22.08.2013FDPDatenschutz

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER-Interview für die "Augsburger Allgemeine"

Berlin. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Bundesjustizministerin SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER gab der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DANIEL WIRSCHING: Frage: Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla (CDU) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) haben die NSA-Spähaffäre für beendet erklärt. Sind die beiden naiv? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Die Affäre ist nicht beendet. Die Bundesregierung klärt weiter auf. Es müssen Konsequenzen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene aus der Spähaffäre gezogen werden. Frage: Ihr Kollege Friedrich hat sich bislang nicht gerade als Chef-Aufklärer erwiesen. Ärgern Sie sich über ihn? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir gehen fair miteinander um, aber ich sage eben, was meiner Ansicht nach gesagt werden muss. Frage: Warum sind Sie nicht in die USA geflogen, um mit den Amerikanern über den Vorwurf zu sprechen, die NSA würde deutsche Bürger ausspähen? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Hans-Peter Friedrich ist in einer schwierigen Situation nach Washington gereist und hat dort schwierige Gespräche geführt. Seien Sie sicher: Wir nehmen die Bedrohung unserer digitalen Kommunikation ernst. Frage: Die meisten Deutschen scheinen sich nicht sonderlich darüber aufzuregen. LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Man kann sich tatsächlich fragen, warum es keine Demonstrationen gibt. Auf der anderen Seite steigt die Nachfrage nach Verschlüsselungstechniken für E-Mails und viele Menschen gehen sensibler mit ihren Daten um. Frage: Das klingt nach Wunschdenken. Millionen Menschen vertrauen etwa Facebook privateste Dinge an. LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir sind doch gegenüber Facebook nicht machtlos. Dass Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner von der CSU ihre Facebook-Mitgliedschaft gekündigt hat, hat Facebook gewiss nicht beeindruckt. Das war Symbolpolitik. Aber wir können mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung wirklich etwas verändern. Wir können Facebook zum Beispiel klar vorschreiben, welche Datenschutzeinstellungen vorgenommen werden müssen. Und glauben Sie im Ernst, Facebook würde sich deshalb aus Deutschland zurückziehen? Frage: Wollen Sie Facebook das Fürchten lehren? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ich will eine gute Grundlage für mehr Rechtssicherheit im Internet schaffen. Ich will europaweit einheitliche Datenschutzstandards. Und da verfalle ich nicht in Fatalismus. Bis Ende April 2014 muss die europäische Datenschutz-Grundverordnung stehen. Frage: Sie wollen auch ein Anti-Doping-Gesetz. LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Effektiver als ein Gesetz ist es, wenn Sportlern, die dopen, Titel aberkannt werden und ihnen die Teilnahme an Wettkämpfen lange verboten wird. Das hat eine abschreckende Wirkung, das ist ganz wichtig. Frage: Sportfunktionäre sagen, es brauche kein generelles strafrechtliches Vorgehen gegen Doper, die Sportgerichtsbarkeit oder die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes genügten. LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Mit der Sportgerichtsbarkeit lässt sich viel erreichen, das stimmt. Doch Strafen in Sportgerichtsverfahren müssen zügig ausgesprochen werden. Das ist oft nicht der Fall. Frage: Der für Sport zuständige Innenminister Friedrich hat unserer Zeitung nun gesagt, er lehne ein Anti-Doping-Gesetz "nicht grundsätzlich ab", über Einzelheiten müsse man aber reden. Was halten Sie davon? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Na, dann soll er mir mal einen Vorschlag machen, er ist schließlich der Sportminister. Jetzt ist er am Zug. Danach werden wir darüber reden. Bislang war Friedrich ein vehementer Kämpfer gegen ein Anti-Doping-Gesetz. Frage: Wie Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Kritisieren Sie ihn nicht, weil er FDP-Mitglied ist? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Bach ist kein Politiker. Mich interessiert jetzt viel mehr, was Hans-Peter Friedrich von einem Anti- Doping-Gesetz hält. Frage: Kann es sein, dass Ihnen ein populäres Wahlkampfthema fehlt? Denn die Spähaffäre ist es nicht und das Anti- Doping-Gesetz ebenfalls nicht. Wie wäre es mit dem Betreuungsgeld? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir haben das Betreuungsgeld mitgetragen, auch wenn wir es ursprünglich nicht wollten. Es wäre unglaubwürdig, Wählern zu versprechen, dass die Koalition das Betreuungsgeld nach einem Wahlsieg zurücknehmen wird. Frage: Warum nehmen Sie sich nicht ein Beispiel an Bayerns CSU-Ministerpräsidenten Horst Seehofer? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Sie meinen, weil er gesagt hat, dass er keinen Koalitionsvertrag unterschreibt, in dem nicht die Pkw-Maut für ausländische Autofahrer steht? So etwas nehmen die Bürger doch nicht ernst. Die Bürger wissen, dass er damit in Koalitionsverhandlungen nicht durchkäme, weil europäisches Recht einzuhalten ist und damit durch die Hintertür die Pkw-Maut für alle käme. Frage: Die FDP wird also die Abschaffung des Betreuungsgeldes nicht zur Bedingung für eine Regierungskoalition machen? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Nein. Aber das Betreuungsgeld wird nicht nachgefragt. Man wird diese familienpolitische Leistung analysieren müssen. Frage: Der NSU-Untersuchungsausschuss legt heute seinen Abschlussbericht vor. Er hat die Morde des rechtsextremen Terror-Trios und das Versagen der Sicherheitsbehörden analysiert. Was erwarten Sie sich von dem Bericht? LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ich nehme diesen Bericht sehr ernst. Denn was da passiert ist in Deutschland, das ist einfach unvorstellbar. Egal, welche Regierung im Amt sein wird, sie wird die Empfehlungen der Abgeordneten in dem Abschlussbericht nicht übergehen können. Sie wird nicht zur Tagesordnung zurückkehren können.

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