30.07.2014FDPVerkehrspolitik und Infrastruktur

LINDNER-Gastbeitrag für das „Handelsblatt“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für das „Handelsblatt“ (Mittwoch-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Die Pkw-Maut ist die bürokratischste Idee seit dem Dosenpfand. Wirkungslos, ineffizient und ungerecht – so urteilen nahezu alle Experten, die sich mit dem Prestigeprojekt der CSU auseinander gesetzt haben. Selbst in der Union wachsen die Zweifel. Die Konsequenz kann nur lauten: Schluss mit dem Sommertheater. Autobahnen, Straßen und Brücken befinden sich in einem maroden Zustand. Deutschland sollte neu denken – und statt Bürokratie privatwirtschaftliches Engagement mobilisieren.

Seit Jahrzehnten wird zu wenig investiert. Mit der großen Koalition sinkt die Investitionsquote im Bundeshaushalt weiter – trotz Rekordeinnahmen. Schwarz-Rot konzentriert sich auf Konsum und Umverteilung statt auf Investitionen und Wachstumsimpulse. Die Einnahmen aus der bestehenden Lkw-Maut werden seit Jahren genutzt, um öffentliche Investitionsmittel zu reduzieren. Jährlich fehlen sieben Milliarden Euro. Von der Pkw-Maut könnte man lediglich 200 bis 250 Millionen Euro erwarten. Erhebung, Verwaltung und Kontrolle – das alles verschlingt mehr als 30 Prozent ihres möglichen Aufkommens. Keine andere Steuer oder Abgabe ist so ineffizient wie diese. Polizei und Zoll würden zudem noch mit der Administration einer Autovignette belastet werden. Nicht zuletzt: Wollen wir zurück zum Europa unserer Großeltern? Mit Grenzposten und Schlagbäumen? Mit so vielen Vignetten auf der Frontscheibe, dass man die Straße nicht mehr sieht? Das Europa von heute ist offen und frei. Viele Menschen leben vom so genannten kleinen Grenzverkehr – ob Handel, Gastronomie oder Tourismus. Deutschland sollte keinen Rückschritt provozieren.

Wenn die Pkw-Maut kommt, dann ohnehin als Vorgeschmack auf weitere Schritte zur systematischen finanziellen Belastung aller Autofahrer und mittelständischen Betriebe. CDU, CSU, SPD und Grünen feilen bereits an Plänen zur Ausweitung der Lkw-Maut und zur Besteuerung von kleinen Nutzfahrzeugen. Dann gilt: Maut für alle. Statt Autofahrer und Betriebe weiter zu schröpfen, müssen die politischen Prioritäten neu geordnet werden:

1. Zur Sanierung der Infrastruktur müssen zusätzliche Mittel aus den vorhandenen Einnahmen zur Verfügung gestellt werden. Aber: Das Geld muss effizienter eingesetzt werden. Mit einer professionelleren Planung lassen sich bis zu zehn Prozent der Kosten einsparen.

2. Bröckel-Brücken kann man nicht nach Kassenlage sanieren. Wir brauchen Kontinuität. Der Gesetzgeber sollte verbindlich einen größeren Anteil der Mineralölsteuereinnahmen für Straßenbau und -unterhaltung reservieren. Die Investitionsquote in den öffentlichen Haushalten muss wieder steigen.

3. Deutschland braucht eine Initiative für mehr privates Kapital und Know-how im Infrastrukturbereich. Wowereits Flughafen in Berlin zeigt, dass der Staat es oft eben nicht besser kann – im Gegenteil. Im Straßenbau gibt es inzwischen Erfahrung mit öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP). Risiken, wie sie der Bundesrechnungshof kürzlich aufgezeigt hat, sind mit ÖPP-Modellen der zweiten Generation beherrschbar. Privat verantwortete Verkehrsprojekte werden schneller realisiert und liefern eine überdurchschnittliche Bauqualität. Weltweit werden daher schon 75 Prozent aller Verkehrsprojekte privat finanziert. In Zeiten niedriger Zinsen können Versicherungen und Versorgungswerke hier sinnvolle Anlagemöglichkeiten erschließen. Auch die öffentliche Hand profitiert auf mittlere Sicht fiskalisch, wenn Private neben der Realisierung auch den – in der Regel dann günstigeren – Betrieb von Infrastruktur verantworten. Vor allem wäre dies ein Gewinn für alle Nutzer: bessere Straßen, weniger Staus, weniger CO2-Emissionen – und vor allem nicht noch mehr Bürokratie.

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