30.06.2014FDPFDP

KUBICKI-Interview für den „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ (Sonntag) das folgende Interview. Die Fragen stellte PETER HÖVER:

Frage: Herr Kubicki, wie angeschlagen sind die Liberalen neun Monate nach dem Aus im Bund noch?

KUBICKI: Jedenfalls sind wir noch nicht so weit, dass wir uns vollständig erholt haben. Die aktuellen Umfragewerte sind sicherlich nichts, worauf wir uns ausruhen können. Eine Leistung ist das noch nicht.

Frage: Drei bis vier Prozent hat die FDP danach. Woran hapert es bei der Genesung des liberalen Patienten?

KUBICKI: Wir mussten erst einmal unsere inneren Strukturen neu ordnen. Wir haben über 600 Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion verloren, die Bundesgeschäftsstelle ist auf 20 Mitarbeiter zusammengeschrumpft. Und weil es eben keine Bundestagsfraktion mehr gibt, ist die öffentliche Wahrnehmung drastisch reduziert. Zusammen mit dem Bundesvorsitzenden Christian Lindner und anderen arbeite ich daran, dass sich das ändert.

Frage: In der Heute-Show haben sie einmal gesagt, die FDP treffe nicht den Nerv der Leute. Wie wollen Sie den Nerv finden?

KUBICKI: 30 Prozent der Bevölkerung bekennen sich dazu, liberale Politik zu wollen. Viele dieser Menschen finden sich in der FDP derzeit nicht wieder, weil die Liberalen zu lange reduziert wurden auf Wirtschafts- und Steuerkompetenz. Dabei steht die FDP auch für gerechte Bildungschancen und für den freiheitlichen Rechtsstaat. Am Schluss der Koalition mit der Union im Bund ist aber selbst dieses Bild zerbröselt, weil niemand einen Konflikt mit der CDU wollte. Das arbeiten wir gerade auf. Es wird zwar keine FDP mit drastisch anderen Inhalten geben, aber eine Partei, die anders auftreten wird.

Frage: Sie glauben, das wird abseits Ihrer Talk-Show-Auftritte reichen, um die FDP wieder wählbarer zu machen?

KUBICKI: Zwei Dinge werden zählen: Die Performance der Großen Koalition im Bund und die Tatsache, dass in der Opposition dort zwei Parteien sitzen, die noch mehr Staat, noch mehr Umverteilung und Bevormundung wollen. Die FDP wird, das ist das Zweite, eigene Antworten auf die großen Zukunftsfragen geben...

Frage: Wie zum Beispiel...

KUBICKI: Nehmen Sie den demografischen Wandel. In einer alternden Gesellschaft wird es zunehmend um die Selbstbestimmung und die Würde von Menschen gehen. Oder: die Digitalisierung der Gesellschaft; hier geht es darum, sein Recht durchsetzen zu können. Was beim Cybermobbing passiert, ist doch nur ein Anfang. Hier können Leben zerstört werden, wenn etwa Verleumdungen im Netz auf ewig aufbewahrt bleiben.

Frage: Wenn die CDU in Zukunft womöglich mit den Grünen koalieren kann, wo ist dann die Funktion der FDP?

KUBICKI: Die Funktion der FDP bestand, jedenfalls in meinem Verständnis, zu keinem Zeitpunkt darin, Mehrheiten anderer Parteien zu sichern. Es geht darum, inhaltliche Positionen zu beziehen, und diese Positionen dann, wenn es die Chance dazu gab, in einer Koalition umzusetzen.

Frage: Wer kommt denn da infrage?

KUBICKI: Je weiter sich das Parteienspektrum auffächert, desto größer wird der Druck, auch über andere Konstellationen abseits einer großen Koalition nachzudenken. Mit den Grünen sehe ich Berührungspunkte. In Schleswig-Holstein gilt das etwa für die Flüchtlingspolitik, ja mittlerweile selbst für die Haushaltspolitik. Mit der SPD gibt es seit vielen Jahren bis in die Spitze hinein und auch heute vielfältige Gesprächskontakte. Und irgendwann wird auch der Kollege Ralf Stegner...

Frage: ...der Landesvorsitzende der Nord-SPD...

KUBICKI: ...der sich ja zunehmend auf Bundesebene engagiert, lernen, dass nicht nur er und die Sozialdemokratie daran mitwirken, dass es den Menschen besser geht. Ich kann mir deshalb vorstellen, dass es in ein, zwei oder drei Jahren auf Bundesebene Gespräche mit der Sozialdemokratie auch mit einer Unterstützung durch Stegner geben kann.

Frage: Hört sich an, als werde Ihre Doktrin für Schleswig-Holstein – „keine Koalition mit der SPD unter Stegner“ – hinfällig.

KUBICKI: Das Problem ist nicht die SPD Schleswig-Holstein. Das Problem ist, dass Ralf Stegner die FDP als Partei diskreditiert und einzelne Abgeordnete seit Jahren buchstäblich beleidigt. Ich bin zwar mächtig in der FDP Schleswig-Holstein. So mächtig, dass ich meine Partei dazu bewegen könnte, einer Koalition mit Herrn Stegner zuzustimmen, bin ich nicht. Dazu bräuchte es vielleicht ein anderes Verhalten des Kollegen Stegner im Parlament.

Frage: Sie sind eigentlich Fraktionschef im Landtag. Täuscht der Eindruck, dass Sie das Feld zunehmend dem Nachwuchs überlassen?

KUBICKI: Natürlich müssen die Mitglieder meiner Fraktion sich auch profilieren können. Es kann nicht sein, dass sich alle immer auf Kubicki konzentrieren, so wie es in der SPD mit Herrn Stegner passiert. Wenn mir morgen etwas zustoßen sollte, muss diese Fraktion weiterarbeiten können. Ich sehe mit Freude, dass in unseren Reihen eine Menge Talente sitzen.

Frage: Wie lange wird ihr Landesvorsitzender Heiner Garg noch darauf warten müssen, Sie als Fraktionschef „beerben“ zu dürfen?

KUBICKI: Spätestens dann, wenn ich mein Amt abgebe...

Frage: ...zur Mitte der Wahlperiode im Herbst?

KUBICKI: Das ist ausgeschlossen, weil allen klar ist, dass wir 2017 erst einmal die Landtagswahl gewinnen müssen. Und dafür müssen wir alle Kräfte bestmöglich bündeln.

Frage: 2017 sind Landtags- und Bundestagswahlen. Für welches Parlament wird Wolfgang Kubicki kandidieren?

KUBICKI: Ich werde zunächst für den Landtag kandidieren. Es spricht aber einiges dafür, dass ich anschließend bei der Bundestagswahl eine entscheidende Rolle mitspielen werde.

Frage: Seit zwei Jahren regieren SPD, Grüne und SSW im Land. Was unterscheidet diese Koalition von den Vorgängern CDU und FDP?

KUBICKI: Diese Koalition hat mehr Glück als die Goldmarie im Märchen. Das Geld fällt quasi vom Himmel und kann für Ausgaben verwendet werden, die die schwarz-gelbe Vorgängerkoalition wegen der Schuldenbremse nie hätte tätigen können. Wir mussten den Sparkurs einleiten und wollten Spielräume nutzen, wenn es sie denn gegeben hätte. Die gab es bis 2012 nicht. Das Glück hilft der Koalition auch deshalb, weil sie wegen des Geldes keine Differenzen austragen musste. Die Zeit aber, in dem dieses Bündnis darauf verweisen konnte, Schwarz-Gelb sei brutal mit dem Rasenmäher durch den Haushalt gegangen, geht langsam zu Ende. Da schaue ich mir an, wie die Koalition ihre Großbaustellen wie Lehrerbildung, Hochschulfinanzierung oder die Sanierung des UKSH anfasst.

Frage: Wie fest sitzt Bildungsministerin Waltraud Wende nach monatelangem Konflikt um ihre Politik noch im Sattel?

KUBICKI: Unter normalen Umständen wäre in der Sommerpause der richtige Zeitpunkt für einen Rücktritt oder eine Entlassung. Ich vermute aber, dass der Ministerpräsident sich Frau Wende in besonderer Weise verpflichtet fühlt. Er hat sie ja überredet, in sein Kabinett einzutreten.

Frage: Welche Unterschiede sehen Sie im Politikstil von Torsten Albig und seinem Amtsvorgänger Peter Harry Carstensen?

KUBICKI: Gemeinsam haben sie den präsidialen Stil. Nur war Peter Harry Carstensen verbindlicher, volkstümlicher und authentischer in dieser Rolle.

Frage: Wer ist oder war politischer?

KUBICKI: Carstensen war ein sehr politischer Mensch, und ein emotionaler dazu, worüber ich nicht immer glücklich war. Torsten Albig enttäuscht mich zusehends, weil aus der Ankündigung vom Dialog nichts geworden ist. Die Koalition setzt mit ihrer Einstimmen-Mehrheit brachial alles durch. Das gilt auch für Personalfragen. Da werden sogar Gesetze geändert, damit sie anschließend zum Parteibuch von Bewerbern um Ämter passen. Da wird die Haushaltsordnung missachtet, wenn ein Gesetz auf den Weg gebracht wird. Und in den Reden des Ministerpräsidenten habe ich viele schöne Worte, aber nichts Zukunftsweisendes gehört.

Frage: Wie schätzen Sie das politische Gewicht des SSW in der Koalition ein?

KUBICKI: Mehr politisches und finanzielles Gewicht als heute wird der SSW wohl nie wieder haben. Die Rückkehr zur 100-Prozent-Finanzierung der dänischen Schulen war eine politische Meisterleistung. In der Verkehrspolitik, und das sehe ich positiv, hat der SSW durchaus auch dänische Interessen im Blick und hält so – gemeinsam mit der SPD – die Grünen in Schach.

Social Media Button