19.01.2015FDPBürgerrechte

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER-Gastbeitrag: Patriotismus statt Parolen

Berlin. Das FDP-Bundesvorstandsmitglied SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER schrieb für das „Handelsblatt“ (Montag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Die Solidarisierung vieler Regierungsvertreter in Paris war eine beeindruckende republikanische Demonstration für die Verteidigung der Freiheitsrechte, die konstitutiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung sind. Auch die Debatte im Deutschen Bundestag hat in ihrer Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit überzeugt.

Aber hinter diesen schönen Fassaden zeigen sich auch Risse: Internetzensur und Beschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei oder die Auspeitschung eines jungen Bloggers in Saudi-Arabien, der nichts weiter als seine Meinung frei geäußert hat, stehen beispielhaft für den klaren Widerspruch zum Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit in Paris.

Wer in Deutschland eine Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen verlangt, hat die „Je suis Charlie“-Rufe nicht verstanden. Die zahnlose Blasphemie-Strafbestimmung, die in Deutschland keinerlei Praxisbedeutung hat, ist überflüssig.

Das Bekenntnis, dass der Islam zu Deutschland gehört, ist in den letzten Tagen vielfach wiederholt worden. Das war richtig und angesichts der vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime auch nicht zu leugnen. Aber das Bekenntnis verlangt nach Taten und darf nicht zur inhaltsleeren Floskel werden.

Nur gemeinsam mit den Muslimen kann der Radikalisierung junger Männer, die den Islam pervertieren, und damit den Terrorgefahren begegnet werden. Für die strafrechtliche Repression gibt es seit der Antiterrorgesetzgebung nach 9 11 ein engmaschiges Sicherheitssystem in Deutschland. Über kleinere Nachjustierungen hinaus besteht kein Gesetzgebungsbedarf. Die ritualisierte Debatte um die anlasslose, flächendeckende Speicherung aller Telekommunikationsdaten auf Vorrat ist Aktionismus.

Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im letzten Jahr, die restriktiver als die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist, kann es eine anlass- und verdachtslose massenhafte pauschale Speicherung und Verwertung personenbezogener Daten nicht mehr geben. Das gilt für die Telekommunikationsdaten und genauso für Fluggastdaten.

Was neben der konsequenten Durchsetzung der bestehenden Gesetze auch mit mehr Polizisten gebraucht wird, ist eine effektive Präventionspolitik, die sich mit den vielfältigen Ursachen der Radikalisierung und Bereitschaft zur unvorstellbaren Brutalität befasst. Dazu gehören selbstverständlich leistungsfähige, personell und finanziell entsprechend ausgestattete Exit-Programme.

Aber wir brauchen auch und nicht zuletzt ein Zusammenhalt stiftendes Gerüst in unserer Gesellschaft, an dem unbeschadet ihrer Religion, ihrer ethischen Herkunft, ihres sozialen Status und politischen Standorts alle Bürgerinnen und Bürger Halt finden können. Es ist die Stunde eines gelebten Verfassungspatriotismus und nicht die dumpfer, völkisch-nationalistischer Parolen. Verfassungspatriotismus muss Bildungsziel sein, um die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ihren Institutionen zugrunde liegenden Wertentscheidungen vermitteln zu können und begreifbar zu machen.

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