03.01.2015FDPFDP

KUBICKI-Interview: Ich akzeptiere keine Parallelgesellschaften

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Schwäbischen Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte SABINE LENNARTZ:

Frage: Herr Kubicki, man hört nichts mehr, was macht eigentlich die FDP?

KUBICKI: Ich kann nicht bestätigen, dass man nichts mehr hört. Ich kann mich über zu wenig Aufmerksamkeit nicht beschweren, ich werde regelmäßig interviewt. Die FDP hat sich lange intern ihrer selbst vergewissert, der Prozess ist nun abgeschlossen. Mit dem neuen Jahr werden wir uns vernehmbar öffentlich mit Fragestellungen beschäftigen, welche die Menschen interessieren. Sie erwarten von uns Antworten auf die drängenden Fragen.

Frage: Auf welche drängenden Fragen? Die Deutschen sind doch ganz zufrieden mit der Politik der Großen Koalition. Wo fehlt denn die FDP?

KUBICKI: Die Deutschen sind zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Lage, aber ich merke, dass es ein unglaubliches Unwohlsein gibt über die Entwicklungen in der Ukraine-Krise und im Nahen Osten. In der Ukraine-Krise hat man das Gefühl, als würden dort Züge aufeinander zurasen und niemand beginnt zu bremsen. Die Sanktionen verschärfen die Lage in Russland. Die Sicherheitslage verbessert sich nicht, sondern das Gegenteil ist der Fall.

Frage: Wäre das anders, wenn die FDP noch mitregierte? Eher Schröder-Kurs gegenüber Russland?

KUBICKI: Ich würde wesentlich intensiver eine Außenpolitik machen, die auf Deeskalation abstellt, à la Schröder, Steinmeier oder Hans-Dietrich Genscher. Um es konkret zu machen: Wenn die FDP in der Regierung wäre, würden wir uns massiv dagegen wehren, dass Nato-Truppen an die Ostgrenze Polens geschickt werden. Das kann von Russland doch nicht als friedensstiftende Aktion gesehen werden.

Frage: Von der Außenpolitik zur Innenpolitik – hier schafft Schäuble gerade den schuldenfreien Haushalt, was wollen Sie da mehr?

KUBICKI: Es gibt Steuereinnahmen wie nie zuvor, und trotzdem braucht man angeblich den Soli, um die Infrastruktur zu finanzieren. In Wirklichkeit braucht man den Soli, um die Rentenversprechen der Großen Koalition zu finanzieren. Von den 230 Milliarden Euro, die dafür bis 2030 ausgegeben werden, hätte man auch Straßen ausbauen können. Wir müssen deutlich mehr für Infrastruktur und Bildung ausgeben. Wir brauchen Höchstleistungen in allen Bereichen, nicht nur im Fußball. Die Welt dreht sich immer schneller und niemand wartet auf uns.

Frage: Das Verfassungsgericht hat vor Kurzem bestimmte Privilegien bei der Erbschaftssteuer gekippt. Was würden Sie für Konsequenzen ziehen?

KUBICKI: Meiner Ansicht nach gehört die Erbschaftssteuer insgesamt abgeschafft. Was vererbt wird, hat bereits einer Besteuerung unterlegen. Ich finde es merkwürdig, bei den Erben anzusetzen, die angeblich ohne Leistung etwas bekommen. Ich setze lieber bei den Erblassern an. Ich zum Beispiel spare doch, damit meine Kinder etwas davon haben – und nicht Wolfgang Schäuble, Jürgen Trittin oder Ralf Stegner. Wenn wir über Nachhaltigkeit reden, dann müssen Sie auch sehen, dass es gerade im landwirtschaftlichen Bereich wichtig ist, die Scholle weitervererben zu können. Familienunternehmen denken doch nicht nur über eine Generation. Österreich hat die Erbschaftsteuer abgeschafft und ist auch nicht zugrunde gegangen.

Frage: Über welche Themen wollen Sie die FDP wieder ins Spiel bringen?

KUBICKI: Es gab immer wieder Phasen, schon in den 1960er- Jahren, die für die Liberalen schwierig waren. Wiederaufgebaut wurde die FDP damals über die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Die FDP muss ihre außenpolitische Kompetenz auch im nächsten Jahr deutlich unter Beweis stellen, und sie muss dokumentieren, dass sie den Rechtsstaat durchsetzen will. Ich akzeptiere nach wie vor nicht, dass Menschen, die bei uns leben, ihre Kinder in andere Länder schicken und zwangsverheiraten. Ich akzeptiere nicht, dass es Parallelgesellschaften gibt, in denen Frauen schlechter behandelt werden als Hunde oder Esel, und ich akzeptiere auch nicht als kulturelle Vielfalt, dass mir Menschen gegenübertreten, deren Gesicht ich nicht sehen kann – Stichwort Vermummungsverbot. Es liegt im Interesse des Gemeinwohls, dass es keine Parallelgesellschaften gibt.

Frage: Ähnliches hört man von der AfD. Wie viel Sorgen macht Ihnen die neue Konkurrenz?

KUBICKI: Relativ wenige, weil es kaum Überschneidungen gibt, der Wähleraustausch liegt im Bereich von fünf Prozent. Eine Partei, die sich Homophobie und Ausländerfeindlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat und eurofeindlich ist, hat mit der FDP nichts gemein. Wir müssen aber sehen, dass die AfD Sorgen von Menschen aufnimmt, zum Beispiel in den Pegida-Demonstrationen. Und ich kann verstehen, dass die Menschen Angst haben, wenn sie hören, dass sich einerseits durch verstärkten Zuzug von Menschen aus islamischen Ländern die Gefährdungslage bei uns in Deutschland erhöht und zum selben Zeitpunkt der Leiter des Bundesamtes für den Verfassungsschutz erklärt, dass er nicht ausreichend Personal habe, um nach Deutschland zurückkehrende IS-Kämpfer zu überwachen. Mir geht es ebenso: Ich will auch nicht Angst haben, in einem Café zur Geisel genommen zu werden, und ich will auch nicht in ein Kaufhaus gehen und Angst haben müssen, dass ich in die Luft gesprengt werde.

Frage: Wollen Sie über das Thema Innere Sicherheit die FDP aus den Ländern heraus ins Spiel zurückbringen?

KUBICKI: Das ist sicher ein Thema. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein finden sich immer mehr Flüchtlinge ein, aber Willkommenskultur findet ihre Grenzen, wenn gleichzeitig Polizei abgebaut wird. Unsere sechs Landtagsfraktionen arbeiten intensiv zusammen, gerade bei der Frage Flüchtlingspolitik und Bildung.

Frage: Vor zwei Jahren hat Dirk Niebel beim Dreikönigstag gesprochen, letztes Jahr hat er an Parteichef Rösler gesägt, heute ist er bei Rheinmetall. Wie schädlich war das für die FDP?

KUBICKI: Ich gönne jedem, der aus der Politik in die Wirtschaft geht, alles Gute.

Frage: Welches Signal muss diesmal von Stuttgart ausgehen?

KUBICKI: Es muss nicht nur, es wird das Signal geben: Die Partei ist kämpferisch, sie hat zu sich gefunden. Wir haben mehr Neueintritte als Austritte. Wir wollen um das Vertrauen der Menschen kämpfen. Für ein neues politisches Kampfgewicht ist der Erfolg bei Wahlen Voraussetzung.

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