14.11.2013FDPLiberalismus

KUBICKI-Interview für den „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied WOLFGANG KUBICKI gab dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ (Donnerstag) das folgende Interview. Die Fragen stellte HELGE MATTHIESEN:

Frage: Herr Kubicki, Sie sind gar nicht mehr so häufig im Fernsehen präsent. Haben die Einladungen zu Talkshows nach der Wahl abgenommen?

KUBICKI: Im Gegenteil. Entscheidend war, dass ich mir vier Wochen Pause gegönnt habe. Aber ich kann Ihnen versprechen, Sie entkommen mir bis Ende der kommenden Woche überhaupt nicht mehr.

Frage: Dazwischen haben Sie am kommenden Wochenende noch den Parteitag der Landes-FDP. Wie geht es der Partei nach der verlorenen Wahl?

KUBICKI: Wir waren natürlich extrem geschockt. Es hat uns auch nicht befriedigt, dass wir ein deutlich besseres Ergebnis eingefahren haben als im Bund und fast überall in den Wahlkreisen in Schleswig-Holstein mehr als fünf Prozent hatten. Aber wir haben uns nach der Wahl einmal kurz geschüttelt und organisieren jetzt den Wiederaufbau der FDP auf Bundesebene.

Frage: Wie bewerten Sie den eigenen Anteil an der Wahlniederlage?

KUBICKI: In Schleswig-Holstein ist nichts schiefgegangen, auch wenn wir unter unseren Erwartungen geblieben sind. Es war der Bundestrend, der voll durchgeschlagen hat. Es stand ja nicht nur Wolfgang Kubicki zur Wahl, sondern die gesamte FDP.

Frage: Wie kommt die FDP zurück in die Parlamente?

KUBICKI: Wir müssen den Liberalismus nicht neu erfinden und auch die Position der FDP nicht vollkommen neu bestimmen. Wir sind abgestraft worden nicht wegen unserer Haltung, sondern wegen der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit in der Koalition mit der CDU. Eine Rolle spielte auch das teilweise sehr unglückliche Auftreten in der Öffentlichkeit. Wir müssen den Menschen wieder das Gefühl geben, dass wir uns um ihre Probleme kümmern und nicht um unsere eigenen. Parteien werden ja nicht als Selbsterfahrungsgruppen gewählt, sondern wegen ihrer Lösungsvorschläge für Probleme. Wir müssen verbindlicher werden im Ton und wir müssen den Menschen deutlich machen, dass der Freiheitsbegriff nichts Abstraktes ist.

Frage: Sehen Sie Defizite in der Programmatik?

KUBICKI: Bisher ist die FDP nur wahrgenommen worden als eine Partei, die sich um Steuersenkungen kümmert und um die wirtschaftliche Ausrichtung. Wir sind wahrgenommen worden als die Partei der großen Banken und der großen Konzerne. Die Partei muss sich programmatisch breiter präsentieren. Wir sind die Partei der Bürgerrechte.

Frage: Hat denn die FDP das richtige Personal für diese Neupositionierung?

KUBICKI: Sie werden eine völlige personelle Neuaufstellung erleben. Christian Lindner tritt an und ich werde als Stellvertretender Bundesvorsitzender kandidieren. Wir werden außerdem mit Nicola Beer, der Bildungsministerin aus Hessen, eine richtig gute Frau für den Vorstand bekommen. Sie wird der FDP ein neues Gesicht geben. Katja Suding aus Hamburg wird wohl ebenfalls dabei sein. Ich bin mir sicher, dass der Auftritt der FDP ein ganz anderer sein wird: Nicht mehr ganz so großmäulig, nicht mehr ganz so rechthaberisch wie bisher.

Frage: Wenn wir eine große Koalition bekommen, ist in der Mitte des politischen Spektrums deutlich weniger Platz als bisher. Wird der für eine erneuerte FDP überhaupt noch reichen?

KUBICKI: Wir sind die einzige Partei, die einen konsequent marktwirtschaftlichen Kurs fährt. Das heißt aber nicht, dass wir die Probleme der Menschen ignorieren. Das Leben der Menschen zu verbessern, bleibt unser Ziel. Aber es muss grundsätzlich klar sein, dass wir nur verteilen können, was auch vorher erwirtschaftet worden ist. Die Akzentuierung auf Steuersenkungen allein hat der FDP ja nicht genützt, sondern eher geschadet.

Frage: Der Neubeginn kann ja nur aus den Landesverbänden kommen.

KUBICKI: Er kann nur von dort kommen, weil wir keinen originären Bundesverband mehr haben. Wir haben aber starke Landtagsfraktionen und starke Landesverbände in NRW zum Beispiel. Dort wie auch in Schleswig-Holstein verzeichnen wir derzeit viele Parteieintritte. Ich stelle fest, dass vor allem junge, kreative Unternehmer bemerken, dass sie in der FDP für ihre Probleme einen Ansprechpartner finden. Diese Veränderung wird sich nach dem Bundesparteitag auch öffentlich und medial niederschlagen.

Frage: Welchen Beitrag kann Schleswig-Holstein da leisten?

KUBICKI: Die Idee der Lohnuntergrenze, die von Gewerkschaften und Arbeitgebern nach Branchen ausgehandelt werden, ist von Heiner Garg und mir entwickelt worden. Die ist in der Bundespartei inzwischen mehrheitsfähig. Bei der Anpassung unserer Programmatik an die gesellschaftliche Wirklichkeit waren wir in Schleswig-Holstein schon immer Vorreiter und das wollen wir in Zukunft auch bleiben. Bernd Buchholz kandidiert für den Stellvertretenden Landesvorsitz. Wir arbeiten zusammen, um ein paar Ideen in die Debatte zu bringen, die dann hoffentlich aufgenommen werden.

Frage: Braucht die FDP neue Koalitionsoptionen?

KUBICKI: Sie braucht zunächst einmal eine Besinnung auf sich selbst und ihre eigene Stärke. Die nächsten Monate werden parteiintern dafür genutzt werden, wieder eigenes Selbstbewusstsein zu erringen. Da stellen sich Koalitionsfragen erst einmal nachrangig. Da aber alle anderen Parteien alle möglichen Koalitionsoptionen erobern wollen, wird das für die FDP in gleicher Weise gelten. Ich habe nie verhehlt, dass ich mir eine Koalition auch mit der SPD oder mit den Grünen grundsätzlich vorstellen kann. Das muss sich aber an inhaltlichen Punkten orientieren.

Frage: Wie wollen sie ganz persönlich weitermachen? Orientieren sie sich künftig eher an der Landespolitik oder gehen Sie verstärkt in die Bundespolitik?

KUBICKI: Ich werde meine Aufgabe als Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag in der gewohnten Weise wahrnehmen. Wahrscheinlich werde ich meine anwaltliche Tätigkeit ein wenig zurückfahren müssen, denn selbstverständlich – sollte ich zum Stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt werden – werde ich auch dort stärker in die Pflicht genommen.

Frage: Mit einem Rückzug auf das politische Altenteil in absehbarer Zeit müssen wir also nicht rechnen?

KUBICKI: Definitiv nicht. Die Kollegen wissen, dass ich mindestens bis 2017 weitermache. Ich stehe im Wort und werde dafür sorgen, dass die FDP bei der Europawahl, der Landtagswahl und der nächsten Bundestagswahl wieder herausragende Ergebnisse erzielt.

 

 

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