25.01.2014FDPBürgerrechte

KUBICKI-Interview für die „Neue Osnabrücker Zeitung“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Beate Tenfelde:

Frage: Herr Kubicki, 16 Millionen E-Mail-Konten wurden geknackt, der US- Geheimdienst NSA späht das Kanzlerinnen-Handy aus: Sind wir zu gläsernen Menschen geworden?

KUBICKI: Ja, so sieht es aus. Es gibt ausgefeilte Techniken, die dazu verführen, über die Menschen alles zu erfahren und im Zweifel auch öffentlich zu machen. Das nutzen nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern auch Konzerne. Google und Apple wissen über uns mindestens genau so viel wie die NSA. Damit der Staat die Privatheit seiner Bürger weitestgehend schützen kann, brauchen wir nicht nur neue rechtliche Regelungen und durchsetzungsfähige Strategien, sondern auch technische Aufrüstung. Verhandlungen und Diskussionen allein helfen nicht weiter.

Frage: Muss Deutschland oder muss Europa aufrüsten?

KUBICKI: Deutschland allein schafft es nicht, aber mit europaweiten Anstrengungen können wir es mit den Amerikanern aufnehmen. Airbus als europäisches Gemeinschaftswerk hat Boeing bereits überflügelt.

Frage: Großbritannien bleibt außen vor?

KUBICKI: Unsere britischen Freunde müssen sich entscheiden, ob sie Europäer sein wollen oder eine amerikanische Insel. Beides zusammen wird nicht gehen.

Frage: Tritt die Bundesregierung bei den Amerikanern zu duckmäuserisch auf?

KUBICKI: Ja. Da hätte ich mehr Entschiedenheit erwartet – zum Beispiel eine klare öffentliche Ansage an die Amerikaner, dass bei fortgesetzter Spionage die Freundschaft endet. Wer ohne mein Wissen in meinen Computer eindringt, kann nicht mehr mein Freund sein. Ich kann mich an keinen Tag während des Wahlkampfs erinnern, an dem der jetzige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die USA und die NSA nicht massiv kritisiert hat. Ich dachte schon, er ruft die 470 000 SPD-Mitglieder auf, Washington zu besetzen. Aber seitdem die SPD in der Regierung ist, herrscht Stillschweigen. Damit muss Schluss sein.

Frage: Ist die Unterbrechung der laufenden Verhandlungen über die Freihandelszone ein wirksames Druckmittel gegen die USA?

KUBICKI: Ja, das ist sehr effektiv. Diesen Hebel sollten die Deutschen und die Europäer unbedingt ansetzen, auch wenn es für die Wirtschaft schwer nachvollziehbar ist. Die Amerikaner betreiben auch flächendeckend Wirtschaftsspionage – seit 2008 durch US-Gesetze legitimiert. Das ist geistiger Diebstahl. Das Völkerrecht sieht vor, zu reagieren, wenn sich der Partner unbotmäßig verhält. Also können die Verhandlungen über die Freihandelszone unterbrochen werden.

Frage: Themenwechsel: Entscheidet die Europawahl über das Schicksal der FDP?

KUBICKI: Nein, über das Schicksal der FDP wird bei der Bundestagswahl entschieden – 2017 oder möglicherweise früher. Die Europawahl ist ein Etappenziel, eine Wegmarke beim Wiederaufbau der Partei.

Frage: Sie erwarten mit 5 Prozent plus…

KUBICKI: Ja, wir haben bei der Bundestagswahl im letzten September 4,8 Prozent erreicht. Seither geht es aufwärts – wir haben volle Säle und über 2000 neue Mitglieder. In einigen Umfragen haben wir fünf Prozent bereits überschritten und bis Mai holen wir weiter auf.

Frage: Worauf gründet sich Ihre Zuversicht?

KUBICKI: Die Union hat am 22. September einen Pyrrhussieg errungen. Sie muss im Bündnis mit der SPD Positionen vertreten, die sie von 2009 bis 2013 bekämpft hat. Da sehnt sich mancher Wähler wieder nach der FDP. Und wenn SPD wie Grüne mittlerweile den Liberalismus entdecken, sage ich nur: Das funktioniert nicht. Parteien mit erzieherischem Ansatz, die wie SPD und Grüne einen besseren Menschen formen wollen, können niemals Liberale sein.

Frage: Sind Sie für eine Drei-Prozent-Hürde beim Einzug in den Bundestag?

KUBICKI: Nein.

Frage: Hält Schwarz-Rot im Bund nicht bis 2017?

KUBICKI: Da gibt es Anhaltspunkte. Die Konflikte sind doch mit Händen zu greifen. SPD-Arbeitsministerin Nahles scheitert mit dem Plan für die abschlagsfreie Rente mit 63 langfristig an Finanzierungsproblemen – und jetzt kommen auch noch Datenlücken dazu. Bei der Energiewende ist Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) nach wie vor planlos. Kohlekraftwerke stehen auf Platz eins bei der Energiegewinnung. Dafür werden ausgerechnet im Norden die Fördersätze für Windkraft gesenkt und bei windarmen Standorten beibehalten. Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Diese Probleme werden die Bundesregierung noch in diesem Jahr an ihre Leistungsgrenze führen.

Frage: Das heißt?

KUBICKI: Die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) dürfte im Bundesrat scheitern. Das SPD-geführte Land Schleswig-Holstein hat bereits eine Ablehnung signalisiert. Auch die schnell hingeschriebenen Lösungen beim Mindestlohn werden noch zu Konflikten führen.

Frage: Vizekanzler Gabriel hat einen starken Auftritt...

KUBICKI: Gabriel hat großes Gewicht. Er hat die SPD nach desaströser 24,7-Prozent-Wahlniederlage schnell wieder in Form gebracht. Er ist taktisch gewieft, deshalb traue ich ihm zu, dass er Merkels Regierungsstil des Aussitzens auf Augenhöhe Paroli bieten kann. Die nötige Raffinesse hat er. Anders als die Kanzlerin hat Gabriel immer noch ein Ass im Ärmel: In zwei, drei Jahren hat er die Basis dafür gelegt, dass im Zweifel auch ein Bündnis mit den Linken als salonfähig gilt.

Frage: Nimmt Gabriel der Kanzlerin die Butter vom Brot?

KUBICKI: Sigmar Gabriel zeigt gerade, dass er eigenes Brot und eigene Butter hat. Und deshalb ist Angela Merkel bereit, mit ihm zu teilen.

Frage: Könnten Sie sich Gabriel 2017 als Partner vorstellen?

KUBICKI: 2017 – das ist noch lange hin.

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