KUBICKI-Interview: Selbstüberschätzung ist das Schlimmste
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitag-Ausgaben) das folgende Interview. Die Fragen stellte Dieter Wonka:
Frage: Erster Schulz-Test in Deutschland an der Urne ist die Wahl im Saarland. Was erwarten Sie?
Kubicki: Die Grünen schaffen es nicht mehr in den Landtag, die FDP kommt rein. Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Ministerpräsidentin wird es schwer haben, weil bis dahin noch der Schulz-Effekt wirkt.
Frage: Schleswig-Holstein wählt eine Woche vor NRW im Mai. Was ist drin?
Kubicki: Die FDP wird wahrscheinlich zweistellig werden und möglicherweise stärker als die Grünen. Die SPD wird trotz Albig, aber dank Martin Schulz und Ralf Stegner vor der Union liegen. Stegner spielt seine Rolle innerhalb der Partei sehr professionell. Dies führt auch dazu, dass er uns die Linken im Land vom Hals hält. Und weil Ralf Stegner und ich sehr häufig in Debatten hart aufeinanderprallen, können sich die Menschen entweder in der einen oder in der anderen Position wiederfinden. Im Ergebnis könnte uns das die AfD im Landtag ersparen.
Frage: Dann kommt die alles entscheidende Testwahl in NRW?
Kubicki: Ja. Die Sozialdemokraten werden sich mit Hannelore Kraft etwas stabilisieren, aber die Grünen werden vom Bundestrend mitgerissen. Dann ist die bestehende Koalition in Düsseldorf dahin. Rot-Grün hat keine Chance, weil die Grünen nicht das nötige Stimmengewicht mehr auf die Waagschale bringen.
Frage: Dann kommt die Bundestagswahl, und für die Union mit Angela Merkel geht es um alles. Also wird die FDP Probleme bekommen, weil manche Liberalenwähler sicherheitshalber ins Merkel-Lager gehen werden. Steht die FDP vor einer wieder total unsicheren Zukunft?
Kubicki: Was für ein Unsinn. Es gibt seit etwa zwei Jahren keine kommunizierenden Röhren mehr zwischen Union und FDP. Wenn die CDU steigt, fallen wir nicht mehr automatisch. Und umgekehrt.
Frage: Was ist Ihre Lieblingskoalition nach der nächsten Bundestagswahl?
Kubicki: Am liebsten mit der FDP. Aber im Ernst: Es würde auf Jamaika mit vernünftigen Leuten hinauslaufen.
Frage: Wer ist dann Kanzler?
Kubicki: Vermutlich Angela Merkel. Das muss aber die Union entscheiden.
Frage: Merkels Vize wären Sie?
Kubicki: Es wäre doch wunderbar, wenn ein Freier Demokrat Vizekanzler würde.
Frage: Für welche Themenbereiche sollte die FDP dann ganz besonders stehen?
Kubicki: Innen und Recht, Finanzen und Wirtschaft. Da werden die politischen Schlachten der Zukunft geschlagen.
Frage: Welches wären die drei großen Projekte, für die die FDP in einer Jamaika-Regierung einträte?
Kubicki: Entscheidend ist die Überwindung des Investitionsstaus, vom Verkehr bis zur Digitalisierung. Steuerlich muss die enteignende Wirkung der Kalten Progression für die mittleren Normalverdiener gestoppt werden. Die Alterssicherung muss zukunftssicher umgestaltet werden. Entweder wir schaffen jährlich eine Zuwanderung von bis zu 400 000 jungen, gut ausgebildeten Leuten oder wir sichern unser Rentenniveau durch die Abkoppelung der Sozialabgaben vom Faktor Arbeit, beispielsweise durch die Einführung einer intelligenten Wertschöpfungsabgabe.
Frage: Im Bereich Innen und Justiz heißen heute die Minister Thomas de Maizière und Heiko Maas. Wer ist für einen Liberalen die größere Provokation?
Kubicki: Die größte Provokation ist de Maizière, die größere Nullnummer ist Maas.
Frage: Was sind die inhaltlichen Stärken des FDP-Duos Lindner/Kubicki?
Kubicki: In der Frage der Digitalisierung beispielsweise wird Christian Lindner deutlich mehr Kompetenz zugetraut als mir. Im Bereich Innen und Recht wissen die Menschen schon deshalb, weil ich auf diesem Gebiet seit Jahrzehnten beruflich unterwegs bin, was sie an mir haben.
Frage: Was wird in Zukunft wahlentscheidend sein: Programme oder Performance?
Kubicki: Die Bedeutung von Wirkung hat zugenommen, die Bedeutung der Programme hat abgenommen. Die Parteien und Politiker werden gewinnen, die ein akzeptiertes Lebensgefühl vermitteln. Deshalb hat die FDP wieder gute Chancen, weil wir für das optimistische Lebensgefühl stehen. Das Versprechen, für ein höheres Arbeitslosengeld zu kämpfen, ist nicht ausschlaggebend, sondern die Aufforderung: Mach was aus Deinem Leben.
Frage: Welche der Parteien vermitteln ihrer Ansicht nach welches Lebensgefühl?
Kubicki: Die Grünen sind die Bevormunder und Miesmacher. Die Sozialdemokraten versuchen es mit dem Überlebensgefühl Marke Schulz. Die Union vermittelt in weiten Teilen nur noch Beklemmung. Die Linkspartei ist für den Osten noch als DDR-Erinnerungsgruppe wichtig.
Frage: Hat die FDP als Livestyle-Partei eine große Zukunft?
Kubicki: Ja. Niemand muss sich für seinen Erfolg rechtfertigen oder schämen. Ich bin strikt gegen die Begrenzung von Managergehältern in der freien Wirtschaft. Diese Gehälter werden alle freiwillig gezahlt – genauso diejenigen von Profifußballern.
Frage: Sie sind jetzt 65. Wann ist beruflich Schluss bei Ihnen?
Kubicki: Meiner Kanzlei gehöre ich noch vertraglich bis 67 an. Ich schleiche mich so langsam raus. Ich bin zum siebten Mal Spitzenkandidat meiner Partei in Schleswig- Holstein und seit 25 Jahren Fraktionsvorsitzender, damit der Dienstälteste in allen Landtagen. Mittlerweile bin ich auch sittlich und moralisch so gefestigt, dass ich in Berlin arbeiten und leben kann – aber nicht bis zum Jüngsten Gericht. Wenn wir wollen, dass Menschen länger arbeiten können sollen, muss ich als leuchtendes Beispiel vorangehen.
Frage: Was war Ihr größter FDP-Erfolg?
Kubicki: Dass ich damals, quasi als Provinzpolitiker, bei meiner Kandidatur für das FDP-Präsidium Daniel Bahr, damals Gesundheit, und Dirk Niebel, seinerzeit Entwicklung, überflügelt habe.
Frage: Und Ihre größte Niederlage?
Kubicki: Selbstüberschätzung ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Ich habe es Anfang der 90er Jahre nicht geschafft, mit der Schönberg-Affäre angemessen umzugehen. Wenn man selbst angegriffen wird, muss man in die Offensive gehen.
Frage: Welches war für Sie der erfolgreichste FDP-Politiker und wer die größte Enttäuschung?
Kubicki: Der erfolgreichste war Guido Westerwelle, weil er für die FDP das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten eingefahren hat. Die größte Enttäuschung war Jürgen Möllemann, weil er mich als seinen Anwalt und Freund zu spät über den wahren Sachverhalt seiner Geldtransaktionen aufgeklärt hat. Es wäre möglich gewesen, da heil rauszukommen.