Beginn dieses Jahres hätte es eine Senkung des Beitragssatzes von 18,9 auf 18,3 Prozent geben müssen. Über diese gesetzliche Vorgabe setzt sich die Koalition aber eiskalt hinweg, obwohl das verfassungsrechtlich höchst umstritten ist.

In Zukunft haben wir nicht mehr, sondern weniger Gerechtigkeit in Deutschland. Die Sozialbeiträge werden weiter steigen, Arbeitnehmern bleibt weniger vom Gehalt und das Rentenniveau wird schneller sinken. Die Anstrengungen von gut 15 Jahren Rentenreformen werden mit einem Streich zunichtegemacht. Das ist fatal, denn gleichzeitig beginnt der demografische Wandel voll durchzuschlagen, wenn die geburtenstärkeren Jahrgänge in Ruhestand gehen. Dann wird es in Deutschland genauso viele Menschen über 67 Jahre wie Erwerbstätige geben.

Ungerecht ist diese Politik, weil die zusätzlichen Rentenleistungen nichts zur Bekämpfung der Altersarmut beitragen. Während Frauen von Zahnärzten mit der Mütterrente einen Zuschlag erhalten, gehen die Rentnerinnen leer aus, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Denn Mütterrente wird auf die Grundsicherung angerechnet. Absurder kann Sozialpolitik nicht gemacht werden. Die abschlagsfreie Rente mit 63 ist ein völlig falsches Signal. Sie wird eine Welle der Frühverrentung auslösen. Da hilft auch nicht der sogenannte „rollierende Stichtag“, den sich die Koalitionsfraktionen in dieser Woche haben einfallen lassen. Denn das Angebot, früher als geplant abschlagsfrei in Rente gehen zu können, wird kaum jemand ablehnen – weil es sich finanziell lohnt. Wo bleibt die wirtschaftspolitische Vernunft der CDU? Es ist doch fatal, in Zeiten von Fachkräftemangel die Menschen mit finanziellen Anreizen in die Rente zu locken, obwohl wir ihre Erfahrung und ihre Wertschöpfung in den Betrieben unbedingt brauchen.

Das Rentenpaket ist vor allem nicht enkelfit: Viele Großeltern empfinden es als ungerecht, dass ihre Enkel die Hauptlast einer zukunftsvergessenen Politik tragen müssen. Unter anderem durch Rentenbeiträge, die auf bis zu 28 Prozent ansteigen können. Für ihre eigenen Renten hingegen wird später das Geld knapp, Spielraum für Altersvorsorge wird ihnen genommen. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung muss ein heute 13-Jähriger im Laufe seines Lebens durchschnittlich 77000 Euro mehr in die Rentenkasse einzahlen, als er selbst an Rente beziehen wird.

So schmilzt die Generationengerechtigkeit dahin wie Wassereis im Sommer. Von einem funktionierenden Generationenvertrag bleibt nichts mehr übrig. Angesichts der alternden Gesellschaft brauchen wir aber unbedingt eine Politik, die auch den Interessen der Enkelgeneration gerecht wird. Erstens wollen wir jungen Menschen Freiraum für die eigene Lebensplanung sichern. Voraussetzung ist, dass ihnen keine neuen finanziellen Lasten aufgebürdet werden. Junge Familien sollen den Spielraum behalten, in eigener Verantwortung für ihr Alter vorzusorgen.

Fairness bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Staat nicht an Lohnerhöhungen bereichert, wie mit der kalten Progression. Eine steuerliche Entlastung für die Mittelschicht fordern auch die Gewerkschaften – angesichts von Rekord-Steuereinnahmen ist sie jetzt das Gebot der Stunde. Zweitens wollen wir ein flexibles Renteneintrittsalter durchsetzen. Den deutschen Einheitsrentner gibt es ebenso wenig wie den deutschen Einheitsbürger. Viele Menschen sehnen sich nach einer Betätigung im Alter – deutsches Arbeitsrecht steht diesem Wunsch aber noch immer im Wege. Das wollen wir ändern. Wer länger arbeiten möchte, soll die Möglichkeiten dazu erhalten. Eigenverantwortung heißt in diesem Zusammenhang aber auch: Wer früher in Rente geht, erhält eine geringere Rente, wer später geht, eine höhere.

Drittens wollen wir mehr Transparenz und Ehrlichkeit. Heute verschleiert die Regierung die Kosten des Rentenpaketes in den Sozialkassen. So etwas wollen wir durch eine Änderung des Grundgesetzes zukünftig verhindern: Versicherungsfremde Leistungen sollen dann nur noch aus Steuermitteln finanziert werden können. Das wäre eine Weiterentwicklung der bestehenden Schuldenbremse. Politiker brauchen institutionelle Grenzen, insbesondere die amtierende Bundesregierung, der es an einem fairen Miteinander der Generationen offenbar nicht gelegen ist. Zur Ehrlichkeit gehört: Happy Hour ist gutes Marketing – aber bezahlen müssen wir am Ende.

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