01.09.2014FDPFDP

KUBICKI-Interview: Wiederaufstieg der FDP braucht mehr als nur ein paar Monate

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab „Welt Online“ das folgende Interview. Die Fragen stellte JOCHEN GAUGELE:

Frage: Herr Kubicki, markiert die Sachsen-Wahl eine Zäsur für den Liberalismus in Deutschland?

KUBICKI: Es ist ein sehr bitteres Ergebnis, insbesondere für meine sächsischen Parteifreunde, die einen aufopferungsvollen Wahlkampf geführt haben. Diese Wahl dokumentiert, dass die FDP gegenwärtig auf ihre Kernwählerschaft reduziert ist.

Frage: Als Regierungspartei ist die FDP jetzt Geschichte.

KUBICKI: So ist es, und das bedauere ich persönlich sehr. Ich habe nicht vermocht, das zu ändern – genauso wenig wie Christian Lindner oder Holger Zastrow. Es zeigt sich, dass der Wiederaufstieg der FDP mehr als nur ein paar Monate braucht. Ich bin aber sicher, dass die Sachsen-Wahl die FDP in ihrer Entwicklung bis 2017 nicht wesentlich zurückwirft.

Frage: Hat bis dahin nicht längst die AfD das Erbe der FDP angetreten?

KUBICKI: Das schließe ich aus. Politisch trennen FDP und AfD Welten. Es gibt in der Wählerschaft kaum Überschneidungen. Die AfD ist für mich ein Phänomen, wie es die Piraten einmal waren. Es gibt ein Auflodern, auch mit zweistelligen Ergebnissen bei Landtagswahlen. Aber wenn die populistische Welle abschwillt, wird auch die AfD keine große Bedeutung mehr finden. In Sachsen hat diese Partei im trüben Wasser gefischt – bis hin zu nationalistischen Tönen. Die AfD wird kein dauerhaftes Ereignis in der deutschen Politik sein.

Frage: Die sächsischen Liberalen haben sich im Wahlkampf von der Bundespartei abgegrenzt. Eine kluge Strategie?

KUBICKI: Ich schätze Holger Zastrow sehr. Wir sind nahezu typengleich – auch wenn wir nicht in allen Fragen die gleiche Auffassung haben. Ich habe ihm schon im Wahlkampf gesagt: „Du grenzt Dich von einer Partei ab, die es so nicht mehr gibt.“ Ich halte eine Strategie, die sich weniger mit Vergangenheitsbewältigung und mehr mit Zukunftsoptimismus beschäftigt, für sinnvoller. Aber das muss man vor Ort selbst entscheiden. Jetzt geht es darum, die vielen Liberalen, die in die Wahlenthaltung oder zu anderen Parteien gegangen sind, wieder für uns zu gewinnen.

Frage: Warum gelingt es der FDP eigentlich nicht, die Vorlagen der großen Koalition zu verwandeln? Mindestlohn, Rente mit 63 – fast könnte man meinen, Union und SPD gestalteten ein Wiederbelebungsprogramm für die FDP...

KUBICKI: Das gelingt, sobald die Menschen merken, dass sie die Geschenke selbst bezahlen müssen. Der Lack der großen Koalition wird abblättern. Das schafft Freiraum für eine liberale Partei, die sich für wirtschaftliche Vernunft einsetzt. Ich sage voraus: Spätestens bei der Hamburg-Wahl im nächsten Jahr wird man sehen, dass die FDP aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und wieder überzeugen kann.

Frage: Können Sie erklären, warum sich der Niedergang bisher ungebremst vollzieht?

KUBICKI: Das sind Nachhalleffekte. Wenn man die deutsche Öffentlichkeit fragt, wer für die FDP steht, dann werden Christian Lindner und Wolfgang Kubicki genannt, aber auch immer noch die Minister aus der Koalition mit der Union.

Frage: Beklagen Sie einen Niebel-Effekt?

KUBICKI: Ich will das nicht auf einen Namen reduzieren. Es geht um den Effekt der Regierungspartei FDP. Die Menschen denken immer noch daran, dass die Liberalen in der Koalition mit der Union ihre Versprechen nicht eingehalten haben. Beim Thema Steuervereinfachung hat die FDP definitiv nicht geliefert.

Frage: Helfen jetzt Unternehmensberater?

KUBICKI: Ich war am Anfang skeptisch über die Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group. Als Volkswirt und Anwalt glaube ich nicht, dass man Methoden aus der Wirtschaft eins zu eins auf die Politik übertragen kann. Inzwischen bin ich optimistisch, dass der Prozess zu einem guten Ende führen wird. Jedenfalls sind wir gezwungen, analytisch an die Sache heranzugehen: Wo liegen unsere Wählerschichten? Wie können wir sie erreichen? Sind unsere Antworten noch zeitgemäß? Was die Parteispitze in Berlin denkt, ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, was die Wähler von uns erwarten. Das in Einklang zu bringen, ist die Herkulesaufgabe der kommenden Monate.

Frage: Welchen Rat haben Sie selbst?

KUBICKI: Ruhe bewahren, Souveränität bewahren. Wir müssen selbstbewusst an die Wähler herangehen. Viele in meiner Partei und drumherum fürchten sich ja, mit Menschen in Kontakt zu treten, weil sie die Häme, die über die FDP ausgegossen worden ist, nicht mehr ertragen. Nach dem Wahlkampf in Sachsen kann ich sicher sagen: Diese Häme ist vorbei. Es ist eine neugierige Erwartungshaltung da. Die befriedigt man aber nur, wenn man auf die Menschen zugeht und nicht wartet, bis sie selbst kommen.

Frage: Führende Liberale erwägen, die FDP umzubenennen.

KUBICKI: Das ist ein Ausdruck von Verzweiflung. Wer glaubt, nur das Etikett ändern zu müssen, liegt falsch. Wir brauchen – wie Wirtschaftswissenschaftler das nennen - einen Marken-Relaunch. Die Marke FDP ist aber nicht endgültig beschädigt.

Frage: Da waren Sie schon skeptischer – und haben den Satz geprägt, die FDP habe als Marke „generell verschissen“...

KUBICKI: Das war damals ein Hilferuf, ein Aufschrei. Wir haben in der Bundesregierung teilweise ein jämmerliches Bild abgegeben. „Wer Merkel als Kanzlerin will, kann auch FDP wählen“ – wer so etwas im Wahlkampf sagt, dokumentiert nur sein mangelndes Selbstbewusstsein. Und Leute, die kein Selbstbewusstsein haben, verdienen es auch nicht, unterstützt zu werden.

Frage: Enttäuschte ehemalige FDP-Politiker haben die Gründung einer neuen liberalen Partei angekündigt. Droht eine weitere Erosion?

KUBICKI: Mit Enttäuschung kann man keine Politik machen. Daher nehme ich dieses Vorhaben nicht ernst. Es ist kein Zufall, dass die Initiatoren aus Hamburg kommen. Dort hat der interne Machtkampf die Frustration bei den Liberalen noch verstärkt.

Frage: Können Sie sich vorstellen, eine neue liberale Bewegung anzuführen?

KUBICKI: Das wird nicht passieren. Ich bin 44 Jahre in der FDP. Das ist meine politische Heimat. Ich habe schon tiefe Tiefen erlebt, und die Partei hat sich immer wieder berappelt. Das wird auch dieses Mal geschehen. In der FDP steckt unendlich viel Kraft. Wir müssen die Botschaften nur so formulieren, dass die Menschen damit etwas anfangen können. Abstrakte Begriffe helfen ihnen ja nicht bei der Bewältigung ihrer eigenen Probleme.

Frage: Ist Christian Lindner dafür der richtige Parteichef?

KUBICKI: Definitiv! Das Phänomen ist ja: Christian Lindner und ich harmonieren miteinander. Er profitiert davon, dass ich lange in der Politik bin. Ich profitiere davon, wie prägnant er Dinge auf den Punkt bringen kann. Zwischen uns besteht keine Konkurrenz. Wir arbeiten gemeinsam am Wiederaufstieg der FDP.

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