29.04.2014FDPFDP

LAMBSDORFF-Interview für den „Weser Kurier“

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „Weser Kurier“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte NORBERT PFEIFER:

Frage: Auf den Wahlplakaten fordern Sie weniger Regeln in Europa. Aber alle Parteien wollen die Brüsseler Regulierungswut bekämpfen. Wie kann sich die FDP hier von den Mitbewerbern abheben?

LAMBSDORFF: Ja, es stimmt, jetzt reden alle von weniger Bürokratie, aber mit dem realen Abstimmungsverhalten hat das oft wenig zu tun. SPD und Grüne haben für das Glühbirnenverbot gestimmt. Sie haben für die Ökodesign-Richtlinie gestimmt, mit der der Stromverbrauch etwa von Kaffeemaschinen und Staubsaugern viel zu stark geregelt werden soll. Wir sagen: Der mündige Bürger kann selbst entscheiden, wann er sich ein wirtschaftlicheres Gerät anschafft und damit Geld spart. In dieser Sache ist die FDP viel klarer als die anderen Parteien.

Frage: Stimmt das Urteil von der ausufernden Bürokratie überhaupt? Immer wieder muss dafür die normierte Krümmung der Gurke als Beispiel herhalten, dabei gibt es diese Vorschrift schon viele Jahre nicht mehr.

LAMBSDORFF: Sicher, es stimmt nur teilweise. Viele reden gerade vom Olivenölkännchen, ohne zu sagen, dass diese Regulierung vom Europaparlament abgelehnt wurde. Weil wir dem Gastwirt nicht vorschreiben wollen, wie er das Olivenöl seinen Gästen präsentiert – ob im Gläschen oder Kännchen. Da konnten wir Bürokratie verhindern. Aber es gibt natürlich die negativen Beispiele, wie die Ökodesign-Richtlinie. Die muss weg – das fordert nur die FDP –, weil diese übertriebene Regulierung die Menschen nervt.

Frage: Nach Umfragen wird den rechtspopulistischen und antieuropäischen Parteien ein großer Zuwachs prognostiziert. Sie sprechen aber auch viele Vorbehalte an, die es in der Bevölkerung gibt. Wie wollen Sie dem begegnen?

LAMBSDORFF: Indem wir sie entlarven. Wir haben den Euro stabilisiert, aber die AfD schwadroniert weiter von der Auflösung der Eurozone. In der Ukraine gibt es einen großen Konflikt. Uns wird hier noch mal deutlich, wie wichtig es ist, in einer Union zu sein, in der man mit Freunden und Partnern zusammenarbeitet. Wer die Rückabwicklung der EU verlangt – und das tut die AfD, wenn man in ihr Programm schaut –, legt die Axt an die Wurzel von Frieden und Wohlstand bei uns in Deutschland.

Frage: Stört es Sie nicht, dass die FDP mit Frank Schäffler selbst einen sehr europaskeptischen Politiker in ihren Reihen hat?

LAMBSDORFF: Wir sind eine liberale Partei, und es gibt ein breites Meinungsspektrum. Wir haben ein Europawahlprogramm verabschiedet, das sich ganz eindeutig zur Europäischen Union bekennt und das klar sagt, wir wollen die Stabilisierung des Euro. Insofern ist diese Debatte bei uns vorbei.

Frage: Will die FDP mehr oder weniger Europa?

LAMBSDORFF: Europa ist nicht Aufschnitt, wo man mal 100 Gramm mehr oder 200 Gramm weniger nimmt. Wir sagen Ja zu mehr Europa, wenn es den Menschen etwas bringt. Ich nenne den gemeinsamen Energiemarkt, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Aber wir wollen weniger Europa dort, wo es nicht nötig ist, also zum Beispiel bei den eben erwähnten Detailregelungen.

Frage: Wer ist der Hauptgegner der FDP im Wahlkampf?

LAMBSDORFF: Eindeutig die Große Koalition. Durch die rentenpolitischen Beschlüsse der neuen Regierung geht Deutschland den Weg in die Verantwortungslosigkeit. Damit einher geht der Verlust der deutschen Glaubwürdigkeit. In der Vergangenheit haben wir Wasser gepredigt, aber auch getrunken, weil wir schwierige Reformen durchgeboxt haben, etwa die Agenda 2010. Jetzt predigen wir Wasser, aber saufen Wein – Stichwort Rente mit 63. Da sagen die anderen Länder: Warum sollen wir uns anstrengen, wenn ihr euch in die Hängematte legt?

Frage: Was ist das Ziel für den 25. Mai?

LAMBSDORFF: Ich nenne keine Zahl, das wäre unseriös. Die Wahl erfolgt für uns in einem neuen Umfeld. Wir sind nicht mehr im Bundestag vertreten. Wir setzen daher auf unsere starken Landtagsfraktionen und auf unsere Gruppe im Europäischen Parlament.

Frage: FDP-Vize Wolfgang Kubicki ist da weniger vorsichtig und will mindestens fünf Prozent erreichen.

LAMBSDORFF: Herr Kubicki hat da eine Meinung, das ist sein gutes Recht. Ich nenne keine Zahl, wir kämpfen für ein gutes Ergebnis. Wir wissen aber auch: In den letzten Jahren haben wir viel Glaubwürdigkeit verloren, wir müssen uns diese Glaubwürdigkeit erst wieder langsam erarbeiten. Das braucht Zeit.

Frage: Sie sind ein Politiker der leisen und moderaten Töne. Muss man im Wahlkampf nicht eher als Marktschreier auftreten, um sich Gehör zu verschaffen?

LAMBSDORFF: Ja und nein. Natürlich gehört zum Wahlkampf die Zuspitzung. Wir werden deutlich machen, wofür wir stehen: Für ein starkes Europa und gegen eine nationalistische Rolle rückwärts, für einen marktwirtschaftlichen Stabilisierungskurs beim Euro, der ohne Eurobonds, also ohne Vergemeinschaftung von Schulden, auskommt. Auf der anderen Seite ist aber auch klar: Die FDP hat in den letzten Jahren viel zu oft Lautstärke produziert, ohne dass dahinter genug Substanz steckte. Das ist bei den Menschen nicht gut angekommen, deswegen müssen wir auch erst einmal wieder Kompetenz und Seriosität entwickeln und dann glaubwürdig vertreten.

Frage: In Umfragen sind Sie vielen Menschen nicht bekannt. Wie wollen Sie das in den restlichen knapp vier Wochen ändern?

LAMBSDORFF: Für viele Bürger ist die Europawahl erst mit der Rückkehr aus den Osterferien am Horizont aufgetaucht. Ich bin ganz sicher, dass es im Europawahlkampf gelingen wird, sowohl mich selber als auch unsere Positionen bekannter zu machen. Das fällt in der heißen Wahlkampfphase immer leichter.

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