KUBICKI: Geräuschlos, aber immer loyal und fachkundig
Nachruf des stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki auf den ehemaligen Bundesvorsitzenden Klaus Kinkel, Außenminister a.D., bei „Focus Online“ (Dienstag).
Klaus Kinkel war sich immer bewusst, dass er in große Fußstapfen getreten ist, als er Hans-Dietrich Genschers Nachfolge im Auswärtigen Amt annahm. Er war kein Selbstüberschätzer, kein Gernegroß oder Lautsprecher. Man könnte fast sagen, in seiner wohltuenden Bescheidenheit im Auftritt repräsentierte er das Gute der Bonner Republik.
Dies war auch deshalb von Bedeutung, weil er die größer gewordene Bundesrepublik nach außen vertrat – und uns alle davor bewahrte, aus unserer plötzlich größeren weltpolitischen Bedeutung Anmaßung werden zu lassen.
Klaus Kinkel hatte nicht die typische Politikkarriere hinter sich, als er ins erste gesamtdeutsche Kabinett als Justizminister kam. Eine Parteikarriere konnte er bis dato noch gar nicht vorweisen, denn erst wenige Zeit nach seiner Ernennung zum Bundesminister trat er den Freien Demokraten bei. Seine Fähigkeiten hatten ihn in höchste Staatsämter gebracht – nicht das Strippenziehen in Hinterzimmern. Er war ein harter und gewissenhafter Arbeiter, las viel, war also bestens informiert und blieb auch in Zeiten, in denen der Wind stärker ins Gesicht blies, gegenüber seinen Mitarbeitern fair, geduldig und zugewandt.
In diesem Zusammenhang kann ich mich gut an den Bundesparteitag der FDP im Sommer 1995 in Mainz erinnern. An Klaus Kinkel hatten sich die Wut und Verzweiflung einer Partei entzündet, die bei den vorangegangenen 14 Landtagswahlen zwölf Mal aus den Parlamenten herausgewählt wurde. Viele sahen in dem Bundesvorsitzenden die Ursache allen Übels und griffen ihn zum Teil offen, zum Teil verdeckt an. Diese Alleinverantwortung war natürlich nicht einmal die halbe Wahrheit, wurden doch alle strategischen Entscheidungen immer in den Führungsgremien getroffen. Das war seinen Widersachern natürlich egal.
Klaus Kinkel tat aber, was er immer tat: Er stellte sich in den Dienst der Sache. Er wusste, weil sich alle auf ihn eingeschossen hatten, konnte er der Partei in dieser Situation nicht weiterhelfen. Deshalb trat er nicht wieder als Vorsitzender an. Er war im besten Maße uneitel. Es ging ihm nicht um sein eigenes Wohlbefinden, sondern um die bessere Lösung.
Klaus Kinkel blieb auch nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett und dem Deutschen Bundestag dem außenpolitischen Erbe Genschers verpflichtet. In einem Interview vor ein paar Jahren blickte er sorgenvoll auf die Veränderungen in Europa. Er erkannte, dass die Krise Europas auch aus einer gewissen Sättigung entstanden sei. Die heutige Generation habe Europa als zu selbstverständlich angenommen. Deshalb erachtete er es als notwendig, wieder eine gemeinsame europäische Vision zu präsentieren. Diese europäische Empathie brauchen wir heute mehr denn je. Wir können nur hoffen, dass die Mahnung Kinkels noch rechtzeitig bei der kommenden Europawahl durchgreift – und sich wieder mehr Demut, Vernunft und weniger Nationalstaat durchsetzen.
Klaus Kinkel war ein Staatsdiener im besten Sinne. Auch wenn er nicht immer in der ersten Reihe stand, so hat er doch stets Entscheidungen der ersten Reihe mitbeeinflusst. Als Genschers Büroleiter, als BND-Präsident oder auch als Justizstaatssekretär hat er die Geschicke des Landes schon seit den 70er Jahren mitbestimmt, meist geräuschlos, aber immer loyal und fachkundig. Ohne sein Wirken hätte die Bundesrepublik ein anderes Gesicht.
„Manche sind nicht ersetzbar“, sagte Klaus Kinkel einst über Hans-Dietrich Genscher. Für ihn gilt dies auch.