LAMBSDORFF-Interview für „Radio Eins“
Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab „Radio Eins“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellten Stefan Rupp und Christoph Azone:
Frage: Die Krim ist nicht originär ukrainisch. Nur unter starkem politischen Druck hat man in den 90er Jahren eine separatistische Volksabstimmung abgewandt, weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung auf der Krim sind Russen. Ist Russlands Durchsetzung seiner Interessen auf der Krim nicht in gewisser Weise legitim?
LAMBSDORFF: Nein, das ist sie gar nicht. Wir haben nach dem Ende des Kalten Krieges ein Abkommen unterzeichnet, die sogenannte Charta von Paris. Und da steht ganz klar drin, dass jedes Land Recht darauf hat, dass sein Territorium unverletzt bleibt. Und 1994 hat Russland sogar zugesagt, die Ukraine zu beschützen. Da hat nämlich das Land seine verbleibenden Atomwaffen abgegeben und hat sich unter den Schutz Russlands, Amerikas und Englands gestellt. Also mit anderen Worten: Das geht gar nicht, was Russland hier tut. Das ist eindeutig völkerrechtswidrig.
Frage: Die Ukraine hat die NATO um Hilfe gebeten. Die NATO-Botschafter sind gestern Nachmittag auch zu einer Sondersitzung in Brüssel zusammengekommen. Aber, Herr Lambsdorff, wie will man hier eingreifen, ohne die ganze Welt in Brand zu stecken?
LAMBSDORFF: Also ich glaube, was es nicht geben kann, ist jetzt eine Militärmission, um dort der Ukraine zu helfen und gegen Russland irgendwie einen Kampf zu eröffnen. Das wäre ein Krieg in Europa, das kann niemand wollen. Aber Putin behauptet ja, es geht ihm um den Schutz der Russen auf der Krim. Und wenn das wirklich so ist, dann finde ich, kann man schon sagen, man muss eine internationale Beobachtertruppe entsenden. Zum Beispiel Blauhelme von den Vereinten Nationen, um die Ukrainer und die Russen zu trennen. Oder eine Mission der OSZE, der Organisation, die Hans-Dietrich Genscher mal erfunden hat. Das sind alles Dinge, die wir machen können, wofür wir auch die Instrumente haben. Und wenn Putin es wirklich ernst meint, dass es ihm um den Schutz der Minderheit geht, dann kann er sich eigentlich darauf nur einlassen.
Frage: Die Vorbereitungen zum G8-Gipfel in Sotchi sind abgebrochen worden, das macht in Moskau vermutlich eher wenig Eindruck. Wie kann die EU oder wie kann speziell Deutschland Russland dann begegnen, ohne dass man sich selbst eine Klatsche einfängt? Man kennt ja die Mechanismen, man verhängt eine Sanktion und kriegt sofort von der Gegenseite eine Gegensanktion angehängt.
LAMBSDORFF: Genau, deswegen finde ich Sanktionen zum jetzigen Zeitpunkt auch falsch. Wir haben heute das Treffen der europäischen Außenminister, die müssen ganz klar das tun, was ich hier auch gerade gesagt habe, nämlich das Ganze brandmarken als ein völkerrechtswidriges Vorgehen. Sie müssen dann, wie ich finde, das tun, was nötig ist, um Putin entgegenzukommen. Oder aber eben seinen Bluff zu entlarven. Anbieten, eine Beobachtertruppe zu entsenden, Blauhelme. Und sie müssen deutlich machen, es wird einen Gesprächsfaden auch weiterhin geben, aber wir lassen nicht alles mit uns machen. Nach Olympia in Sotchi kann man jetzt nicht auch noch G8 in Sotchi machen und so tun, als ob nichts war. Insofern, die Entscheidung, die Vorbereitungen für Sotchi im Juni abzubrechen, die finde ich richtig. Dennoch, das Angebot miteinander zu reden, das muss bleiben.
Frage: Wen haben Sie im Auge, wer die Verhandlungen mit Russland, mit Putin führen sollte, ohne sofort von einer von beiden Seiten diskreditiert zu sein?
LAMBSDORFF: Na, da gibt es verschiedene Möglichkeit. Das eine, das könnten die Vereinten Nationen sein, der Generalsekretär Ban Ki-moon. Das könnte aber auch die Europäische Außenministerin sein, Catherine Ashton. Das kann ein von Europa beauftragter Außenminister sein, William Hague, der Engländer oder auch Frank-Walter Steinmeier, der Deutsche. Da gibt es verschiedene Möglichkeit, wie man mit den Russen redet, es ist ja nicht so, als ob wir nicht die Telefonnummern in Moskau hätten, bei denen man anrufen könnte. Das geht schon. Also da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wichtig ist, der Gesprächsfaden darf nicht abreißen, aber es muss ganz klar sein, das, was die Russen hier tun, das geht gar nicht.