20.03.2015FDPEuropa

LAMBSDORFF-Gastbeitrag: Zukunft statt Vergangenheit

Berlin. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF schrieb für die „Welt“ (Freitag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Prominente Vertreter von SPD und Grünen irrlichtern in diesen Tagen durch die Diskussion um Entschädigungsansprüche für die deutsche Kriegsschuld. Tatsächlich gehen sie dabei vollkommen haltlosen Forderungen der griechischen Links-rechts-Regierung auf den Leim. Dass selbst Gesine Schwan in diesen Tenor einstimmt, die sich besonders um die Völkerverständigung verdient gemacht hat, zeigt das ganze Ausmaß der Verirrung.

Die Forderung nach Reparationen wird ja nicht zum ersten Mal in Athen hochgekocht. Schon vor 15 Jahren verurteilte ein griechisches Landgericht die Bundesrepublik zu Entschädigungszahlungen in Höhe von 55 Millionen DM. Die rot-grüne Bundesregierung wies das damals in aller Klarheit zurück. Als Griechenland schließlich mit der Beschlagnahmung deutschen Staatseigentums wie des Goethe-Instituts in Athen drohte, legte Deutschland Rechtsmittel ein. Das war richtig so, denn während die historische und moralische Aufarbeitung vergangenen Unrechts nicht enden kann und soll, muss es die juristische und finanzielle sehr wohl. Die heutige Generation junger Deutscher muss die deutsche Geschichte kennen, sie auch als handlungsleitend anerkennen – für Nazi-Verbrechen zahlen muss sie hingegen nicht mehr.

Fest steht: Keines der in Griechenland ergangenen zivilgerichtlichen Urteile gegen Deutschland wegen des Handelns deutscher Streitkräfte in Griechenland im Zweiten Weltkrieg war rechtmäßig. Das wurde nicht nur durch das griechische Verfassungsgericht, sondern auch durch den Internationalen Gerichtshof bestätigt. Wer in diesem Zusammenhang von juristischen Winkelzügen spricht, liegt nicht nur sachlich falsch, sondern beleidigt diese beiden höchsten Gerichte gleich mit. Und auch der gern zitierte Vergleich zur Zwangsarbeiter-Stiftung ist irreführend – denn der Anstoß zur Gründung der Stiftung war nicht etwa der Anspruch von ehemaligen Zwangsarbeitern gegenüber der Bundesrepublik, sondern gegenüber einer Reihe von Privatunternehmen.

Das ist ein wichtiger Unterschied, denn diese hatten eben gerade keine abschließende Regelung mit den Opfern der NS-Zwangsherrschaft ausgearbeitet, von deren Arbeitsleistung sie damals profitierten. Wer diesen Vergleich jetzt also mit der aktuellen Diskussion um Reparationsforderungen gegenüber einem Staat vermischt, irrt entweder oder will die Debatte bewusst in eine falsche Bahn lenken.

Wenn Athen konsequent wäre, müsste es Reparationsforderungen übrigens auch an Italien und Bulgarien richten, die sich an der Besatzung beteiligten. Das tut die griechische Regierung aber nicht, denn es erschiene im Europa des beginnenden 21. Jahrhunderts nachgerade absurd. Seit dem Beitritt Griechenlands zur damaligen EG hat das Land Transferzahlungen aus dem EU-Haushalt in Milliardenhöhe erhalten. Allein der deutsche Anteil daran beträgt 180 Milliarden Euro, ein hohes Vielfaches dessen, was im Zusammenhang mit dem jetzt erneut hervorgekramten Zwangskredit jemals zu erwarten gewesen wäre. Das Projekt der europäischen Einigung dient dem Frieden auf unserem Kontinent, auch und gerade durch die umständlich so genannte „interregionale Solidarität“, an der es in den letzten Jahrzehnten gerade Griechenland gegenüber niemand hat fehlen lassen.

In Europa sind nach dem Zweiten Weltkrieg alle zwischenstaatlichen Fragen abschließend geregelt worden, die mit den Kriegsfolgen zusammenhängen, zuletzt mit dem auch von Athen anerkannten Zwei-plus-Vier-Vertrag. Ein Vierteljahrhundert später wieder Reparationsforderungen auf den Tisch zu bringen, leugnet Ziel und Charakter der europäischen Integration.

Anstatt wie SPD und Grüne populistische Forderungen nach Reparationszahlungen aufzugreifen, sollten wir lieber darüber diskutieren, wie wir die deutsch-griechischen Beziehungen verbessern können und die Besatzungszeit sinnvoll aufarbeiten können – denn hier besteht sicher noch Verbesserungsbedarf. Über zukunftsgerichtete Maßnahmen, wie zum Beispiel die Errichtung einer internationalen Begegnungsstätte auf Kreta oder die Gründung einer Stiftung, die sich der Erinnerungskultur in beiden Ländern widmet, kann man diskutieren.

Wir alle aber werden keinen Erfolg haben, wenn wir die Schlachten der Vergangenheit schlagen, sondern nur, wenn wir den Kampf um die Zukunft aufnehmen. Das gilt für Europa, das gilt aber auch für Griechenland.

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