15.02.2016FDPAsylpolitik

LAMBSDORFF-Interview: Die deutsche Bundeskanzlerin ist isoliert

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „Nordwestradio“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte TOM GROTE:

Frage: Also klingt, als wäre die deutsche Kanzlerin mit ihrer Haltung zu Flüchtlingen gerade sehr, sehr einsam, oder?

LAMBSDORFF: Das klingt nicht nur so. Man muss es leider feststellen: die deutsche Bundeskanzlerin ist isoliert in Europa. Nicht nur im Westen, wo der französische Premierminister genau das gesagt, was Sie gerade berichtet haben, also nur 30.000 noch aufzunehmen. Heute treffen sich ja auch die Länder in Osteuropa und wollen eine andere Politik. Also mit anderen Worten: Frau Merkel hat Deutschland in die Isolation geführt.

Frage: Nur weil man isoliert ist, heißt das noch lange nicht, man tut etwas Falsches, oder?

LAMBSDORFF: Naja, man ist natürlich darauf angewiesen, Erfolge zu erzielen. Und für Erfolge in Europa braucht es Partner. Ein Erfolg wäre eine gemeinsame europäische Lösung. Aber die anderen Europäer sagen: Frau Merkel hat die Grenzen nach Deutschland aufgerissen, ohne vorher zu fragen. Hinterher hat sie dann angerufen und um Solidarität gebeten. Da sagen dann die anderen Europäer: So kann es nicht gehen. Deutsche Führung in Europa schön und gut. Aber nicht eine Führung, bei der man alleine voranprescht und dann den anderen befiehlt, zu folgen. So funktioniert Europa nicht. Und diese Europapolitik, die aus Berlin von der Großen Koalition da gemacht wird, die ist eben nicht erfolgreich.

Frage: Wie würde denn Europa wieder funktionieren jetzt?

LAMBSDORFF: Ich glaube, es kann jetzt, wenn es über das Knie gebrochen wird, schnell nicht funktionieren. Ich bin ein Optimist, aber im Moment bin ich auch wirklich skeptisch. Es gibt Elemente, die zu einer europäischen Lösung gehören, wie zum Beispiel ein europäischer Grenzschutz, den Vorschlag gibt es seit 15 Jahren. Es gibt die Möglichkeit, ein gemeinsames europäisches Asyl- und Migrationsrecht zu machen, auch mit einem Verteilungsschlüssel. Das hätte man alles schon längst aufs Gleis setzten können, das ist eine Forderung aus dem Europäischen Parlament, parteiübergreifend, wir als Liberale sind da auch dafür. Das ist seit vielen Jahren von den Mitgliedstaaten, auch von Deutschland, immer wieder abgelehnt worden. Es gibt also eine ganze Reihe von Elementen, die man hätte machen können und die man nach wie vor machen sollte. Aber, wenn man’s mitten in der Krise versucht übers Knie zu brechen, solche schwierigen und weitreichenden Entscheidungen, dann ist man eben mit Menschen konfrontiert, die man davon noch nicht überzeugt hat und die greifen dann zum Instrument der Grenzschließung oder der Kontingentierung, und das wird dann schwierig.

Frage: Aber wir beide wissen doch auch, Graf Lambsdorff, Grenzen zu und Grenzschutz alleine, das wird das Problem nicht lösen.

LAMBSDORFF: Natürlich, Sie haben völlig recht Herr Grote. Die globale Migrationskrise mit 60 Millionen auf der Flucht ist alleine durch geschlossen Grenzen nicht zu lösen. Aber natürlich ist die Kontrolle von Außengrenzen Teil der Ausübung von Staatsgewalt, auch das gehört zur Wahrheit dazu. Und die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben natürlich, wenn sie die Reisefreiheit im inneren erhalten wollen, einen Auftrag, die Außengrenzen zu schließen. Und hier muss man es leider so hart sagen, versagt Griechenland bei der Sicherung seiner Grenze. Fünf Registrierungszentren, sogenannte Hotspots, sollte Griechenland einrichten, dazu hat es sich verpflichtet. Einer funktioniert gerade einmal. Aber Griechenland weigert sich, sich helfen zu lassen von den anderen Staaten, und dann sagen eben die Ungarn, die Slowaken, die Tschechen: naja, wenn die Leute dann alle über den Balkan kommen, weil die Griechen es nicht schaffen, dann ist das etwas, was wir nicht einfach so mitmachen. Insofern, es wird alleine nicht ausreichen, aber es ist auf der anderen Seite auch nicht zu vermeiden.

Frage: Sie haben es schon angekündigt, in Prag treffen sich heute eben die Vertreter eben Osteuropas, die sogenannten Visegrad-Staaten. Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen sind dabei, um sich eben auf den Gipfel am Donnerstag vorzubereiten. Täte Deutschland gut daran, derer Politik zu folgen?

LAMBSDORFF: Ich glaube was die Visegrad-Staaten hier diskutieren ist nur zweitbeste Lösung. Und zwar ist das die Abriegelung der mazedonisch-griechischen Grenze, also, wenn man es auf der Landkarte anschaut, der griechischen Nordgrenze. Damit wird Griechenland faktisch aus der Schengenzone ausgeschlossen. Das ist eine sehr, sehr harte Entscheidung. Wir als liberale Fraktion im Europäischen Parlament haben gesagt, es ist sinnvoller es mit den Griechen zu lösen, aber man muss dann auch feststellen, wenn Griechenland sich nicht helfen lassen will, dann provoziert es solche Reaktionen wie die der Visegrad-Staaten, also den faktischen Ausschluss aus der Schengenzone. Das ist, wie gesagt, alles nicht erfreulich, aber es ist die Folge einer deutschen Politik, die uns in Europa isoliert hat und dann zu solchen doch ziemlich dramatischen Schritten führt.

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