LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER-Interview für das "Straubinger Tagblatt"
Berlin. Die stellvertretende Vorsitzende der FDP, Bundesjustizministerin SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER gab dem "Straubinger Tagblatt" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MARKUS PEHERSTORFER.
Frage: Frau Bundesministerin, der Bundestag hat kürzlich beschlossen, dass die Meldebehörden sämtliche Daten an Dritte weitergeben dürfen, ohne die betroffenen
Bürger zu fragen. Wie kann es sein, dass Abgeordnete der Bürgerrechtspartei FDP so etwas einfach abrücken?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Die Abgeordneten haben sich intensiv mit
dieser Frage befasst. Wir haben als Kabinett einen Regierungsentwurf in die
Beratungen eingebracht, der eine Einwilligungsregelung vorsah bei diesen
Melderegisterauskünften, die es ja heute in unterschiedlicher Rechtslage in den
Ländern gibt - alles mit einem bislang sehr niedrigen Datenschutzniveau. Von daher hätte ich mir gewünscht, es wäre beim Regierungsentwurf geblieben. Aber das ist ein Ergebnis, das vielleicht noch die Chance hat, eine Korrektur im Bundesrat zu erfahren.
Frage: Haben Sie den Kollegen bei der Landesgruppenklausur ins Gewissen geredet?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir haben uns gestern damit befasst. Der
Parlamentarische Staatssekretär Max Stadler und ich mussten da gar nichts sagen - es war allgemeine Haltung, dass es das Beste wäre, wenn der Regierungsentwurf am Ende im Bundesgesetzblatt steht. Wir sollten jetzt versuchen, im Bundesrat diese Einwilligungsregelung hinzubekommen.
Frage: Die Piratenpartei wird im Augenblick sehr viel stärker als Bürgerrechtspartei
wahrgenommen. Was macht die FDP falsch?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ich sehe die Piraten nicht als Bürgerrechtspartei.
Ich habe noch keine grundlegenden Positionen zum Datenschutz von ihnen gehört. Sie sind auch gegen die Vorratsdatenspeicherung, wollen aber das Urheberrecht am liebsten abschaffen. Es gibt unstreitig neuen Wettbewerb, auch für uns. Von daher ist es gut, dass wir auch ohne die Piraten etwa die Haltung haben, dass wir keine Internetsperren wollen. Dieser Wettbewerb kann unser Profil noch einmal schärfen.
Frage: Sie haben Ihrer Partei nach den Erfolgen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-
Westfalen empfohlen, künftig ohne Koalitionsaussage in Landtagswahlkämpfe zu ziehen. Wird sich Ihr eigener Landesverband in Bayern daran halten?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir werden uns hier unser eigenes Konzept
geben. Wir sind in einer Koalition, in der wir auch jetzt, ein Jahr vor Ablauf der Legislaturperiode, schon eine gute Bilanz vorzuweisen haben. Zuallererst werden wir in die Wahlauseinandersetzung mit unseren eigenständigen Positionen und Forderungen für die nächste Legislaturperiode gehen. Wenn es reicht, werden wir die Koalition fortsetzen. Aber wir werden uns nicht als eine Partei darstellen, die ausschließlich in
Koalitionsarithmetik denkt.
Frage: Wie geht es Ihnen in der Bundesregierung mit den Querschüssen von CSU-Chef
Horst Seehofer?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Horst Seehofer benennt manche Dinge sehr
klar und drastisch. Manchmal ist das auch geboten. Auf der anderen Seite müssen wir als Koalition in Berlin deutlich machen, dass die drei Parteien an einem Strang ziehen. Die Bürger wollen keine zerstrittene Koalition. Da können wir in den nächsten Jahren als
geschlossene Formation nach außen noch deutlich mehr an Zustimmung erreichen.
Frage: Glauben Sie wirklich, dass die Geschlossenheit zunimmt, wenn die Landtagswahl immer näher rückt?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Versuche, in Bayern eigenständig zu sein und in
Berlin permanent dagegen, gehen nicht auf. Da muss es auch wechselseitige
Rücksichtnahme geben. Die Wählerinnen und Wähler wollen Politiker, die mit Realismus für ihre Überzeugungen stehen. Gerade wenn wir als selbstbewusstes Bayern in Berlin etwas erreichen wollen, muss man klug verhandeln. Miteinander reden ist besser als
konfrontativ miteinander umzugehen.
Frage: Heißt bei der Bundestagswahl der FDP-Chef noch Philipp Rösler?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ja. Ich gehe davon aus. Wir haben jetzt eine
gewisse Konsolidierung durch die Erfolge bei den Landtagswahlen und beim Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung. Ich hoffe, dass wir bis zum Jahresende auch noch das eine oder andere Vorhaben in der Koalition voranbringen, zum Beispiel im Kampf gegen die kalte Progression oder die Praxisgebühr. Wenn wir so unser Profil schärfen,
haben wir eine gute Ausgangsposition auch für die Bundestagswahl.
Frage: Wenn es doch nichts werden sollte, gehen Sie dann zu den Piraten?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Nein. Ich werde die FDP nie verlassen. Ich bin aus
tiefster Überzeugung Liberale und nicht Piratin.