22.05.2014FDPEuropa

LAMBSDORFF-Gastbeitrag für das „Handelsblatt“

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF und das FDP-Bundesvorstandsmitglied KARL-HEINZ PAQUÉ schrieben für das „Handelsblatt“ (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Genau vier Jahre ist es her, da begann der Leidensweg der europäischen Krisenländer. Zunächst Griechenland, dann Irland, Portugal und Spanien. Sie erhielten zwar Hilfe, wurden aber dafür von der Troika durch ein tiefes Tal der fiskalischen Konsolidierung und strukturellen Reform geschickt. Es wurde Zeit gekauft. Wurde sie auch genutzt?

Die Antwort lautet: Ja. Die Eckdaten sprechen für sich: überall beachtliche Überschüsse in der Leistungsbilanz statt der früheren riesigen Defizite, eine substanzielle Zunahme der Exporte, eine deutliche Abnahme der Lohnstückkosten, eine drastische Senkung der Haushaltsdefizite – und dies trotz Einbruch der Steuereinnahmen durch die Rezession.

Kurzum: Diese Zwischenbilanz kann sich sehen lassen. Und sie widerlegt jene, die den mediterranen Süden und Irland für reformunfähig halten. Das verlangt Respekt und Anerkennung. Und es gibt Mut, denn es zeichnet sich derzeit überall eine konjunkturelle Erholung ab. Wohlgemerkt: keine neuen Blasen, sondern moderates, aber nachhaltiges Wachstum. So muss es sein.

In dieser Lage gilt es, auch in Deutschland Kurs zu halten – gerade jetzt, wo die ersten Früchte unserer Geduld erkennbar werden. Rezepte zur Auflösung oder Aufteilung der Euro-Zone sind immer hochriskante Spiele mit dem Feuer gewesen.

Aber inzwischen erscheinen sie völlig abwegig und absurd: Warum sollte man ausgerechnet jetzt, wo das Vertrauen zurückkehrt, die Kapitalmärkte mit Szenarien der Zerlegung der Euro-Zone in Panik stürzen? Warum sollten wir die Krisenländer drängen, eigene, weiche Währungen einzuführen – jetzt, wo sie die Disziplin zum Rückgewinn von Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit auch in der harten Euro-Zone unter Beweis stellen? Und warum sollte ein politisches Erdbeben riskiert werden, wo doch keines der Krisenländer aus dem Euro freiwillig heraus will?

Kurs halten heißt allerdings auch: Der politische Druck auf die Krisenländer muss aufrechterhalten bleiben. Besonders die Länder des mediterranen Südens haben noch eine prall gefüllte Agenda abzuarbeiten, um ihre Volkswirtschaften zu liberalisieren und somit in einen langfristigen Wachstumskurs einzubiegen. Es wäre deshalb grob fahrlässig, die strikt konditionierte Hilfe zur Selbsthilfe in einen Blankoscheck zur Rückfahrt in Richtung alter Sünden umzuwandeln.

Im Grunde ist die Lektion der vierjährigen Krise denkbar einfach. Sie lautet: Eine stabile Euro-Zone braucht eine Feuerwehr für den Krisenfall, und diese Feuerwehr braucht wohldurchdachte Regeln, wann sie ausrücken muss und mit was sie löscht. Der Rest ist vorbeugende Eindämmung der Brandgefahr: durch solide Haushaltspolitik, die der Stabilität dient, durch marktwirtschaftliche Ordnungen, die das Wachstum fördern, und durch Abbau von Subventionen, die zu Blasen an Finanzmärkten führen.

Genau diesen Weg muss Deutschland in Brüssel konsequent vertreten. Aber dafür bräuchte es ein grundlegendes Verständnis für Marktwirtschaft, das man in der Großen Koalition in Berlin vergeblich sucht.

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