21.10.2017FDPFDP

LAMBSDORFF-Interview: Beim Euro müssen sich die Grünen bewegen

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Tobias Schmidt:

Frage: Gestern ging es erstmals in großer Runde zur Sache. Ist die Aufnahme von Koalitionsverhandlung jetzt schon so gut wie abgemacht?

Lambsdorff: Nein. Die Sondierungen gehen jetzt erst richtig los, und der Ausgang bleibt völlig offen.

Frage: Ganz oben auf der Agenda standen die Finanzen, Haushalt und Steuern. Was sind die Ziele der FDP?

Lambsdorff: Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger endlich auch einmal entlasten. 27 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es allerhöchste Zeit, den Soli abzuschaffen. Und wenn wir die Stromsteuer senken, helfen wir vor allem Beziehern niedrigerer Einkommen.

Frage: Das gebrochene Steuersenkungsversprechen hat der FDP in ihrer letzten Regierungszeit das Genick gebrochen. Welche Lehre hat die Partei daraus gezogen?

Lambsdorff: Keine Partei ist für die Nichterfüllung eines Wahlversprechens so hart bestraft worden wie die FDP im Jahr 2013. Deswegen werden wir in eine neue Regierung nur eintreten, wenn wir diesmal unsere Versprechen gegenüber unseren fünf Millionen Wählerinnen und Wählern absehbar erfüllen können. Der Soli muss weg, die Funklöcher im Handy-Netz müssen geschlossen, die Einwanderung gesetzlich kontrolliert und die Schulen renoviert werden.

Frage: Und dafür beansprucht die FDP das Finanzministerium?

Lambsdorff: Einspruch! Ob die Grünen, die CSU oder wir den nächsten Finanzminister stellen, ist weniger wichtig, als dass es eine neue Finanzpolitik gibt. Das Finanzministerium regiert über den Haushalt in alle anderen Ministerien mit hinein. Es hat sich nicht bewährt, dass Kanzleramt und Finanzministerium in der Hand einer Partei sind.

Frage: Heftigen Streit gibt es über den Euro. Die Forderung der FDP nach einer Insolvenzordnung für Staaten sehen die Grünen als Attacke gegen die Gemeinschaftswährung.

Lambsdorff: Für den Fall, dass ein Land pleite ist und einen Schuldenschnitt braucht, müssen die privaten Gläubiger herangezogen werden. Wo ist da das Problem? Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und finanzpolitischen Stabilität. Hier erwarte ich, dass die Grünen sich bewegen.

Frage: Beim Streit über den Familiennachzug für Flüchtlinge haben sich CSU und Grüne verkeilt. Kann die FDP eine Brücke bauen?

Lambsdorff: Der Familiennachzug ist eines der schwierigsten Themen, eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Die übertrieben romantischen Vorstellungen der Grünen in der Flüchtlingspolitik sind genauso wenig zielführend wie die Totalabschottung, die von Teilen der CSU propagiert wird. Hier müssen sich beide Seiten bewegen.

Frage: Nach den Verzögerungen will die Union nun Mitte Dezember einen Koalitionsvertrag. Muss es so schnell gehen?

Lambsdorff: Die FDP hat keinen Zeitdruck. Wenn die Union am 17. oder 18. Dezember beklagt, wir seien noch nicht weit genug, werden wir damit leben können. Für die Liberalen ist entscheidend, dass Deutschland in den kommenden vier Jahren vorangebracht werden kann. Uns geht es nicht um die Frage, ob wir Mitte Dezember oder Mitte Januar den Koalitionsvertrag unterschreiben, sondern was wir bis 2021 erreichen können.

Frage: Der EU-Gipfel hat eine Kürzung der Beitrittshilfen für Ankara beschlossen, aber weitere drei Milliarden Euro für den Flüchtlingsdeal angeboten. Ist das glaubwürdig?

Lambsdorff: Das ist jedenfalls keine klare Linie. Die FDP pocht auf einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Wir erwarten, dass sich eine neue Bundesregierung genau dafür energisch in Brüssel einsetzt.

Frage: Im TV-Duell hatte die Kanzlerin genau das angekündigt.

Lambsdorff: Das war ein Tiefpunkt der außenpolitischen Kultur Deutschlands. Martin Schulz hat die Kanzlerin überrumpelt. Frau Merkel hat dann zum ersten Mal seit Jahren die offizielle Position der CDU eingenommen, nämlich, dass die Türkei nicht in die EU gehört, eine Kehrtwende in Sekunden. Dann ist darauf nichts gefolgt. Das wollen wir ändern. 86 Prozent der Bevölkerung wollen wie die FDP die Verhandlungen beenden.

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