23.06.2014FDPSteuern

LINDNER-Gastbeitrag für das „Handelsblatt“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für das „Handelsblatt“ (Montag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Europa droht ein Linksruck. Posten werden gegen politische Zugeständnisse gedealt. Am Samstag haben die Sozialdemokraten und Sozialisten Europas in Paris nun „mehr Flexibilität“ innerhalb des Stabilitätspakts gefordert. Im Klartext: weniger Reformpolitik und mehr Schulden. Sigmar Gabriel hintertreibt damit die deutsche Stabilitätspolitik der letzten Jahre. Die Bundeskanzlerin muss unmissverständlich klarmachen, dass der Vizekanzler nicht für die Bundesregierung spricht.

Vorgeblich geht es um Impulse für Wachstum und Beschäftigung – durch Staatsausgaben. Der Bundeswirtschaftsminister sollte es besser wissen. Denn der Staat kann nachhaltiges Wachstum sowie sichere Arbeits- und Ausbildungsplätze nicht kaufen. Er kann und muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen, damit von und in der Wirtschaft investiert wird. Wer das Amt von Ludwig Erhard führt, der sollte dessen Überzeugungen nicht verraten.

Es ist ein politisches Déjà-vu. 2003 haben Frankreich und Deutschland den Vertrag von Maastricht gebrochen – und damit die Einladung ausgesprochen, aus der Währungsunion einen Schuldenklub zu machen. Heute sind es Frankreich und Italien, die Druck machen und in Sigmar Gabriel einen Unterstützer finden. Beide Länder haben noch ein erhebliches Reformprogramm zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit vor sich – beispielsweise Portugal war wesentlich couragierter.

„Mehr Flexibilität“ tut in Frankreich und Italien tatsächlich not – aber eben nicht bei der Kreditaufnahme, sondern an ihren teilweise hochgradig bürokratisierten Märkten.

Seit 2009 war Deutschland der Anwalt der Stabilität in Europa. Mit dem Fiskalvertrag haben 25 europäische Staaten auf Betreiben Deutschlands vereinbart, nationale Schuldenbremsen einzuführen. Auf europäischer Ebene wurden die Schwächen des bisherigen Stabilitätspaktes abgebaut. Mit der Einführung des Sixpacks wurden die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Kriterien effektiver. Die Kommission hat künftig bessere Möglichkeiten, Strafen anzudrohen und zu verhängen und damit die Regeln besser durchzusetzen. Mit Sigmar Gabriels jüngsten Äußerungen verändert sich die deutsche Rolle. Im Inland verzichtet die Große Koalition auf den noch von Schwarz-Gelb geplanten Einstieg in die Tilgung von Altschulden. Stattdessen kommt die „Rente mit 63“ – zusammen mit der geforderten Aufweichung des Stabilitätspakts ein fatales Signal nach Europa.

Die hohe Arbeitslosigkeit und die besorgniserregende Perspektivlosigkeit junger Menschen sind nicht das Ergebnis zu harter Regeln beim Schuldenmachen – im Gegenteil. Zu viel gegenseitige Nachsicht unter europäischen Partnern und zu wenig marktwirtschaftliche Reformen haben diese Länder immer weiter in die Abhängigkeit der Kapitalmärkte getrieben. Wer am Fundament gräbt, auf dem die gerade gehärteten Säulen des Stabilitätspakts stehen, mag kurzfristig um Reformen herumkommen. Europa wird so aber nicht aus der Krise herausgeführt, sondern wieder tiefer hinein.

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