08.05.2014FDPAußenpolitik

KUBICKI-Interview für „Neue Osnabrücker Zeitung Online“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung Online“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte BEATE TENFELDE:

Frage: Herr Kubicki, sind Sie eigentlich ein Putin-Versteher?

KUBICKI: Wer zur Denunziation anderer diesen Begriff gebraucht, weiß dieses offenbar nicht: Es kommt darauf an, sein Gegenüber zu verstehen. Verstehen hat etwas mit Verstand, mit Verständnis zu tun. Wir werden die Ukraine-Krise nur mit Putin lösen und nicht gegen ihn. Es ist wichtig zu begreifen, welche Ängste und Befürchtungen in Russland vorherrschen. Und es kommt darauf an, den Russen diese Ängste zu nehmen, nur so sind Lösungen zu erreichen, wie sie selbst während des Kalten Krieges möglich waren. Wenn wir Gesprächsfäden kappen, wird ein bislang begrenzter Konflikt zu einer unbegrenzten Krise. Das kann niemand wollen. Denn Russland ist Nuklearmacht.

Frage: Macht sich Deutschlands Chefdiplomat, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), zu klein?

KUBICKI: Ich finde, dass der Außenminister einen guten Job macht und die Verständigungs- und Friedenspolitik von Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle konsequent fortsetzt. Das ist gut für Deutschland und gut für unser künftiges Verhältnis zu Russland. Lieber weicher Kurs und Leben als harter Kurs und Sterben. Kein Versuch darf unterbleiben, den Ukraine-Konflikt friedlich zu lösen und dessen Ausweitung zu verhindern. Es geht darum, Russland eine weitere Perspektive zu geben. Wer das Land einkreist, wie die Amerikaner es tun, spielt mit dem Feuer. Die Furcht Russlands ist groß, Spielball der Interessen anderer zu werden. Wir haben während des Kalten Krieges gezeigt, dass es mit der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) in Helsinki, der OSZE wie auch mit dem NATO-Russlandrat Plattformen für Gespräche gibt. Ich frage mich, warum die Nato den Russlandrat noch nicht einberufen hat. Hier bleibt ein wichtiges Gremium ungenutzt.

Frage: Der oberste NATO-Kommandeurs Breedlove erwägt, wieder Truppen dauerhaft in Osteuropa zu stationieren. Was halten Sie davon?

KUBICKI: Überhaupt nichts. Wie soll Russlands Präsident Wladimir Putin das verstehen? Im Zuge der deutschen Einheit wurde ihm zugesagt, dass dies nicht passiert. Das ist dumpfes Säbelrasseln. Es passt zur unerträglichen Arroganz von US-Präsident Barack Obama, der Russland eine „Regionalmacht“ nannte. So geht man mit einer Nuklearmacht nicht um.

Frage: Aber auch Putin provoziert mit der Teilnahme an einer Militärparade auf der Krim …

KUBICKI: Er steht unter massivem innenpolitischen Druck von Nationalisten, Altkommunisten oder machtbewussten Militärs. Die Parade auf der Krim ist für ihn nicht nur eine Demonstration nach außen, sondern auch ein Befreiungsschlag nach innen, sich in der Ostukraine ruhig zu verhalten.

Frage: Aber auch Kapitalabfluss durch Sanktionen setzen Putin unter Druck. Verliert er an Rückhalt in der Bevölkerung?

KUBICKI: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass 80 Prozent der russischen Bevölkerung Putins Kurs stützt. Kommunikations- und Reiseverbote für Russen wirken kontraproduktiv. Ich warne dringend davor. Wir müssen auf allen Ebenen das Gespräch mit Russland suchen. Ich verstehe deshalb die Kritik an Alt-Kanzler Gerhard Schröder nicht, der letzte Woche Putin auf einer Party in St. Petersburg traf. Wenn dadurch die Freilassung deutscher OSZE-Geiseln bewirkt wurde, ist das Ergebnis des Treffens sehr gut.

Frage: Verstehen Sie den Krach in der CDU um Philipp Mißfelder, der ebenfalls auf der Petersburger Party anlässlich des 70. Geburtstags von Schröder war?

KUBICKI: Die Union war vor allem sauer, dass Mißfelder Schröder die Ehre erwies – und dann auch noch ohne Absprache mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder in ein russisch-deutsches Kuratorium eingetreten ist.

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