02.05.2013FDPSteuern

KUBICKI-Interview für "Focus online"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied WOLFGANG KUBICKI gab "Focus online" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte MARTINA FIETZ: Frage: Deutschland diskutiert breit den Fall Hoeneß. Können Sie die Enttäuschung und die Wut nachempfinden, die dabei mitschwingt? KUBICKI: Ich mache mir langsam Sorgen um unseren Rechtsstaat. Wir warten nicht mehr darauf, dass Gerichte ein Urteil sprechen. Stattdessen fällen wir Urteile in Talkshows und Meinungsumfragen. Da fragt beispielsweise ein Fernsehsender "Wollen Sie, dass Hoeneß in Haft geht?" Dabei weiß noch niemand genau, was eigentlich Stand der Dinge ist. Das macht mir Sorgen. Es geht zunehmend um die Frage, ob ein Vorgang politisch opportun ist, anstatt zu fragen, ob er rechtens ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass Recht beliebig wird. Frage: Sie sitzen aber auch oft in Talkshows… KUBICKI: Ich bin aber stets vorsichtig. Ich warne davor, auf spekulativer Basis Vorurteile bedienen zu wollen. Frage: Sehen Sie die Notwendigkeit, bei der Selbstanzeige für Steuerdelikte nachzubessern, so wie es die Opposition fordert und die Bundesregierung prüfen will? KUBICKI: Nein. Wir haben bereits heute eine erschwerte strafbefreiende Wirkung bei Selbstanzeigen. Die Rechtslage ist seit 2011 extrem verschärft worden. Das noch einmal zu verschärfen, wäre gleichbedeutend mit der Abschaffung der Selbstanzeigen. Diese sind aber sinnvoll! Sonst kommen Menschen, die einmal etwas falsch gemacht haben, nie mehr aus dieser Spirale heraus. Das kann ernsthaft niemand wollen. Frage: Würden Sie Hoeneß raten, Anzeige gegen die Staatsanwaltschaft zu erstatten? KUBICKI: Ich will keine öffentlichen Ratschläge geben. Aber ich könnte einen solchen Schritt verstehen. Es ist ein Unding, dass bei einer Selbstanzeige ein Fall vor Anklageerhebung öffentlich wird. 99,9 Prozent der Fälle von Selbstanzeigen verlaufen anonym. Frage: Wenn Deutschland schon über Steuern und Steuergerechtigkeit diskutiert, wäre es doch eigentlich ein typisch liberales Thema Steuervereinfachung zu fordern. KUBICKI: Natürlich, das ist ein drängender Wunsch von mir. Wenn wir keine Ausnahmetatbestände mehr hätten, wenn es nur noch drei oder vier Steuersätze gäbe, hätten wir 80 Prozent der Möglichkeiten, Steuerstraftaten zu begehen, beseitigt. Krimineller Energie, überhaupt der Steuerzahlung zu entfliehen, könnten sie damit zwar auch nicht begegnen. Die Anzahl der Straftaten würde sich jedoch auf ein deutlich geringeres Maß einpendeln, wenn das Steuerrecht vereinfacht wäre. Frage: Sind die Steuerbelastungen in Deutschland insgesamt zu hoch, dass so viele meinen, sie müssten ihre Gewinne ins Ausland schaffen? KUBICKI: Wir haben derzeit die höchsten Steuereinnahmen seit Bestehen der Bundesrepublik. Da müssen wir nicht über Steuererhöhungen philosophieren, so wie SPD und Grüne es tun. Darum sollten wir Liberale dafür werben, dass Ungerechtigkeiten im Steuersystem beseitigt werden: Wir kämpfen für die Abschaffung der kalten Progression. Außerdem bin ich sehr dafür, in der Diskussion um die Erbschaftssteuer den Blick darauf zu lenken, dass es nicht nur um die Erben geht, sondern auch um diejenigen, die etwas vererben. Ich will meinen Kindern etwas hinterlassen - möglichst viel, damit es ihnen möglichst gut geht. Und ich will nicht, dass Jürgen Trittin seine klebrigen Finger danach ausstreckt. Wir als FDP müssen alle Versuche, die Erbschaftssteuer zu erhöhen, hart bekämpfen und dabei immer wieder deutlich machen, dass es sich bei vererbtem Vermögen um bereits versteuertes Vermögen handelt. Ansonsten hören die Menschen auf zu sparen, sondern bringen ihr Geld besser durch. Frage: Werden Sie dieses Thema auf dem Parteitag am Wochenende in Nürnberg zur Sprache bringen? KUBICKI: Natürlich. Und ich werde auf Frankreich verweisen. Die Sozialisten dort verfolgen die Linie, es wäre viel gerechter, wenn es nicht nur den Franzosen schlecht ginge, sondern auch noch den Deutschen. Das ist auch ein Teil der Philosophie der Sozialdemokratie und mittlerweile auch der Grünen: Gerecht ist, wenn es allen gleich schlecht geht. Das kann man anprangern. Die FDP muss im Wahlkampf deutlich machen: Das Ergebnis einer solchen Politik ist Arbeitslosigkeit. Wir haben eine Halbierung der Arbeitslosenzahlen unter anderem durch massive Steuersenkungen erreicht, die die Regierung Schröder seinerzeit beschlossen hat. Dadurch ist die Wirtschaft angekurbelt worden, dadurch sind Menschen in Beschäftigung gekommen. Dadurch hat es insgesamt mehr Wohlstand gegeben. Wenn wir diesen Prozess umkehren, kommen wir wieder zu den fünf Millionen Arbeitslosen, die wir 2002 hatten oder dorthin, wo heute die Franzosen sind. Frage: Der Parteitag will aber vor allem über Lohnuntergrenzen reden. Ist das nicht die Umkehrung bisheriger liberaler Politik? KUBICKI: Nein. Wir brauchen feste Lohnuntergrenzen. Denn es gibt Regionen und Branchen, in denen sonst Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Sonst verschaffen sich Unternehmen, die ihre Mitarbeiter schlecht bezahlen, Vorteile gegenüber denen, die faire Löhne zahlen. Ich akzeptiere als Liberaler nicht, wenn Unternehmen auf Kosten ihrer Mitarbeiter Gewinne generieren. Es kann nicht sein, dass ihre Lohnkosten durch Zuzahlung des Staates gesenkt werden. Frage: Erwarten Sie keine heftigen Debatten dazu auf dem Parteitag? KUBICKI: Doch, es wird heftige Debatten geben. Leider haben wir bei uns einige Hardliner, gerade bei den Jungen Liberalen. Sie glauben, Regulierungen des Staates seien generell des Teufels und soziale Komponenten in der Politik würden der Menschheit nicht weiterhelfen. Da wird es zu einem offenen Schlagabtausch kommen. Denn derartigen Rigorismus halte ich für wenig liberal. Das ist mir zu dogmatisch. Ich halte es lieber mit Friedrich Naumann, der gesagt hat: "In sozialer Not kann keine Freiheit gedeihen." Wir als Liberale müssen dafür sorgen, dass möglichst alle Menschen an einer prosperierenden Wirtschaft teilhaben können. Frage: Peer Steinbrück ist ein Studienkollege von Ihnen. Hätten Sie erwartet, dass er so viele Fehler im Wahlkampf macht? KUBICKI: Nein, ich hätte nie gedacht, dass Peer Steinbrück so viele Fehler macht. Bei der Vorstellung der Steinbrück-Biographie von Ihrem Focus-Kollegen Daniel Goffart habe ich ihn noch ausdrücklich gelobt. Damals war er noch nicht Kandidat, und ich habe die These verfolgt, die SPD hat nur mit ihm eine Chance, die Wahlen zu gewinnen. Denn er versteht von Wirtschaft deutlich mehr als Angela Merkel. Dafür hätte er aber seiner Linie treu bleiben müssen… Frage: Was war das größte Problem? KUBICKI: Diese Honoraraffäre hat ihm sehr geschadet. Weil die Partei da solidarisch zu ihm gestanden hat, konnte er politisch nicht die Beinfreiheit einfordern, die er gebraucht hätte. Er ist nun der falsche Kandidat für eine links ausgerichtete Sozialdemokratie. Frage: Könnten Sie sich trotzdem vorstellen, mit ihm in einer Ampel-Koalition zu arbeiten, falls es für Schwarz-Gelb nicht reicht? KUBICKI: Mit den aktuellen Steuer-Beschlüssen von SPD und Grünen ist eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Frage: Sie gelten aber als einer derjenigen in der FDP, die ein solches Bündnis forcieren würden, falls es für eine Koalition mit der Union nicht reicht… KUBICKI: Im Gegensatz zu anderen in meiner Partei halte ich es für wichtig, auch mit Sozialdemokraten und Grünen im Gespräch zu bleiben. Mit den aktuellen Beschlüssen ist eine Ampel-Koalition für die FDP wie auch für mich persönlich undenkbar. Frage: Was muss die Kernbotschaft vom Parteitag sein? KUBICKI: Es geht um die Wohlstandsmehrung. Die Menschen müssen am 22. September darüber entscheiden, ob der Wohlstand erhalten bleibt oder ob die Krise sich weiter auswächst. Frage: Warum kandidieren Sie für den Bundestag? Warum wollen Sie von Kiel nach Berlin wechseln? KUBICKI: Die Entscheidung ist im Sommer 2012 nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein gefallen. Damals setzte sich die Erkenntnis durch, dass es nichts nützt, bei Landtagswahlen zu reüssieren, wenn die Stimmung auf Bundesebene mies ist oder mies bleibt. Mir ist damals von vielen Menschen gesagt worden: "Kubicki, Sie müssen nach Berlin." Frage: Was hat Ihre Partei in Schleswig-Holstein dazu gesagt? KUBICKI: Meine Parteifreunde dort sehen natürlich auch, wie wichtig es ist, dass wir auf Bundesebene dauerhaft in den Umfragen mehr als fünf Prozent bekommen. Ich will mich noch einmal einmischen. Nach 42 Jahren in der FDP will ich nicht mit ansehen, wie meine Partei vor die Hunde geht. Außerdem bin ich jetzt 21 Jahre im Landtag von Schleswig-Holstein, 19 Jahre davon Fraktionsvorsitzender, da wird es langsam Zeit, dass ich dieses Feld verlasse. Denn die guten und kreativen jüngeren Menschen um mich herum müssen auch die Gelegenheit haben, sich zu exponieren und die FDP weiterzuführen, ohne dass die Eiche Kubicki Schatten wirft. Denn ich werde mit Sicherheit 2017 nicht mehr Spitzenkandidat. Da ist es an der Zeit, denen Platz zu machen, die den nächsten Wahlkampf führen sollen. Frage: Was ändert sich an der FDP dadurch, dass sie nun im Präsidium der Partei sitzen? KUBICKI: Ich höre von älteren Präsidiumsmitgliedern, dass sie sich freuen, dass ich jetzt mit im Präsidium sitze und die politischen Diskussionen bereichere. Das hat auch damit zu tun, dass alle Beteiligten sehen, dass ich für sie keine Konkurrenz bin. Ich will nicht Minister werden… Frage: Weil Sie dann weniger verdienen würden als Anwalt? KUBICKI: Ich halte meine Freiheit und meine berufliche Existenzsicherung für unabdingbar. Das wäre mit einem Ministeramt nicht kompatibel. Ich könnte nicht mehr Anwalt sein und wäre in einer völlig anderen Situation als gegenwärtig: Derzeit kann ich frank und frei meine Meinung sagen. Das geht als Minister nur noch begrenzt. Meine Wirkung hängt nicht davon ab, dass mir irgendjemand in der FDP etwas Gutes wünscht oder ein Amt lässt. Meine Wirkung hängt davon ab, dass ich in einer Art und Weise kommuniziere, die die Menschen begeistert. Frage: Sie also geben der FDP endlich ein öffentlichkeitswirksames Gesicht? KUBICKI: Nicht endlich, aber ich gebe der FDP ein anderes öffentlichkeitswirksames Gesicht - in der Hoffnung, dass damit das Gewicht der FDP insgesamt zunimmt. Frage: Auf welchem Politik-Feld wollen Sie im Bundestag tätig werden? KUBICKI: Ich beherrsche zwei Themenfelder: Die Finanz- und Haushaltspolitik und die Innen- und Rechtspolitik. Und unsere Demokratie funktioniert nach dem Prinzip, dass sich Menschen mit Sachverstand in die verschiedenen Politikfelder einbringen.

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