22.04.2014FDPAußenpolitik

LAMBSDORFF-Gastbeitrag für den „Focus“

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF schrieb für den „Focus“ (aktuelle Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Im Internet ist die Sache klar: Bald gibt es bei Rewe oder Edeka nur noch „Chlorhühnchen“ und „Hormonfleisch“ zu kaufen. Unsere Stromanbieter bohren in deutschen Gärten nach Schiefergas. Verschlagene US-Großkonzerne verklagen die Bundesrepublik auf Milliardensummen. Und all dies wird vollkommen intransparent in Hinterzimmern des Weißen Hauses ausgekungelt. Woher rühren diese Ressentiments? Was ist das für eine Kampagne? Woher stammt der stramme Gegenwind für den Freihandel mit Amerika in Deutschland? Offenbar schaukelt sich hier eine Mischung aus verstecktem Protektionismus, überholtem Status-quo-Denken und gedankenlosem Antiamerikanismus zu einer strammen Linkskampagne auf. Bedient wird vor allem die „German Angst“ vor dem kalten Kapitalismus aus Chicago. Fakten spielen keine Rolle.

Die Gegner des Freihandelsabkommens der EU mit den USA setzen enorme Wachstumspotentiale für unsere Wirtschaft aufs Spiel - und die Schaffung von Hunderttausenden Arbeitsplätzen. Im wirtschaftsstarken Deutschland mag dies im Moment nicht so wichtig erscheinen. Unsere Nachbarn in Spanien oder Griechenland sehen dies aber ganz anders. Umso erstaunlicher ist daher vor allem der Widerstand von Grünen und SPD. Gerade die Parteien, die bei jeder Gelegenheit hohe Jugendarbeitslosigkeit und geringe Wachstumsraten in Südeuropa beklagen, verweigern sich aus ideologischen Gründen einer konstruktiven Debatte über TTIP. Dass nun auch die AfD dagegen agitiert, entlarvt sie endgültig als wirtschaftspolitische Geisterfahrerpartei.

Dabei würden die Anerkennung von Produktstandards, reduzierte Testgebühren, die Erleichterung von Zollerklärungen und das Anwachsen von Investitionen mit Sicherheit nicht zu Ekelfleischimporten führen - dafür aber garantiert zu mehr Exporten von Kraftfahrzeugen, Maschinen, Lebensmitteln und vielen anderen Produkten aus Europa. Wer in den USA schon einmal versucht hat, europäischen Schinken oder Käse zu kaufen, versteht den praktischen Nutzen des Freihandelsabkommens. Die Preise sind astronomisch, kaum ein Normalbürger kann sie sich leisten.

Dennoch wird die Debatte zurzeit von knallharter Agitation und gefährlichem Halbwissen dominiert. Gegner des Abkommens behaupten immer und immer wieder, dass die Verhandlungen geheim geführt werden. Tatsächlich werden die Vertreter der Zivilgesellschaft genau wie die der Wirtschaft jedoch vor und nach jeder Verhandlungsrunde eingehend von den Chefunterhändlern informiert. Europaparlamentarier und Vertreter der Mitgliedstaaten haben jederzeit Zugriff auf alle relevanten Dokumente. Was auch immer die EU-Kommission aushandelt, wird der Öffentlichkeit in vollem Umfang zugänglich sein. Die gewählten Volksvertreter schauen den Chefunterhändlern schon heute sehr genau auf die Finger – in Brüssel ebenso wie in Washington. Deshalb wird klar geregelt sein, welche Bereiche für den freien Handel geöffnet werden und welche nicht. Die Daseinsvorsorge wird nicht dazu gehören, es wird keine Chlorhühnchen bei Rewe geben und die beteiligten Länder werden mit Sicherheit keine exzessiven Schadensersatzforderungen riskieren.

Die Chancen des Freihandelsabkommens sind real, und sie sind groß: Chancen für mehr Freiheit, Chancen für mehr Wachstum, Chancen für mehr junge Leute in Europa auf einen guten Job. Das alles zu realisieren, erfordert Mut, Geschick und einen langen Atem, um die Propagandakampagne der Ewiggestrigen ins Leere laufen zu lassen. Und es erfordert klare Bekenntnisse all derer, die wissen, wie Wohlstand entsteht: durch Forschung und Innovation, gute Produkte und schlanke Prozesse und, ja, durch Handel und Investitionen.

Social Media Button