11.08.2016FDPInnen

KUBICKI-Interview: Wir haben kein Defizit an Gesetzen

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ:

Frage: Brauchen wir das von den Unions-Innenministern angestoßene Maßnahmenpaket im Kampf gegen den Terror?

KUBICKI: Das sind Verzweiflungstaten ohne jeden Sinn und praktische Relevanz. Die Doppelte Staatsangehörigkeit hat mit der Terrorgefahr und den Anschlägen überhaupt nichts zu tun. Loyalität richtet sich nicht nach dem Pass, sondern nach der inneren Einstellung. Der Versuch, die ärztliche Schweigepflicht aufzuweichen und womöglich auch die Schweigepflicht anderer Berufsgruppen, ist ein Irrweg. Attentäter kündigen ihre Taten nicht vorher bei ihrem Arzt an. Wenn Psychiater künftig jedes abweichende Verhalten melden sollen, haben wir gar nicht so viele Kapazitäten, um die Verdächtigen alle in Gewahrsam zu nehmen. Wir sollten uns auf die mehreren Hundert IS-Kämpfer konzentrieren, die mit gefälschten Pässen bei uns eingereist sind. Die gilt es zu beobachten und zu fassen.

Frage: Stichwort: Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung: Wird die SPD hier am Ende doch noch weich?

KUBICKI: Die SPD sollte sich gut überlegen, wie weit sie hier geht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sozialdemokraten als Koalitionspartner da mitziehen. Wenn sie ihr rechtsstaatliches Gesicht nicht verlieren wollen, müssen sie das ablehnen. Eine Ausweitung wird nicht kommen und würde spätestens vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert. In Frankreich und in Belgien gibt es die Vorratsdatenspeicherung und dennoch konnten die Anschläge dort nicht vereitelt werden. Und für die Aufklärung der Taten brauchen wir dieses Instrument nicht. Hier wirft der Wahlkampf seine Schatten voraus. Die Union will sich jetzt als Partei der Inneren Sicherheit aufspielen, nachdem sie das Thema lange vernachlässigt hat. Erst hat man mehr als eine Million Flüchtlinge unkontrolliert ins Land gelassen und bis heute nicht alle erfasst. Jetzt ruft man nach schärferen Sicherheitsgesetzen, die nichts bringen. Das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. Die Union will damit von ihren Fehlern in der Flüchtlingspolitik ablenken. Das wird nicht verfangen.

Frage: Terror-Gefährder künftig schneller abzuschieben, wäre aber doch ein sinnvoller Gedanke, oder?

KUBICKI: Die Möglichkeit gibt es heute schon. Im Falle einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann bereits ausgewiesen werden. Das Problem ist, dass oft nicht abgeschoben werden kann, etwa in Kriegsgebiete. Die Türkei und andere Länder würden sicher auch niemanden aufnehmen, der in Deutschland abgeschoben werden soll, weil er Terroranschläge plant. Die Union will die Bevölkerung verdummen. Wir haben kein Defizit an Gesetzen, sondern ein Defizit an Vollzug. Es gibt zu wenig Personal bei Polizei und Geheimdiensten. Der Verfassungsschutz muss dringend aufgestockt werden. Hier haben Bund und Länder jahrelang am falschen Ende gespart.

Frage: Es gibt nicht nur in NRW und Niedersachsen Razzien gegen mutmaßliche Islamisten. Müsste man nicht viel mehr Licht und Transparenz in die Szene bringen?

KUBICKI: Der Generalbundesanwalt geht hier jetzt offenbar entschlossener vor, um Informationen über islamistische Netzwerke zu beschaffen. Dafür braucht man aber mehr Personal. Die Razzien sollen auch abschrecken und als Warnung dienen. Wir haben in den vergangenen Jahren zu viel und falsche Rücksicht geübt. Das hat sich nicht ausgezahlt. Wir müssen auch hinter die Türen mancher Moscheen schauen, ob dort Hass gepredigt wird oder noch mehr geschieht. Salafisten, die in Deutschland Gewalt verherrlichen, zum Terror aufrufen, müssen gestoppt werden. Dafür brauchen wir keine immer neuen Sicherheitspakete, sondern vor allem mehr Entschlossenheit. Die Annahme, uns wird schon nichts passieren, hat sich bedauerlicherweise als falsch herausgestellt.

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