30.03.2015FDPFDP

KUBICKI-Interview: Für uns ist jede Landtagswahl eine kleine Bundestagswahl

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Rhein-Zeitung“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten MANFRED RUCH und URSULA SAMARY:

Frage: In Hamburg hat es die FDP geschafft. Wie stehen die Chancen bei der Bürgerschaftswahl in Bremen am 10. Mai?

KUBICKI: Ich erwarte, dass wir in Bremen in etwa das Ergebnis von Hamburg (7,4 Prozent) einfahren. In Bremen ist die CDU so schwach, dass bürgerliche Wähler nach einer Alternative suchen. Die FDP ist mit Spitzenkandidatin Lencke Steiner sehr gut aufgestellt.

Frage: Spüren Sie wachsendes Interesse auch in Rheinland-Pfalz?

KUBICKI: Ich habe zu einem Fachthema bei der Juristischen Gesellschaft in Koblenz gesprochen. Wegen des Themas allein wäre die Hälfte nicht gekommen. Sie kamen, weil sie wissen wollten, was die Freien Demokraten hierzu zu sagen haben. Ähnlich war es Anfang März in Bad Dürkheim, da kamen 850 Mittelständler zur FDP.

Frage: Mit der Häme ist es vorbei?

KUBICKI: Diese Form der Missachtung wie zwischen 2009 und 2013 habe ich noch nicht erlebt. Aber sie ist jetzt komplett verschwunden.

Frage: Aber hat die Bundes-FDP nur noch eine Zwei-Mann-Kapelle von Christian Lindner und Ihnen?

KUBICKI: Die Kapelle ist schon größer, allerdings werden momentan bundesweit nur die beiden Solisten Lindner und Kubicki akzeptiert, weil Veranstalter davon ausgehen, dass mit uns die Hütte voll wird. Aber dies wird sich mit jedem Wahlerfolg ändern.

Frage: Ein Programm ist da zweitrangig?

KUBICKI: Themen sind wichtig, und Köpfe transportieren Themen. Dass sich Menschen am Programm orientieren, stimmt meistens nicht. Viele kennen auch das CDU-Programm nicht und empfinden Angela Merkels Leistung trotzdem als herausragend.

Frage: In Hamburg hat sich Katja Suding mit dem FDP-Plakat „Unser Mann für Hamburg“ bundesweit bekannt gemacht. Sollte der voraussichtliche rheinland-pfälzische Spitzenkandidat Volker Wissing „Unsere Frau für Rheinland-Pfalz“ plakatieren, weil er mit drei Spitzenfrauen konkurriert?

KUBICKI: Das würde man ihm vermutlich nicht abnehmen. Aber selbstverständlich wird die FDP auch hier nicht bitterernst in den Wahlkampf gehen. Katja Sudings Kampagne hätte auch nicht funktioniert, wenn sie vorher nicht auch eine über Parteigrenzen hinweg anerkannte Arbeit in der Bürgerschaft geleistet hätte. Es gibt den Gleichklang, dass Bekanntheit und Sympathie Wahlen entscheiden. Nun kenne ich den Bekanntheitsgrad von Volker Wissing in Rheinland-Pfalz nicht. Falls er noch nicht optimal ist, wird es uns aber ganz sicher gelingen, dass er sich erhöht.

Frage: Die FDP ist in Bund und im Land in der außerparlamentarischen Opposition. Wie kann sie da Sympathien gewinnen?

KUBICKI: Sie muss auf Menschen zugehen. Man muss sich zeigen, auch mit provokanten Thesen Interesse wecken. Nichts ist schlimmer als Nichtbeachtung.

Frage: Ist Ihnen sofort ein Thema in Rheinland-Pfalz aufgefallen?

KUBICKI: Meine Frau und ich haben es sehr genossen, mit dem Zug entlang des Rheins nach Koblenz zu fahren. Aber wir fragen uns auch, wie ertragen die Anwohner den Bahnlärm? Deshalb muss man dafür Sorge tragen, dass Alternativstrecken gebaut werden und nur noch leise Züge fahren. Denn der Lärm lässt sich technisch halbieren.

Frage: Dafür müsste der Bund Gesetze auf den Weg bringen.

KUBICKI: Stimmt. Der Verkehr ist zu lange zu wenig beachtet worden. Jetzt haben wir den Salat und eine Vielzahl von Brücken, die grundsaniert werden müssen. Deutschland ist auf ein funktionierendes Verkehrsnetz angewiesen. Wir können Güter und Dienstleistungen nicht auf Fahrrädern transportieren.

Frage: Sind die Planungszeiten zu lang?

KUBICKI: Wir brauchen für wichtige Brücken und Verkehrsachsen, aber auch für den Bau der jetzt notwendigen Stromtrassen gesetzlich beschleunigte Planungsverfahren. Für Projekte von nationaler Bedeutung brauchen wir dieses Instrument. Wenn Deutschland 2022 alle Kernkraftwerke abschalten will, braucht es Stromtrassen, die Windenergie von Nord nach Süd transportieren. Der Bundesgesetzgeber muss deshalb Planungszeiten vorgeben und auch Rechtswege verkürzen, sonst ist die Energiewende nicht mehr rechtzeitig zu schaffen. Ein Strom- oder Verkehrskollaps ist das Schlimmste, was uns passieren kann.

Frage: Zurück zur FDP. Die vorherige Große Koalition hat die FDP auf zweistellige Werte gepuscht. Was ist jetzt anders?

KUBICKI: Das war damals auch nicht am Anfang so. Momentan geht es Deutschland wirtschaftlich gut – mit der geringsten Arbeitslosigkeit und den höchsten Steuereinnahmen seit Jahren. Und, das muss man neidlos anerkennen: Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier hinterlassen beim Umgang mit den großen Krisen in unserer Welt einen vernünftigen Eindruck. Die ruhige Art, immer wieder vermitteln zu wollen, ist die richtige Politik. Trotzdem können wir gelassen sein. Wir sehen ja, dass die Wirtschaftsverbände wegen der innenpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung bereits auf mentale und physische Distanz zur Union gehen. Die 230 Milliarden Euro, die zum Beispiel die Rente mit 63 kosten wird, hätte man besser in die Infrastruktur gesteckt. Oder auch in vernünftige Internetanbindungen, um ländliche Räume nicht zu entvölkern, weil junge Menschen und Firmen abwandern.

Frage: Fühlen Sie sich als einsamer Mahner?

KUBICKI: Nein, das wäre mir zu selbstbezogen. Die spannende Frage ist doch vielmehr, was unterscheidet die FDP von anderen? Sie ist die einzige Partei, die Menschen nicht erziehen und keinen Einheitsmenschen will, für den der Staat alles regelt. Wir wollen auch nicht, dass man sich für seinen Erfolg schämen muss.

Frage: Hat sich die FDP verändert?

KUBICKI: Ja, denn es ist wieder klar geworden, dass wir unsere ureigene Position formulieren müssen und dabei nicht schon im Kopf haben dürfen, mit wem sich was in welcher Koalition durchsetzen lässt. Dies ruiniert eine Partei.

Frage: Wird sich die Bundes-FDP im Landtagswahlkampf einmischen?

KUBICKI: Für uns ist jede Landtagswahl eine kleine Bundestagswahl, weil wir mit jedem Erfolg die Grundlage für den nächsten schaffen können. Wir werden also alle massiv auftreten.

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