03.05.2015FDPBürgerrechte

KUBICKI-Interview: Die Koalitionäre begeben sich in die Schützengräben

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „B.Z. am Sonntag“ (heutige Ausgabe) und „BZ-Berlin.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte MATHIAS HELLER:

Frage: Wie schätzen Sie die NSA-Affäre ein?

KUBICKI: Es ist mir schleierhaft, wie man im Bundeskanzleramt behaupten kann, im Jahr 2008 von gegen deutsche Unternehmen oder Persönlichkeiten gerichtete Spionageaktivitäten erfahren zu haben, ohne darauf entsprechend zu reagieren. Gerade bei solchen Geschichten muss man in aller Regel hellhörig werden. Ich bin auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums in Schleswig-Holstein und kann mir den Geschehensablauf, so wie er gegenwärtig geschildert wird, nicht vorstellen. Das würde darauf hindeuten, dass die Rechts- und Fachaufsicht des Bundeskanzleramtes komplett versagt hätte.

Frage: Wer wäre dafür verantwortlich?

KUBICKI: Das fängt beim damaligen Chef des Bundeskanzleramtes an. Wenn auch in der Zeit von Herrn Altmaier entsprechende Signale des BND weitergegeben und nicht angemessen reagiert worden ist, würde es ihn genauso wie Herrn Pofalla betreffen. Wenn das Parlament belogen worden sein sollte, wäre das ein weiterer Sittenverfall demokratischer Institutionen, der das Vertrauen in den Rechtsstaat dramatisch untergräbt.

Frage: Der Koalitionsgipfel am vergangenen Wochenende hat keine einzige Lösung für anstehende Probleme gefunden. Was sagt das über den Zustand der Koalition aus?

KUBICKI: Die Koalitionäre beginnen, sich in die Schützengräben zu begeben im Vorlauf zur Bundestagswahl 2017 und die Landtagswahlen im kommenden März. Der eine will jetzt dem anderen nichts mehr gönnen oder nicht mehr nachgeben oder sich entsprechend profilieren. Das führt dazu, dass man gestaltend kaum noch in Erscheinung treten kann.

Frage: Wie kommt es dann, dass es Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut geht?

KUBICKI: Was wir heute erleben, sind Folgewirkungen der Vergangenheit, die nicht nur etwas mit der FDP zu tun haben, sondern auch mit der SPD. Schröders Arbeitsmarktreformen wirken bis heute. Was die jetzige Koalition dagegen gesetzt hat, Rente mit 63, Mindestlohn etc., wird sich erst in einiger Zeit negativ auswirken. 2014 lagen die deutschen Auslandsinvestitionen über den Inlandsinvestitionen. Wir exportieren also Wertschöpfung und Arbeitsplätze.

Frage: Schädigen die steigenden Sozialkosten den Standort Deutschland?

KUBICKI: Sie beeinträchtigen seine Entwicklungsfähigkeit. Wir haben bereits über 250000 Minijobs verloren, mit denen sich Rentner oder Studenten nebenbei etwas verdient haben. Unternehmen korrigieren ihre Absichten über neu einzustellende Mitarbeiter nach unten. Wirtschaftsforschungsinstitute sagen bereits, dass es eine Abflachung der Beschäftigungsmöglichkeiten und des Wachstums geben wird. Und wenn Sie sich unsere Infrastruktur ansehen, die Schere zwischen den Investitionen der Vergangenheit und heute, dann wird klar: Wir bezahlen unsere sozialen Errungenschaften durch den Verfall unserer Infrastruktur, also unserer Straßen, Schienen, Stromleitungen.

Frage: Was würde besser laufen, wenn die FDP im Bund mitregierte?

KUBICKI: Wir würden uns darum kümmern, dass die Investitions- und damit Beschäftigungsmöglichkeiten verbessert werden: Deutschland erlebt aufgrund der Digitalisierung eine neue Gründerwelle; wir würden den Einstieg von und in Unternehmen erleichtern, etwa durch Bürokratieabbau. Wir würden die Verkehrsinfrastruktur als Voraussetzung für Wachstum entwickeln. Und wir würden dafür sorgen, dass in Bildung mehr investiert wird. Denn die immer weniger werdenden jungen Menschen müssen immer mehr leisten, um das Wohlstandsniveau der Gesellschaft zu erhalten.

Frage: Wie soll die Infrastruktur entwickelt werden?

KUBICKI: Durch deutlich kürzere Planungs- und Beteiligungsverfahren. So funktionierte das nach der Deutschen Einheit, wo wir Projekte schneller planen konnten. Sonst hätten wir die Autobahn durch Mecklenburg-Vorpommern heute noch nicht: Bei der Verlängerung der A20 haben wir in Schleswig-Holstein in 23 Jahren genau 38 Kilometer geschafft. Das gleiche Problem haben wir mit diversen Windkraftanlagen, für die wir dreistellige Millionenbeträge bezahlen, obwohl sie keinen Strom ins Netz einspeisen, weil das Netz nicht da ist.

Frage: Hat die FDP Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht?

KUBICKI: Bisher gibt es nur das Eckpunktepapier. Wenn das Gesetz wird, wird auch von mir als Person eine Klage gegen das Gesetz eingereicht werden. Weil dieses Papier von de Maizière und Maas die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes nicht erfüllt.

Frage: Haben Sie Albträume, wenn Sie an den Zustand der Liberalen und ihre bundesweiten Umfragewerte (4 Prozent) denken?

KUBICKI: Nein. Die 4 Prozent sind nur diejenigen, die sich heute tatsächlich zur FDP bekennen. Und nicht diejenigen, die FDP wählen würden, wenn eine Wahl tatsächlich ansteht. Das Phänomen ist mir in Hamburg begegnet, wo mich 2014 alle auslachten, als ich erklärte, die FDP werde 7 bis 8 Prozent erreichen. Dann ist das so eingetreten. In Bremen wird das Gleiche passieren. Und auch auf Bundesebene ist der Trend positiv. Wir haben wieder mehr Eintritte als Austritte, werden auf viele Veranstaltungen etwa von Verbänden eingeladen, werden in der Gesellschaft wieder ernster genommen als noch vor einem Jahr.

Frage: Also brauchen Sie keine Autosuggestion, um weiterzumachen?

KUBICKI: Nein. Ich bin davon überzeugt, dass wir wieder in den Bundestag kommen und arbeite mit vielen anderen kräftig daran.

Frage: Sie haben vor einem halben Jahr in der B.Z. angekündigt, dass Sie Ihren Großcousin Jörn und dessen Lebensgefährten Klaus Wowereit 2015 in Berlin besuchen wollen. Waren Sie schon da?

KUBICKI: Nein, ich habe sie noch nicht besucht. Ich wollte den beiden erst mal ein bisschen Zeit lassen, sich an das ‚Nicht-Politiker-Leben‘ zu gewöhnen. Aber das wird dieses Jahr mit Sicherheit passieren Es gibt eine Einladung auf einen Golfplatz in der Nähe von Berlin, der ich nachkommen werde.

Frage: Nach Hause zu Wowereits auch?

KUBICKI: Vermutlich. Ich gehe davon aus, dass wir dann auch noch das eine oder andere zusammen trinken werden.

Social Media Button