30.08.2014FDPEuropa

LAMBSDORFF: Frauentausch im Sinne Europas

Berlin. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Unsere Nachbarschaft brennt lichterloh: Im Irak und in Syrien morden und brandschatzen islamistische Terroristen, im Gaza-Streifen versucht Israel, die terroristische Glut der Hamas zu zerstreuen und Russland gießt Benzin in die Flammen der Ostukraine. Gleichzeitig denken die USA als einzig verbliebene Supermacht laut über ein reduziertes globales Engagement nach. In dieser Lage trifft die Bundeskanzlerin am Wochenende die anderen Staats- und Regierungschefs der EU, um einen neuen europäischen Außenminister zu bestimmen. Der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat seine Anforderung klar formuliert: Erfahrung müsse der Kandidat oder die Kandidatin haben. Das ist das Mindeste, sollte man denken. Doch zu befürchten steht, dass Angela Merkel diese Forderung nicht erfüllen wird. Favoritin der Staats- und Regierungschefs sei, so heißt es, Federica Mogherini, die italienische Außenministerin – die gerade einmal seit Februar im Amt ist und die zuvor niemand kannte. Der Grund dafür ist so einfach wie unsinnig: Matteo Renzi, der italienische Premierminister, will es so. Europas Sozialisten unterstützen ihren neuen Star, wollen ihn nicht beschädigen. Und die CDU-Vorsitzende Merkel muss Rücksicht auf Sigmar Gabriel nehmen.

Das kann in einer so brenzligen Lage doch nicht entscheidend sein. Wenn die Mitgliedstaaten, die seit Jahren lauthals über Unsichtbarkeit und Schwäche der aktuellen Amtsinhaberin Catherine Ashton klagen, erneut eine unerfahrene Unbekannte auf diesen Schlüsselposten setzen, dann sind alle Beteuerungen, man wolle in der Außen- und Sicherheitspolitik mehr erreichen, scheinheilig und verlogen. Es wäre ein Armutszeugnis, ließe die Bundeskanzlerin das zu.

Dabei ist das Anforderungsprofil doch klar, das sie nach Brüssel mitnehmen sollte. Drei Punkte sind entscheidend. Erstens, außenpolitische Erfahrung und die Bereitschaft, eine klare Linie in der EU-Außenpolitik zu formulieren. Europäische Werte und Interessen müssen vertreten werden. Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind genau so wichtig wie Sicherheit und wirtschaftliche Fragen. Und der oder die Neue muss der Öffentlichkeit deutlich machen, warum und wie sich Ereignisse in der Welt auf unser tägliches Leben auswirken. Das ist eine der größten Herausforderungen für jeden neuen Topdiplomaten, gerade in Zeiten wachsender Euroskepsis.

Zweitens, der oder die Außenbeauftragte muss sofort in den Job einsteigen können. Das heißt zuallererst, die EU, ihre Funktionsweise und ihre inneren Konflikte zu kennen, zu verstehen und zu beherrschen. Jede Minute ist kostbar, wenn schnelle Entscheidungen und klare Anweisungen gefordert sind. Wer sich in den Fallstricken zwischen Kommission, Rat, Parlament und Mitgliedstaaten verheddert, vergeudet Zeit und verringert den Einfluss Europas.

Doch Brüsseler Insider-Wissen allein reicht nicht aus. Deshalb braucht es, drittens, den Respekt der Mitgliedstaaten, mit denen jeder EU-Außenminister Hand in Hand arbeiten muss. In Europa müssen die Machtambitionen der großen Nationalstaaten genauso berücksichtigt und eingebunden werden wie die zum Teil sehr speziellen Vorstellungen der kleineren. Das Prinzip der Gleichheit aller EU-Staaten ist gerade in der Außenpolitik wichtig, denn hier herrscht nach wie vor das Einstimmigkeitsprinzip – wenn nicht alle an Bord sind, gibt es keine europäische Linie. Das sind hohe Anforderungen, aber Europa steht selbst vor hohen Herausforderungen im Irak, in Syrien und in der Ukraine. Europa braucht eine Außenministerin, die als Vermittlerin sofort in Frage kommt, die renommiert ist und respektiert wird, die nicht spaltet, sondern vereint. Eine mutige Person, die nicht zurückschreckt, wenn es darum geht, europäische Werte zu verteidigen und schwierige Themen offen und kritisch anzusprechen. Was Matteo Renzis Personalvorschlag vollends unverständlich macht, ist, dass er eine Kandidatin hat, die all diese Kriterien erfüllt: Emma Bonino, langjährige EU-Kommissarin, Abgeordnete in Rom und Brüssel und ehemalige italienische Außenministerin. Wenn Renzi vernünftig ist, schlägt er sie vor. Das wäre ein Frauentausch ganz im Sinne Europas, denn eine erfolgreiche gemeinsame Außenpolitik braucht es dringender denn je.

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