31.01.2014FDPEuropapolitik

LAMBSDORFF-Interview für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Nikolas Busse:

Frage: Herr Lambsdorff, sind Sie die letzte Hoffnung der FDP?

LAMBSDORFF: Die Hoffnung der FDP ruht nicht auf einzelnen Personen, sondern auf einem gelungenen Neustart, einem neuen Führungsteam und einem neuen Auftreten. Ich will mit meiner Kandidatur einen Beitrag dazu leisten.

Frage: Wie wichtig ist es für die FDP, dass sie bei der Europawahl nicht nur über die neue Drei-Prozent-Hürde kommt, sondern mehr als fünf Prozent schafft?

LAMBSDORFF: Vier Monate vor der Wahl Zahlen zu nennen, wäre nicht seriös. Wir werden alles dafür tun, so viele Abgeordnete wie möglich zu haben. Die FDP im Europaparlament ist heute die einzige parlamentarische Organisation des deutschen Liberalismus, die oberhalb der Landesebene operiert und dabei viel Verbindung zu bundespolitischen Themen hat.

Frage: Bei der Bundestagswahl haben Sie viele Wähler an die AfD verloren. Wie wollen Sie die wieder zurückgewinnen?

LAMBSDORFF: Wir haben 400000 Wählerstimmen an die AfD verloren, zwei Millionen an die Union und sogar 500000 an die SPD. Die allermeisten sind also nicht in die Richtung einer national-alternativen Protestbewegung entschwunden, sondern in die politische Mitte der Bundesrepublik. Deswegen werden wir Politik aus der Mitte machen und nicht auf den rechten Rand schielen. Wir stehen zu Europa, aber das macht uns in keiner Weise blind für die Mängel der EU, wie wir sie heute haben.

Frage: Die Euro-Rettungspolitik haben Sie bisher weitgehend unterstützt. Sollte sie in der nächsten Legislaturperiode fortgeführt werden?

LAMBSDORFF: Es war richtig, die Stabilisierungspolitik mitzutragen, so schmerzhaft das aus ordnungspolitischer Sicht manchmal auch war. Allerdings stellen wir jetzt fest, dass die Große Koalition von diesem Stabilitätskurs abweicht. Die direkte Finanzierung von Banken durch den ESM entspricht nicht unserer Vorstellung davon, zur Eigenverantwortung zurückzukehren.

Frage: Aber das ist doch beschlossen worden, als Sie noch in der Bundesregierung waren.

LAMBSDORFF: Das ist von Wolfgang Schäuble im Finanzministerrat aufs Gleis gesetzt worden, die Bundestagsfraktion der FDP hat darüber nicht abgestimmt. Aus der FDP gab es genau gegen diesen Punkt schon damals heftige Einwände. Wir sind der Meinung, dass Steuerzahler und Sparer nicht immer wieder für die Banken haften sollen. Auch die Rentenbeschlüsse der Koalition verlassen den Stabilisierungskurs. Sie untergraben die deutsche Glaubwürdigkeit in Europa, denn wenn wir unsolide werden, dann ist der Anreiz für alle anderen umso größer, sich auch zurückzulehnen.

Frage: Sollte die EU in Zukunft mehr oder weniger Kompetenzen haben?

LAMBSDORFF: Zuständigkeiten, die sich auf europäischer Ebene nicht als sinnvoll erweisen, sollten auch wieder zurückverlagert werden können. Anders als die Populisten sehen wir darin aber kein Trojanisches Pferd zur Rückabwicklung der EU. Auf den Feldern, wo Europa gemeinsam handeln soll, braucht es dann auch mehr Kompetenzen. In der Energiepolitik zittern wegen des aktuellen Beihilfeverfahrens Hunderte von mittelständischen Unternehmen in Deutschland um ihre Existenz, weil die Ausnahmen, die sie nach dem EEG erhalten haben, von der Kommission als fragwürdig eingestuft werden. Das ist in anderen Ländern ähnlich. Hier haben wir nationale planwirtschaftliche Fördersysteme statt eines einheitlichen europäischen Systems, das auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen beruht.

Frage: Welche Zuständigkeiten könnte man zurückverlangen?

LAMBSDORFF: Tourismus oder Sport sind nicht unbedingt Felder, auf der sich die EU bewegen muss. Aber das zentrale Thema ist die Sozialpolitik. Wenn wir versuchen würden, einheitliche Sozialstandards von Lappland bis Kalabrien zu schaffen, dann würden wir scheitern. Nach dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sollen europaweite Standards für Mindestlöhne eingeführt werden und, noch wichtiger, die Sozialpolitik soll denselben Stellenwert erhalten wie die Freiheiten des Binnenmarktes. Das ist ein Rezept zur vollständigen Zentralisierung der EU, das wird die FDP nicht mitmachen.

Frage: Sollten wirklich alle EU-Länder den Euro haben?

LAMBSDORFF: Rechtlich sind alle Mitgliedstaaten bis auf Großbritannien und Dänemark verpflichtet, den Euro einzuführen. Wirtschaftlich ergibt das aber nur Sinn, wenn die Konvergenz so groß ist, dass die Währungsunion nicht in Gefahr gerät. Ich meine, dass die Länder selbst entscheiden sollten, ob und wann sie das tun. Die FDP schlägt außerdem vor, dass Länder aus dem Euroraum auch wieder austreten können, ohne zugleich die EU-Mitgliedschaft zu verlieren. Das ist bisher nicht möglich und das ist falsch. Unser Vorschlag ist ein praktikabler Ansatz, anders als Rausschmissdiskussionen oder eine ungeordnete Auflösung der Währungsunion, wie sie von der AfD gefordert wird.

Frage: Die liberale Parteienfamilie hat den früheren belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt zum Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten ernannt. Würden Sie diesen Superföderalisten wirklich wählen?

LAMBSDORFF: Moment, wir treten mit einer Doppelspitze an, zu der auch Währungskommissar Olli Rehn gehört. Ich schätze Verhofstadt sehr, aber er steht für einen romantischen Föderalismus, der am liebsten morgen schon die EU in einen Bundesstaat verwandeln würde. Rehn steht für eine pragmatische Integration, die Schritt für Schritt vonstatten geht. Das hat sich in der Vergangenheit als erfolgreicher erwiesen, das ist auch der Ansatz der FDP.

 

 

 

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