FDPInterviewLiberale Ideen haben immer ihren Platz
Christian Lindner plädiert für mehr Mut23.03.2015Die Freien Demokraten haben mit ihrem geschärften Profil in Hamburg einen ersten Erfolg gefeiert. FDP-Chef Christian Lindner ist überzeugt, dass die klare liberale Haltung bei den Bürgern ankommt. Im Interview mit dem „Reutlinger Generalanzeiger“ erklärt Lindner: „Wir beziehen klare Position. Ohne Ängstlichkeit. Und wie man in Hamburg sieht, wird das vom Wähler anerkannt.“ Außerdem sprach er über Gründergeist in der Bundesrepublik und die Finanzpolitik der Großen Koalition.
Die überwältigende Resonanz auf seine „Wutrede“ zum Thema Gründerkultur im nordrhein-westfälischen Landtag habe ihn selbst überrascht, räumte Lindner ein. „Ich habe es offenbar nicht allein satt, dass mit dem Finger auf andere Leute gezeigt wird, die etwas versuchen, etwas wagen, aber nicht gleich erfolgreich damit waren.“ Sowohl der Gesellschaft als auch der Politik täte eine zupackendere Einstellung gut, unterstrich der Freidemokrat.
Das vollständige Interview mit Christian im "Reutlinger General-Anzeiger"
Frage: Herr Lindner, wie sehen Sie sich: Als strahlender Sieger nach der Hamburg-Wahl oder als Chef einer Partei, die um ihr Überleben kämpft?
LINDNER: Wir sind natürlich immer noch in einer Bewährungsprobe. Aber die Wahl in Hamburg hat gezeigt, dass die Richtung unserer Erneuerung stimmt. Wir haben den Grund wiedergefunden, warum Theodor Heuss und andere einst unsere Partei gegründet haben. Freie Demokraten wollen den einzelnen Bürger stark machen und vor zu viel Bürokratisierung, Abkassieren und Bespitzelung schützen.
Frage: Auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart haben Sie Ihre Partei auf eben diesen neuen Kurs eingeschworen. Hand aufs Herz, wie erleichtert waren Sie nach diesem für Sie erfreulichen Abschneiden in Hamburg?
LINDNER: Ganz ehrlich: Gefürchtet habe ich mich gar nicht. Wir haben uns ein Jahr lang intensiv beschäftigt mit unserer liberalen Tradition, mit unseren Stärken und Schwächen. Als Ergebnis haben wir uns befreit von Opportunismus. Wir sind für ein transatlantisches Freihandelsabkommen, weil es gerade einem Exportland wie Baden-Württemberg Chancen eröffnet. Wir wollen, dass der Solidaritätszuschlag nicht verlängert, sondern abgeschafft wird. Wir halten nicht Umverteilung, sondern Bildung für die sozialste Politik. Und wir sind gegen jedes Entgegenkommen für Putin, wenn der das Völkerrecht bricht. Das sind umstrittene Fragen, aber wir beziehen klare Position. Ohne Ängstlichkeit. Und wie man in Hamburg sieht, wird das vom Wähler anerkannt.
Frage: Das Hamburger Ergebnis sehen Sie also nicht als eine besondere Erscheinung, die mit ihrer Spitzenkandidatin Katja Suding zu tun hat, sondern da lässt sich Ihrer Meinung nach schon eine neue Entwicklung erkennen?
LINDNER: Katja Suding war eine tolle Spitzenkandidatin, aber 99 Prozent derer, die FDP gewählt haben, haben gesagt, dass ihnen eine marktwirtschaftliche Stimme fehlt. Das ist doch eine klare Wahlmotivation. Liberale Ideen haben immer ihren Platz.
Frage: Gehört zu diesen liberalen Ideen auch das Recht auf Scheitern? Ist Ihre auf YouTube so erfolgreiche Wutrede im nordrhein-westfälischen Landtag auch in dieser Richtung zu verstehen?
LINDNER: Die große Resonanz hat mich überrascht. Das war nicht geplant, aber es zeigt, dass ein Nerv bei vielen Menschen getroffen wurde. Ich habe es offenbar nicht allein satt, dass mit dem Finger auf andere Leute gezeigt wird, die etwas versuchen, etwas wagen, aber nicht gleich erfolgreich damit waren. Vielen Gründern geht es doch nicht in erster Linie um Geld, sondern um die Umsetzung einer Idee und das Leben eines Traums. Wer damit scheitert, der hat Spott und Häme nicht verdient.
Frage: Sie sind auch jetzt bei dieser Frage wieder mit viel Leidenschaft bei der Sache. Sie sagen zwar, die Wutrede sei spontan gewesen. Aber es scheint, als würde Ihnen dieses Thema schon länger auf den Nägeln brennen...
LINDNER: Oh ja, seit mindestens zehn Jahren. Es stinkt mir persönlich und es bringt unser Land auch nicht weiter, wenn es bei Erfolgreichen heißt, die hätten eben Glück gehabt und sollten im Übrigen jetzt mal richtig kräftig zur Kasse gebeten werden. Und wenn jemand scheitert mit seiner Idee, dann reagiert man mit Häme und sagt sich, zum Glück habe ich nichts versucht und unternommen. So eine Haltung ist die Entschuldigung für Nichtstun und für Stillstand. Dabei täte unsere Gesellschaft Gründergeist gut. Übrigens auch und gerade der Politik, denn die packt in Land und Bund die großen Herausforderungen nicht an.
Frage: Apropos Gründergeist. Der ist ja traditionell im Südwesten besonders vorhanden. Wie wichtig ist die Landtagswahl hier für die FDP?
LINDNER: Der Landtagswahl hier kommt eine Schlüsselrolle zu. Und wenn wir hier zeigen, dass weiter mit der FDP zu rechnen ist, dann ist das nicht nur für Stuttgart wichtig. Das wäre auch ein Signal an das Bundeskanzleramt, dass die Sozialdemokratisierung aller Lebensbereiche ein Ende haben muss. Deshalb, mich werden Sie oft sehen im wunderbaren Südwesten. Baden-Württemberg steht doch ganz besonders für die liberalen Werte – der Südwesten mit seinem geländegängigen, aber weltoffenen Mittelstand, der in Generationen denkt und nicht in Quartalsgewinn-Maximierung. Hier, wo Technologie als Grundlage für unseren Wohlstand gesehen wird. Das ist schon ein besonders wichtiges Pflaster für uns.
Frage: Wenn Sie schon im Ausland sind. Wie bewerten Sie die Lage in der Ostukraine, wie die Außenpolitik der Bundesregierung?
LINDNER: Ich werfe Frau Merkel vor, dass sie in der Innenpolitik das Feld den Sozialdemokraten überlässt. In der Außenpolitik teile ich ihre grundlegenden Positionen. Es ist wichtig, dass wir 2010 die EU nicht haben zerspringen lassen. Die EU könnte heute in den großen Krisen sonst nicht mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Gerade gegenüber Putin ist Wehrhaftigkeit nötig, um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Russland hat seinen legitimen Platz im „Haus Europa“, aber es muss die Hausordnung beachten. Wenn es seinen Kurs korrigiert, dann ist auch neue Kooperation möglich. Einen neuen kalten Krieg kann niemand wollen.
Frage: Und wie stehen Sie zu den Reparationsforderungen Griechenlands gegenüber Deutschland?
LINDNER: Das ist ganz offensichtlich ein Manöver, um von nicht umgesetzten Reformen abzulenken. Deutschland hat natürlich eine moralische Verantwortung für Verbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg. Aber politisch und rechtlich sind diese Reparationen erledigt. Und das darf vor allem auf gar keinen Fall mit dem dringend nötigen Reformprozess in Griechenland verquickt werden. Härte bei der Durchsetzung von Regeln ist hier wichtig.
Frage: Also stimmen sie dem Kurs von Finanzminister Schäuble zu?
LINDNER: Also, Herrn Schäuble traue ich keinen Meter über den Weg. Zwischen dem, was er sagt und fordert und dem, was tatsächlich eintrifft, besteht doch oft eine große Diskrepanz. Schauen Sie nur auf den Soli oder die Erbschaftssteuer. Und ich bin gespannt, ob er seinen markigen Worten von heute dann im Juni Taten folgen lässt, wenn es um das dritte Rettungspaket für Griechenland geht. Ich habe jedenfalls massive Zweifel.
Liberale Ideen haben immer ihren Platz
Christian Lindner plädiert für mehr MutDie Freien Demokraten haben mit ihrem geschärften Profil in Hamburg einen ersten Erfolg gefeiert. FDP-Chef Christian Lindner ist überzeugt, dass die klare liberale Haltung bei den Bürgern ankommt. Im Interview mit dem „Reutlinger Generalanzeiger“ erklärt Lindner: „Wir beziehen klare Position. Ohne Ängstlichkeit. Und wie man in Hamburg sieht, wird das vom Wähler anerkannt.“ Außerdem sprach er über Gründergeist in der Bundesrepublik und die Finanzpolitik der Großen Koalition.
Die überwältigende Resonanz auf seine „Wutrede“ zum Thema Gründerkultur im nordrhein-westfälischen Landtag habe ihn selbst überrascht, räumte Lindner ein. „Ich habe es offenbar nicht allein satt, dass mit dem Finger auf andere Leute gezeigt wird, die etwas versuchen, etwas wagen, aber nicht gleich erfolgreich damit waren.“ Sowohl der Gesellschaft als auch der Politik täte eine zupackendere Einstellung gut, unterstrich der Freidemokrat.
Das vollständige Interview mit Christian im "Reutlinger General-Anzeiger"
Frage: Herr Lindner, wie sehen Sie sich: Als strahlender Sieger nach der Hamburg-Wahl oder als Chef einer Partei, die um ihr Überleben kämpft?
LINDNER: Wir sind natürlich immer noch in einer Bewährungsprobe. Aber die Wahl in Hamburg hat gezeigt, dass die Richtung unserer Erneuerung stimmt. Wir haben den Grund wiedergefunden, warum Theodor Heuss und andere einst unsere Partei gegründet haben. Freie Demokraten wollen den einzelnen Bürger stark machen und vor zu viel Bürokratisierung, Abkassieren und Bespitzelung schützen.
Frage: Auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart haben Sie Ihre Partei auf eben diesen neuen Kurs eingeschworen. Hand aufs Herz, wie erleichtert waren Sie nach diesem für Sie erfreulichen Abschneiden in Hamburg?
LINDNER: Ganz ehrlich: Gefürchtet habe ich mich gar nicht. Wir haben uns ein Jahr lang intensiv beschäftigt mit unserer liberalen Tradition, mit unseren Stärken und Schwächen. Als Ergebnis haben wir uns befreit von Opportunismus. Wir sind für ein transatlantisches Freihandelsabkommen, weil es gerade einem Exportland wie Baden-Württemberg Chancen eröffnet. Wir wollen, dass der Solidaritätszuschlag nicht verlängert, sondern abgeschafft wird. Wir halten nicht Umverteilung, sondern Bildung für die sozialste Politik. Und wir sind gegen jedes Entgegenkommen für Putin, wenn der das Völkerrecht bricht. Das sind umstrittene Fragen, aber wir beziehen klare Position. Ohne Ängstlichkeit. Und wie man in Hamburg sieht, wird das vom Wähler anerkannt.
Frage: Das Hamburger Ergebnis sehen Sie also nicht als eine besondere Erscheinung, die mit ihrer Spitzenkandidatin Katja Suding zu tun hat, sondern da lässt sich Ihrer Meinung nach schon eine neue Entwicklung erkennen?
LINDNER: Katja Suding war eine tolle Spitzenkandidatin, aber 99 Prozent derer, die FDP gewählt haben, haben gesagt, dass ihnen eine marktwirtschaftliche Stimme fehlt. Das ist doch eine klare Wahlmotivation. Liberale Ideen haben immer ihren Platz.
Frage: Gehört zu diesen liberalen Ideen auch das Recht auf Scheitern? Ist Ihre auf YouTube so erfolgreiche Wutrede im nordrhein-westfälischen Landtag auch in dieser Richtung zu verstehen?
LINDNER: Die große Resonanz hat mich überrascht. Das war nicht geplant, aber es zeigt, dass ein Nerv bei vielen Menschen getroffen wurde. Ich habe es offenbar nicht allein satt, dass mit dem Finger auf andere Leute gezeigt wird, die etwas versuchen, etwas wagen, aber nicht gleich erfolgreich damit waren. Vielen Gründern geht es doch nicht in erster Linie um Geld, sondern um die Umsetzung einer Idee und das Leben eines Traums. Wer damit scheitert, der hat Spott und Häme nicht verdient.
Frage: Sie sind auch jetzt bei dieser Frage wieder mit viel Leidenschaft bei der Sache. Sie sagen zwar, die Wutrede sei spontan gewesen. Aber es scheint, als würde Ihnen dieses Thema schon länger auf den Nägeln brennen...
LINDNER: Oh ja, seit mindestens zehn Jahren. Es stinkt mir persönlich und es bringt unser Land auch nicht weiter, wenn es bei Erfolgreichen heißt, die hätten eben Glück gehabt und sollten im Übrigen jetzt mal richtig kräftig zur Kasse gebeten werden. Und wenn jemand scheitert mit seiner Idee, dann reagiert man mit Häme und sagt sich, zum Glück habe ich nichts versucht und unternommen. So eine Haltung ist die Entschuldigung für Nichtstun und für Stillstand. Dabei täte unsere Gesellschaft Gründergeist gut. Übrigens auch und gerade der Politik, denn die packt in Land und Bund die großen Herausforderungen nicht an.
Frage: Apropos Gründergeist. Der ist ja traditionell im Südwesten besonders vorhanden. Wie wichtig ist die Landtagswahl hier für die FDP?
LINDNER: Der Landtagswahl hier kommt eine Schlüsselrolle zu. Und wenn wir hier zeigen, dass weiter mit der FDP zu rechnen ist, dann ist das nicht nur für Stuttgart wichtig. Das wäre auch ein Signal an das Bundeskanzleramt, dass die Sozialdemokratisierung aller Lebensbereiche ein Ende haben muss. Deshalb, mich werden Sie oft sehen im wunderbaren Südwesten. Baden-Württemberg steht doch ganz besonders für die liberalen Werte – der Südwesten mit seinem geländegängigen, aber weltoffenen Mittelstand, der in Generationen denkt und nicht in Quartalsgewinn-Maximierung. Hier, wo Technologie als Grundlage für unseren Wohlstand gesehen wird. Das ist schon ein besonders wichtiges Pflaster für uns.
Frage: Wenn Sie schon im Ausland sind. Wie bewerten Sie die Lage in der Ostukraine, wie die Außenpolitik der Bundesregierung?
LINDNER: Ich werfe Frau Merkel vor, dass sie in der Innenpolitik das Feld den Sozialdemokraten überlässt. In der Außenpolitik teile ich ihre grundlegenden Positionen. Es ist wichtig, dass wir 2010 die EU nicht haben zerspringen lassen. Die EU könnte heute in den großen Krisen sonst nicht mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Gerade gegenüber Putin ist Wehrhaftigkeit nötig, um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Russland hat seinen legitimen Platz im „Haus Europa“, aber es muss die Hausordnung beachten. Wenn es seinen Kurs korrigiert, dann ist auch neue Kooperation möglich. Einen neuen kalten Krieg kann niemand wollen.
Frage: Und wie stehen Sie zu den Reparationsforderungen Griechenlands gegenüber Deutschland?
LINDNER: Das ist ganz offensichtlich ein Manöver, um von nicht umgesetzten Reformen abzulenken. Deutschland hat natürlich eine moralische Verantwortung für Verbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg. Aber politisch und rechtlich sind diese Reparationen erledigt. Und das darf vor allem auf gar keinen Fall mit dem dringend nötigen Reformprozess in Griechenland verquickt werden. Härte bei der Durchsetzung von Regeln ist hier wichtig.
Frage: Also stimmen sie dem Kurs von Finanzminister Schäuble zu?
LINDNER: Also, Herrn Schäuble traue ich keinen Meter über den Weg. Zwischen dem, was er sagt und fordert und dem, was tatsächlich eintrifft, besteht doch oft eine große Diskrepanz. Schauen Sie nur auf den Soli oder die Erbschaftssteuer. Und ich bin gespannt, ob er seinen markigen Worten von heute dann im Juni Taten folgen lässt, wenn es um das dritte Rettungspaket für Griechenland geht. Ich habe jedenfalls massive Zweifel.